Ist das Empowerment oder kann das weg?

Seit geraumer Zeit sind wir die Expertise-Stelle für Medienanfragen, die „irgendwas mit Glitzer und Sex“ zu tun haben. Das heißt, dass wir uns mehrmals am Tag mal schnell eine Meinung zu Dingen wie Einhorn-Klopapier oder rosa Gartenhäuschen „nur für Frauen“ bilden müssen. Dass die Medien so gerne mit uns sprechen, freut uns mächtig. Da wir aber noch vieles andere zu tun haben, bleibt in dem hektischen Gewusel oft wenig Zeit, um die Antwort auf die oft gestellte Frage zu finden: Ist das jetzt „Empowerment“ oder kann das weg?

So zum Beispiel bei der aktuellen Bademoden-Werbung. Da könnte man einerseits argumentieren: Frauen müssen sich endlich nicht mehr bedecken! Immerhin mussten unsere viktorianischen Vorfahren noch komplett bekleidet ins Wasser. Statt dessen wird uns gerade auf gefühlt 80% der Hamburger Werbeflächen gezeigt, dass Frauen auch in Bikini stark und entspannt gucken können. „Ja, ich hab ’nen Bikini an, na und?“ scheinen die C&A-Models zu sagen. Die Models sind dünn, aber nicht übertrieben durchtrainierte Überfrauen wie bei Calzedonia.

Kate Moss hielt die von ihr als junges Model ständig verlangte „Hotness“ nur mit viel Wodka aus, berichtete sie später. Auch bei Calzedonia sehen wir eher sexy Gepose, trotzdem gibt es auch hier starke, überlegene Blicke. Darf das alles sein oder muss man sich da aufregen? Da man hier berechtigt ins Schleudern kommen kann, scheitert bei Calzedonia die potentielle Ermächtigung für mich daran, dass „hot“ nur zarte Workout-Heldinnen sein dürfen. Wenigstens wirken die C&A-Frauen, als müssten sie für niemanden posen sondern seien nur für sich selbst am Strand. Passend dazu heißt die Kampagne ja auch „Genau mein Sommer“, in der auch ein Mann in Badehose vorkommt. Ein minikleines Plus also gegenüber Calzedonia. Ich frage eine 13-jährige Passantin um Rat, ob sie das auch so sieht, die zum Glück meine Meinung bestätigt. Sie findet die C&A-Bilder total schön. Sagt aber auch: „Klar sind die C&A-Models dünn, sonst kauft das ja keiner.“

Wie kommt eine 13-Jährige darauf? Ich frage sie. Weil sie noch nie eine nicht-normschlanke Frau (die Norm in der Werbung ist Größe 34) in der Außenwerbung gesehen hat. Das ist erschreckend: Es gibt nur genau einen Typ Frau in der Modewelt. Die aktuelle Cosmopolitan „Work“ hat zum Beispiel richtig gute Tipps für den Arbeitsplatz, um sich gegen übergriffige männliche Chefs durchzusetzen. Illustriert werden aber auch diese Artikel mit extrem jungen, wenig Raum einnehmenden Models, die man sich vielleicht im Abi vorstellen kann, aber nicht auf dem Weg in die Führungsetage.

 

Haben wir Frauen wirklich so viel Angst vor unserem Körper, dass wir diese Erniedrigung nicht bemerken? Oder sind wir so matt von dem ewig Gleichen, dass wir es einfach hinnehmen? „Aber die sieht doch auch wirklich hübsch aus!“, ist die brave Antwort von meinen Freundinnen, wenn ich darauf hinweise, dass das Alter der Models den Produkten oder Texten nicht entspricht. Wir haben gelernt, die jüngere zu loben, damit wir nicht als neidische, alte Schachtel dastehen. Nein, natürlich finden wir das nicht schlimm, dass die Vogue uns Kleidung, die sich oft nur Frauen mit Mitte Vierzig leisten können, an Teenager*innen zeigt. Female Support, Drüberstehen und so. Brav nehmen wir uns zurück und huldigen der unvergänglichen und ewig kindlichen Jugend, die nicht so vergänglich und potentiell meinungsstark daherkommt wie wir. „Das muss man verstehen“, „Das macht den Männern ja auch Angst“. Ja, so what? Und deshalb finde ich es ok, wenn jede Kleidung an dünnen, maximal Mitt-Zwanzigjährigen beworben wird?

Das Telefon klingelt: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg möchte wissen, wie ich die neue Bademoden-Kampagnen finde. Seufz. Wahrscheinlich möchten die hören, dass ich Zicke die weg haben will. Jetzt muss ich wieder erklären, dass die Werbung nervt, ohne nach unseren juristischen Kriterien sexistisch zu sein, weil eine einzige Firma nicht für mangelnde Vielfalt in der Branche verantwortlich gemacht werden kann. Und NEIN, WIR HABEN NICHTS GEGEN SEXYNESS. Aber am liebsten hätte ich die Bikini-Werbung im nächsten Jahr an grünen Elefanten. Oder Barbara Schöneberger. Die bis dahin bitte keine weiteren Pfunde verliert. Und gerne auch affenscharf in die Kamera blickt, lasziv an einem Eis lutscht oder sonst wie Spaß mit Sex verbindet. Ich verspreche auch jetzt schon, alles zu kaufen, was sie dann anhat, liebe C&A und co.: Und das, obwohl Barbara sogar geschätzt eine Kleidernummer mehr als ich hat. Ich schaff das, ehrlich. Oder, noch klarer: Ich habe keinen Bock mehr auf Werbebilder, die mich um circa dreißig Jahre verpassen. Das hat wenig mit Neid zu tun, sondern mit einem klaren Anspruch: Wenn ihr mein Geld haben wollt, sprecht mich gefälligst auch passend an. „Genau mein Empowerment“ und so. Ein Bild mit einer mittelalten Frau in „Durschnitts-Size“ muss doch, bei gefühlt 80% von euch belegten Werbeflächen in Berlin und Hamburg, mit drin sein.

Soweit und lieben Gruß! Eure Stevie