Iran: Was kann ich tun?

Dieser Beitrag wird regelmäßig aktualisiert. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
TW: Gewalt gegenüber Frauen, queeren Personen und Kindern. Überspringe zum Absatz: „Was kann ich tun?“


Seit der Islamischen Revolution 1979 ist Iran eine „Islamische Republik“. Seitdem ist unter anderem das Tragen eines Kopftuchs für Frauen, Mädchen und weiblich gelesene Personen ab sieben Jahren Pflicht, die von der so genannten Sittenpolizei überwacht wird. Frauen- und Menschenrechte werden durch die Machtstrukturen des Regimes regelmäßig verletzt. Seit Mitte September 2022 demonstrieren in Iran Tausende Menschen gegen die politische Führung, dabei gehen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und sozialer Schichten vereint auf die Straße – zum Teil unter Lebensgefahr.

Was ist gerade los in Iran?

Auslöser der aktuellen Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Jîna Mahsa Amini, die am 13. September in Teheran unter dem Vorwurf festgenommen wurde, ihr Kopftuch nicht vorschriftsgemäß getragen zu haben. Drei Tage später, am 16. September, starb Jîna unter ungeklärten Umständen in Gewahrsam. Regierungskritiker*innen werfen der Sittenpolizei vor, deren Gewaltanwendung sei Ursache für den Tod der jungen Frau gewesen. Die iranischen Behörden publizierten das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung zur Todesursache, nach der Jîna infolge einer Kranheit verstorben sei.

Internationale Medien und Menschenrechtsorganisationen wie „Amnesty International“ berichten seitdem über die andauernden Proteste, bei denen mittlerweile einige Menschen, darunter auch Kinder, von den iranischen Sicherheitskräften getötet wurden. Die NGO beschreibt eine „staatliche Leugnung und Vertuschung“ der tatsächlichen Anzahl getöteter Bürger*innen. Die Regierung rechtfertige ihre Gewaltanwendung durch die Anschuldigungen, die Demonstrant*innen hätten Brandstiftung und Plünderungen begangen.

Zudem beschränkt der iranische Staat seit Ausbruch der Proteste die Internetnutzung, vermutlich, um die Vernetzung von Demonstrant*innen gezielt zu stören und das Verbreiten von Bildern und Videos der Proteste zu unterbinden. Trotzdem zeigen und beschreiben zahlreiche Social-Media-Postings die gewaltvollen Ausschreitungen und Drohungen der Regierung. Auch Videos von Frauen, die das gesetzlich vorgeschriebene Kopftuch abnehmen und symbolisch verbrennen, gehen viral.


Das Aufbegehren großer Teile der Bevölkerung gegen die Regierung wurde in den letzten Wochen durch Todesurteile u.a. gegen die LGBTQ+-Aktivist*innen Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar, sowie dem Verschwinden und den Tod weiterer junger Frauen wie Nika Shakarami noch befeuert.

Update vom 25.10.22

  • Am 15. Oktober brannte das Evin-Gefängnis in Teheran, wobei nach offiziellen Angaben mindestens acht Gefangene ums Leben kamen und 61 Menschen verletzt wurden. Von Amnesty International gesammelte Belege lassen vermuten, dass die iranischen Behörden mit der Bekämpfung des Feuers gewaltvolle Übergriffe auf Inhaftierte vertuschen und rechtfertigen wollen.

  • Die iranische Sportkletterin Elnaz Rekabi trat Mitte Oktober im Finale der Asien-Meisterschaften in Seoul ohne Kopftuch an. Nach ihrer mutigen Protestaktion wurde sie vom iranischen Regime festgenommen und eingeschüchtert. Über ihren aktuellen Aufenthaltsort ist wenig bekannt.

Weshalb ist in Medien von einer „feministischen Revolution“ die Rede?

Proteste gegen den Kopftuchzwang in der Öffentlichkeit sind in Iran nicht neu. Neu scheint eher das Ausmaß der Proteste, die in der Provinz Kurdistan ausbrachen und mittlerweile in vielen weiteren Gebieten Irans andauern. An der Teheraner Scharif-Universität brachen breite Streiks durch Student*innen, deren Eltern und Lehrer*innen aus, bei denen es zu Festnahmen und Gewaltanwendung durch die Polizei kam. Die Aufstände mobilisieren Solidarität unter Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten und ethnischer Hintergründe. Und: Auch außerhalb des Landes gehen Menschen gemeinsam auf die Straße. Es geht eben nicht länger nur um einen Protest gegen den Kopftuchzwang, sondern vielmehr um die Selbstbestimmung, sich für oder gegen das Tragen entscheiden zu können sowie um die Befreiung aller unterdrückten Menschen, die das iranische Regime ablehnen – angefangen bei den marginalisierten Gruppen von Kurd*innen, Frauen und queeren Menschen.

Was kann ich tun?

Es ist kein Wunder, dass wir uns bei den Schlagzeilen und Bildern aus Iran überfordert und hilflos fühlen. Wir finden es aber wichtig, nicht wegzusehen. Deshalb haben wir ein paar Links für dich gesammelt, die dir hoffentlich helfen, einen schnellen Überblick zu gewinnen, dich zu informieren und aktiv zu werden:

Informieren

  • Schnell erklärt: Warum sich iranische Frauen gegen das Regime auflehnen:

Update vom 25.10.22

Update vom 15.11.22

Regelmäßige Updates zur Lage in Iran bekommt ihr auch im Podcast „Das IRAN Update“ von Gilda Sahebi & Sahar Eslah

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Soziale Medien sind neben ihrer Unterhaltungsfunktion auch eine enorme Wissensquelle. Du kannst Journalist*innen, Aktivist*innen und Organisationen folgen, welche die Menschen in Iran unterstützen. Außerdem kannst du Beiträge und Postings teilen, damit ein möglichst großer Teil deines digitalen Umfeldes von den Protesten in Iran mitbekommt. Oben haben wir erklärt, dass die iranische Regierung das Internet gedrosselt hat. Soziale Medien waren zuvor ein wichtiger Kanal, auf dem Aktivist*innen Videos und Bilder der Proteste geteilt haben, damit die Welt von den Unruhen und den Menschenrechtsverletzungen dort erfährt. Du kannst die Beiträge auf Social Media u.a. über die Hashtags #iranprotests2022 oder #zhinaamini oder #mahsaamini finden. Hier sind außerdem ein paar Profile, die regelmäßig Inhalte zum Iran teilen:

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Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich“ oder „männlich“ benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.

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