Ist das auch was für Jungen?

Bei Pinkstinks bekommen wir immer wieder Emails von Menschen, die uns fragen, ob sich unser Verein auch für die Belange von Jungen einsetzt, denen limitierte Rollenbilder zugewiesen werden. Und die Antwort lautet immer gleich: Selbstverständlich tun wir das. Im Schatten der sogenannten pink industry, also einer Produktwarenwelt, in der die Klischeesoße zum Barbiepferd und zu den interaktiven Spielen, die auf die spätere Castingshowbewerbung vorbereiten sollen, immer gleich mitgeliefert wird, existiert längst eine blue industry, die nach den gleichen Prinzipien, nur spiegelverkehrt verfährt.

Während Mädchen eben „unzertrennliche Freundinnen vom Winx Club“ sind, sollen Jungs „ es krachen lassen“.

Seit Jahren hat sich diesbezüglich nicht viel verändert. Immer noch brüllen scheinbar acidgetränkte Männerstimmen irgendetwas über Dinge, die abgefeuert, geworfen, zerstört oder gebaut werden müssen. „Jetzt geht es ab mit der brandneuen Ballistics Action.“ Was auch immer – Hauptsache irgendwas geht total ab.

Werbung beschwört damit bruchlos und ungefiltert genau jene vorgeblich unverrückbaren Eigenschaften von Jungen, um die seit geraumer Zeit im Bereich der Erziehung gerungen wird. Da heißt es schon seit längerem, dass unser Schulsystem verweiblicht wird und Jungen dort nur die Ablehnung ihres ureigensten Verhalten lernen würden: Spiellaune, Aggressivität, Lust am Messen etc. Jungen, so die These von Maskulinisten wie Walter Hollstein, wachsen heute in einem „engen Frauenkäfig“ auf, aus dem sie ausbrechen wollen – notfalls eben auch mit Waffengewalt.

Wie dreist kann Mann eigentlich noch sein?! Wenn man schon halbgare Erklärungen für das mehrheitliche Geschlecht der Täter bemüht, wie kann es sein, dass einem das mehrheitliche Geschlecht der Opfer entgeht? Und wieso fragt eigentlich niemand danach, wie es zu solchen „Frauenkäfigen“ gekommen ist. Es stimmt nämlich, dass sich viel mehr Frauen als Männer für die Erziehung und Ausbildung unseres Nachwuchses zuständig fühlen. Es stimmt auch, dass gerade männliche Erzieher und Grundschullehrer händeringend gesucht werden. Übrigens oft von Frauen, die die Lebenswelten der Kinder gerne mit mehr männlichen Rollenvorbildern bereichern würden.

Was allerdings überhaupt nicht stimmt, ist die Idee von einer Art weiblicher Verschwörung, der daran gelegen ist, Männern von erzieherischen Tätigkeiten auszuschließen. Stattdessen reden wir von einer stressigen, gerade im ErzieherInnen Bereich schlecht bezahlten, verantwortungsvollen Arbeit, die Mann einfach immer noch nicht gerne macht.

Das sind mir die Richtigen: Vom Sofa aus beobachten, wie andere um die eigene Achse rotieren und in Arbeit fast versinken und dann noch sagen „Na, das hätte ich viel besser gekonnt!“. Toll! Wenn wir nur wüssten, woher Jungen, diese heldischen Einzelkämpferphantasien haben, in denen sie das Böse/die Anderen überwinden und sich dafür feiern lassen.

http://www.youtube.com/watch?v=yOXzETbbp4A

Irgendwo muss das ja schließlich herkommen.

Nils Pickert

(Illustration: Anna Laura Jacobi)