Interview mit Idil Baydar

Nach ihrer Kabarettshow „Deutschland wir müssen reden“, durften wir die Comedian und Schauspielerin Idil Baydar zu ihrer Rolle als Frau in der Comedy-Szene interviewen.

 

Pinkstinks: Als Frau mit Migrationshintergrund in der Comedy Szene, das scheint mir nicht so leicht?

Nein, dabei hilft mir natürlich mein Gewicht. Es ist ein Klischeeding, aber es funktioniert. Sexualisierte Frauen in der Comedy funktionieren nicht. Carolin Kebekus: niedlich. Enissa Amani: sexy. Sieht sich selbst aber nicht als Comedian, eher als Moderatorin. Auch wenn sie natürlich super ist! Aber es ist ein schwieriges Thema, vor allem, da Humor traditionell dem Mann zugeordnet wird und nicht der Frau. Das ist ein Problem.

 Pinkstinks: Das stimmt, wie bist du dann zu dieser ganzen Comedy Geschichte gekommen?

Zufällig und mit Druck meiner Mutter. Sie kam zu Besuch vor vier Jahren, schaut sich mein Leben an und fragt: „Wieso bist du so erfolglos?“. Ich habe zu dieser Zeit an sogenannten „Problemschulen“ gearbeitet und dort diese ganze „Kanakensprache“ gelernt. Es ist einfach ansteckend und hochlustig, man glaubt teilweise gar nicht, dass die Person das jetzt wirklich so gesagt hat. Meine Mutter hat dann mitbekommen, wie ich das mit meinen Freundinnen am Telefon nachgeahmt habe. Sie hat mich quasi gezwungen diese Rolle aufzunehmen und auf Youtube zu stellen, im positiven Sinn natürlich. Ich habe es dann ehrlich gesagt nur gemacht, weil ich dachte, dann sieht sie, dass es eh nicht funktioniert. 

 Pinkstinks: Aber das hat es!

Ja und vor allem, ich war 38, meine Mutter hätte auch einfach sagen können: Ja, ist gelaufen. Aber sie hat immer noch an mich geglaubt, darum ist das so eine tolle Geschichte. Und es zeigt: Glaubt an eure Kinder! Du weißt nicht, welchen Plan die Seele hat.

Pinkstinks:  Wie würdest Du dich heute in der deutschen Comedy-Szene einordnen?

Oft kommt der Vergleich mit Cindy aus Marzahn, wegen der Optik und so. Aber wir machen natürlich inhaltlich komplett unterschiedliche Sachen. Klar, das Proletenhafte ist irgendwie ähnlich, aber ich selbst würde mich jetzt nicht mit irgendwem vergleichen. Ich habe da noch niemanden gefunden, bei dem ich sagen würde, ja das ist ähnlich. Einzig und allein Serdar Somuncu! Ich bin mega Fan von ihm und das wäre so die Ecke in die ich mich stellen würde.

Pinkstinks: Und wie würdest Du reagieren, wenn AFD-Anhänger*innen im Publikum sitzen würden?

Ich würde mit denen reden. Hatte ich tatsächlich schon. Ich frage grundsätzlich: „Wer hat AFD gewählt?“ und es gab auch mal wen, der sich gemeldet hat.

 Pinkstinks: So richtig ernst gemeint?

So richtig ernsthaft den Arm hoch. Und ich natürlich gleich „oh waruuum?“, aber ich habe das Publikum erst mal für ihn klatschen lassen, dafür, dass er so mutig und ehrlich war. Also ich wollte bewusst, dass er nicht abgelehnt wird und dann kann man sagen: „Lass mal reden. Warum wählt ein Schaf seinen Wolf?“

Pinkstinks:  Das ist nicht schlecht. Ich komme ja von einem feministischen Verein, würdest Du dich denn als Feministin bezeichnen?

Ja natürlich auch. Ich würde es vielleicht nicht so klassisch definieren. Aber ich habe in der Jugendarbeit einiges gelernt: Frauenarbeit ist eigentlich auch Männerarbeit, gegenseitiger Respekt ist wichtig. Wir dürfen nicht gegeneinander kämpfen. Was wir, als Frauen lernen müssen ist, uns stark zu machen, uns in unserer Sexualität sicher zu fühlen und auch zu wissen, dass der Respekt vor Männern zum feministischen Ansatz dazugehört. Diese Geschlechterstereotype sind so tief drin in uns allen, das ist richtig schwer. Gerade bei uns in der migrantischen Kultur ist es oft so, dass die Frauensolidarität über die Abwertung des Mannes funktioniert. Darüber müssen wir uns bewusst werden.

Pinkstinks:  Und was würdest du jungen Frauen in diesem Zusammenhang mitgeben für die Zukunft?

Sorg dafür, dass Du finanziell unabhängig bist! Kümmere dich um deine Bildung und sei solidarisch. Wir müssen immer noch dafür sorgen, dass wir an der Macht teilhaben, sonst entsteht so etwas wie der Vatikan. Da sitzen tausende von alten Männern rum und entscheiden irgendwas.  Ja ernsthaft, was ist das!? Jedenfalls: Unabhängigkeit ist das allerwichtigste, egal, ob in einer Beziehung, Ehe oder als Single. Und hier sollten Mann und Frau gemeinsam für die Unabhängigkeit einstehen. Haben ja alle wat von.

Pinkstinks: Das Wort zum Donnerstag. Vielen Dank für das nette Gespräch!