Kann man Barbiepuppen trauen?

Mit Barbie verbindet Pinkstinks eine ausgesprochen wechselvolle Geschichte. Die Körpernormierungen und der gesundheitsschädigende Schönheitswahn, die seit Erschaffung dieser Puppe mit ihr transportiert werden, waren uns von Anfang an ein Dorn im Auge. Aus gutem Grund: Barbie auf das echte Leben übertragen wäre eine unfruchtbare, arthrosegeplagte, kurzatmige Frau mit Spreizzeh und Hüftdysplasie. Deshalb sind wir 2013 mit befreundeten Organisationen gegen die Eröffnung vom Barbie Dreamhouse auf die Straße gegangen

und haben dafür gesorgt, dass aus der geplanten Europatournee eine fluchtartige Rückreise in die USA wurde. Und deswegen haben wir immer wieder Alternative vorgestellt, weil mit Puppen zu spielen an sich eine richtig gute Sache ist. Wir haben Barbie aber auch schon verteidigt. Als Mattel vor einiger Zeit beschloss, die Barbie diverser zu machen, erschien beim Stern ein zusammengeschluderter Artikel, der eine „dicke Barbie“ Krise erfand und fälschlicherweise behauptete, das ausgerechnet die Barbiereihe, die sich eher an normalgewichtigen Frauen orientiert, die Firma in den Ruin treibt. Wenn Barbie kritisieren, dann richtig. Und damit sind wir beim Thema: Es wird mal wieder Zeit für eine zünftige Barbie-Kritik – und das, obwohl Mattel sich in letzter Zeit bemüht, vieles besser zu machen. Zum Beispiel mit ihrer Inspiring Women Reihe.

Ursprünglich ab 2015 unter dem Namen Sheroes als Hommage an bedeutende Frauen aufgelegt, wurde diese Reihe 2018 anlässlich des Weltfrauentages und des 60. Jahrestages der Barbiepuppe hat Mattel 2018 produziert. Und dieses Jahr sind zwei weitere Puppen dazugekommen:
Rosa Parks und Sally Ride.

Zweifellos kann man sich darüber freuen, dass Mattel diese beiden Frauen sichtbar macht und mit Blick auf Rosa Parks eine schwarze Bürgerrechtlerin feiert. Nicht nur wir finden, dass das höchste Zeit wird. Zugleich können wir die schrillenden Alarmglocken in unseren Köpfen auch nicht einfach abstellen. Zum Beispiel wie Mattel hastig die Puppenbeschreibung nachgebessert hat als man die Firma darauf hinwies, dass Parks mitnichten vor ihrem berühmten Akt des zivilen Ungehorsams im Bus ein (Zitat Mattel) „gewöhnliches Leben führte„. Rosa Parks hatte ihre ganzes Leben dem Kampf gegen Rassismus und Bigotterie gewidmet und war immer schon mehr als dieser eine Moment.

Auch der Zeitpunkt ist recht spät. Wo war die Rosa Parks Puppe in den letzten 6 Jahrzehnten? Womöglich hätte man sie ja doch zwischen Naomi Campbell (Puppe von 1996) und Diana Ross (Puppe von 2004) quetschen können. Und auch die Frage nach dem Social Washing bleibt offen. Hurra, starke Frauen und Hier guck mal, Bürgerrechtlerin machen im Zweifelsfall noch keinen Feminismus bzw. Antirassismus. Deswegen sollte man die Kritik von Aktivist*innen wie Sharon McBean auch ernst nehmen, wenn sie darauf hinweisen, dass Mattel hier womöglich nur auf einen Trend aufspringt. McBean hatte 2016 die erste schwarze Ballerinapuppe Nia Ballerina kreiert, weil sie für ihre Tochter nichts Geeignetes fand. Zumal diese Art der Vereinnahmung sehr üblich ist. Man findet ja auch nichts dabei, das Konterfei von Malcolm X auf Kreditkarten zu pressen.

Des Mannes also, der mal gesagt hat, man könne keinen Kapitalismus ohne Rassismus haben.

Dass Feminismus und Antirassismus jetzt Trend werden, ist eine gute Sache. Genauso wie die Repräsentation von klugen, großartigen, bedeutenden, vorbildhaften Frauen eine gute Sache ist. Die sind nämlich viel zu lange verunsichtbart worden. Bei einem plötzlichen Sinneswandel derjenigen, die jahrzehntelang an dieser Verunsichtbarung Geld verdient haben, ist allerdings Vorsicht geboten. Angesichts der fehlenden Monobraue bei Frida Kahlo (die Kahlo-Erben klagten, die Puppe darf nicht mehr verkauft werden) und der ausgesprochen Barbiehaft-schlanken Erscheinung aller Inspiring Women, auch Rosa Parks (Barbies Gesichtszüge und Körpermaße in Rosa Parks-Verkleidung und ein bisschen dunklerer Haut) kann man sich schon fragen, ob hier der Zielgruppe nicht auch ein schönheitsnormiertes gutes Gewissen verkauft werden soll. Was genau kann es uns oder kleinen Mädchen bringen, starke diverse Frauen als ungesund dünne Körper mit Schwanenhälsen zu sehen, die wir letztendlich mit einer berühmten weißen Puppe assoziieren?

Ein Trend ersetzt nicht die eigentliche Arbeit. Und ein Hype ersetzt keine Freiheit. Von daher, Mattel: Wir haben euch weiterhin im Auge.