„Wer braucht heute noch Feminismus?“, „Frauenquote ist albern, ich will keine Extra-Behandlung“, „Diese frustrierten Feministinnen wollen bloß alles verbieten“. Puh. So klingt es, wenn Frauen sich antifeministisch äußern.
Dass sie das tun, liegt am Patriarchat. Genauer gesagt: an verinnerlichten Vorstellungen davon, was in einer patriarchalen Gesellschaft akzeptabel ist.
Unter Antifeminismus versteht man gesellschaftliche, politische oder religiöse Strömungen, die sich bewusst gegen Feminismus und feministische Anliegen richten – wie zum Beispiel Gleichberechtigung, Selbstbestimmung der Geschlechter oder auch die Überwindung von Sexismus. Antifeminismus möchte, dass alle weiblichen Personen ihren Platz kennen und da gefälligst bleiben.
Beim Feminismus geht es hingegen darum, dass alle die gleichen Chancen haben und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Dabei müssen verschiedene Formen von Diskriminierung mitgedacht werden, um viele unterschiedliche Perspektiven und Lebensweisen sichtbar zu machen – Stichwort Intersektionalität. Ein wichtiges Anliegen des Feminismus ist es beispielsweise, dass Menschen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden sollen. Das betrifft in unserer Gesellschaft nun mal in erster Linie nicht-männliche Personen.
Wie kann es dann sein, dass ausgerechnet Frauen antifeministisch sind?
Feminismus ist ein Kampf von gestern!
Einige Frauen glauben, Feminismus hätte schon alles Wichtige erreicht und wäre heute unnötig. In Deutschland dürfen Frauen doch inzwischen wählen, arbeiten und sogar Bundeskanzlerin oder Außenministerin werden. Familie und Karriere – alles möglich, also alles gut.
Leider nein. Sie blenden dabei die Ungerechtigkeiten aus, die es noch immer gibt. Zum Beispiel, dass Verhütung inklusive aller Nebenwirkungen noch immer Sache von Menschen mit Uterus ist, obwohl sie in einem Zeitraum von neun Monaten deutlich weniger Kinder zeugen können. Oder, dass Frauen und weiblich gelesene Personen öfter Opfer von Gewalttaten werden. Oder, dass sie von Ärzten*innen weniger ernst genommen werden… Die Liste ist bedauerlicherweise auch im zweiten Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends noch viel zu lang.
Außerdem vergessen sie dabei, dass ohne jahrzehntelange feministische Kämpfe das Meiste noch immer nicht möglich wäre. Sie profitieren bewusst oder unbewusst davon, dass Feminist*innen sich engagiert haben – und es weiterhin tun.
Vor allem aber ignorieren sie, dass auch bereits errungene Rechte und Freiheiten gar nicht automatisch für immer existieren – sie müssen verteidigt werden. Stichwort: Recht auf körperliche Selbstbestimmung und sicherer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Dazu reicht ein kurzer, bitterer Blick nach Polen oder in die USA.
Frauen haben keine Nachteile
Manche Frauen halten zum Beispiel die Frauenquote für ungerechte Vorteilsbeschaffung. Ihr Argument: Frauen sind heute gleichgestellt und sollen deshalb aufgrund ihrer Fähigkeiten und nicht wegen ihres Geschlechts gefördert werden.
Darin steckt ein Denkfehler: Frauen sind eben nicht gleichgestellt. Das ist so wie bei einem Wettrennen. Klar soll die schnellste Person gewinnen. Wenn jedoch ein*e Teilnehmende*r viel weiter hinten loslaufen muss, ist das dann ein faires Rennen? Eben. Die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft benachteiligen Frauen und weiblich gelesene Personen auf verschiedene Weisen.
Natürlich gibt es gut verdienende Frauen in Spitzenpositionen. Dazu braucht es allerdings männliche Akzeptanz in einer nach wie vor männlich dominierten Geschäftswelt. Und dafür müssen diese Frauen sich anpassen und männlich wirken. Erinnert sich zum Beispiel jemand an den Aufruhr, als Angela Merkel statt Hosenanzug mal ein tief dekolletiertes Kleid trug? Bundeskanzlerin mit Brüsten – da war was los!
Auch ein gerechtes Gehalt hat weniger mit Selbstbewusstsein zu tun. Sondern damit, dass weibliche Arbeit geringer geschätzt wird. Und damit, dass Frauen von klein auf beigebracht bekommen, bescheiden zu sein. Deshalb fällt ihnen hartes Verhandeln manchmal schwer. Das ist nicht ihre persönliche Schuld, sondern eine Folge davon, als Mädchen im Patriarchat aufzuwachsen.
Außerdem geht es beim Bild der Karrierefrau oft darum, dass einige wenige – und deshalb vermeintlich besonders „fähige“ – Frauen es nach oben schaffen. Dass es sie doppelt so viel Kraft und Kompetenz kostet wie ihre männlichen Kollegen, wird dabei ignoriert. Genauso wie die Tatsache, dass es viele andere fähige Frauen gibt, die es aus strukturellen Gründen eben nicht schaffen.
Sexismus im Job zu verneinen oder herunterzuspielen und die Verantwortung in der Einzelnen zu sehen und nicht in den Strukturen, ist unsolidarisch.
Feminist*innen hassen Männer
Es gibt tatsächlich Frauen, die Feminist*innen noch als frustrierte, verbitterte, alles verbietende Männerhasser*innen sehen. Obwohl es im Feminismus eben genau nicht ums Verbieten geht, sondern um mehr Chancen – aber halt für alle Geschlechter.
Antifeministinnen wollen auf keinen Fall mit dieser vermeintlichen Verbitterung in Verbindung gebracht werden. Ein Grund: Dadurch geht ihnen männliche Anerkennung verloren. Doch dass die überhaupt so wichtig ist, gehört zum Kern des Problems.
Für manche Frauen ist der Satz „Du bist so anders als die anderen“ ein großes Kompliment. Egal, ob sie damit als weniger zickig oder emotional, als tougher, sportlicher oder weniger sexuell aktiv bezeichnet werden. Sich von anderen Frauen – wie Feministinnen – abzugrenzen, bringt kurzzeitig (männliche) Akzeptanz: Du bist eine von den Guten! Heißt übersetzt aber: Du passt dich dem Patriarchat an und störst nicht. Sie gewinnen Status in einer männlich dominierten Gruppe, indem sie sich übertrieben an deren Werte anpassen.
Und das wiederum können diese Männer dann als Rechtfertigung benutzen, um zu sagen: „Seht ihr? Das ist eine Frau und sie findet Feminismus auch doof!“
Happy am Herd
Ein anschauliches Beispiel für eine antifeministische Strömung sind die sogenannten Tradwives. Dieser englische Begriff setzt sich zusammen aus „traditional“ und „wives“ – also traditionelle Ehe- und Hausfrauen. Sie definieren sich als Frauen, die sich bewusst für ein Leben ausschließlich als Hausfrau und Mutter entscheiden und dabei Erfüllung finden.
Jeder Mensch sollte das Recht haben, auf eigene Weise glücklich zu sein. Doch die Tradwives setzen sich für eine weibliche Rollenvorstellung ein, die nach vermeintlich „traditioneller“ Art die Bedürfnisse des Mannes an oberster Stelle und den „natürlichen“ Platz der Frau am heimischen Herd sieht. Das ist auf mehreren Ebenen eine problematische Ideologie.
Erstens orientiert sie sich nur an heteronormativen Familienvorstellungen: Mama, Papa, Kinder.
Zweitens können sich längst nicht alle diese Rollenaufteilung leisten, weil sie auf zwei Einkommen angewiesen sind.
Drittens ist das Ideal der Kleinfamilie mit der aufopferungsvollen Hausfrau mitnichten naturgegeben, sondern in dieser Form erst im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden, als wegen der Fabrikjobs Arbeitsteilung nötig wurde.
Und viertens wertet die Tradwives-Bewegung andere Lebensentwürfe ab und stellt gesellschaftliche Errungenschaften infrage, die für andere Frauen und Familien extrem wichtig sind – wie zum Beispiel Kindergärten oder Ganztagsschulen. Das immer wieder zu propagieren, kann konkrete Auswirkungen auf das Leben anderer Frauen haben, die eben nicht nur Hausfrau sein wollen oder können.
Antifeminismus und Rechte
Antifeminismus steht im Kern rechter Ideologien, reicht aber bis in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Wir können aktuell weltweit beobachten, dass rechte Gruppierungen antifeministische Positionen nutzen, um ihre Gesinnung zu verbreiten – oft auch als „Einstiegsthemen“, die sehr schnell zu radikaleren Positionen führen. In einem ultrakonservativen Weltbild ist die Familie der Kern der Gesellschaft. Familie bedeutet hier: Mutter-Vater-Kinder. Zwei Geschlechter, klare Regeln und Rollen für beide. Also genau das, was die Tradwives vorleben und das Patriarchat vorschreibt. Dabei ist Männlichkeit immer überlegen. Die Hauptaufgabe von Frauen ist hingegen das Kinderkriegen.
Das sieht man auch bei rechtspopulistischen Autorinnen wie Birgit Kelle, die in Interviews Dinge sagt wie: „Wenn ich mich dafür entscheide, als Hausfrau und Mutter glücklich zu werden, dann darf ich das.“ Oder auch bei Tradwife-Influencerin Alena Kate Pettitt aus Großbritannien, die sich für ein veraltetes Frauenbild einsetzt.
Genau hier überlappt das Tradwife-Modell mit rechtem Gedankengut: Es sollen mehr weiße, christliche Babys geboren werden, um vermeintlicher „Überfremdung“ entgegenzuwirken. Daher auch die weltweite Bewegung gegen das Recht auf Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung.
Dahinter stecken internationale Netzwerke. Sie setzen sich gezielt gegen Frauenrechte ein, aber auch gegen die Ehe für alle und Menschenrechte insgesamt. „Es gibt Hunderte Organisationen weltweit, größere und kleinere, die gegen Gleichberechtigung, gegen Menschenrechte und gegen den demokratischen Staat kämpfen“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, in einem Interview. „Bei der Finanzierung spielen US-amerikanische Evangelikale und russische Oligarchen eine große Rolle, auch wenn die Geldströme oft undurchsichtig sind.“
Der Rückzug in ein überschaubares, ultrakonservatives, religiöses und antifeministisches Weltbild hat vor allem mit Angst zu tun. Wir leben in komplizierten Zeiten. Die soziale und wirtschaftliche Unsicherheit ist hoch. Viele Menschen haben Angst, ihren Job zu verlieren, Privilegien einzubüßen, sozial abzusteigen oder nicht mehr mithalten zu können. Sich dann auf vermeintlich „traditionelle“ Werte zurückzuziehen, fühlt sich nach Sicherheit und Geborgenheit an.
Diese trügerische Sehnsucht nutzen Rechte und religiöse Fundamentalisten bewusst aus, um ihre eigene Macht auszubauen. Denn nur darum geht es: um Macht. Nicht Stabilität, Tradition, Jesus, Apfelkuchen oder Flechtfrisuren. Einzig und allein um Macht.
Darum ist Antifeminismus keine Privatsache, sondern hochgradig politisch.
Solidarität und Gerechtigkeit für alle
Es gibt also mehrere Gründe, wieso ausgerechnet Frauen Antifeministinnen sind – obwohl das eigentlich ihren eigenen Interessen widerspricht.
Doch weder hat Feminismus ausgedient, noch dreht er sich um Verbote oder Männerhass oder will Frauen ungerechtfertigt bevorteilen und Männer unterdrücken. Vielmehr erkennt er an, dass vieles in unserer Gesellschaft noch nicht gerecht ist und verbessert werden muss.
Feminismus ist im Kern ein solidarisches Konzept, das Benachteiligung aufgrund von Geschlecht abschaffen will. Weniger einengende Rollen, mehr Freiheiten und Möglichkeiten – aber eben für alle. Das kann dabei helfen, ein erfüllteres und selbstbestimmteres Leben zu führen. Und nebenbei die Demokratie zu schützen.
So nimmst du Antifeministinnen den Wind aus den Segeln:
„Feminismus ist heute unnötig!“ – Nope. Erstens sind Frauen noch immer nicht gleichberechtigt und zweitens können Rechte auch wieder weggenommen werden – siehe Roe v. Wade.
„Frauenquote bevorteilt Frauen!“ – Nein, sie gleicht nur vorhandene Ungerechtigkeit aus. Frauen haben es im Berufsleben nämlich von Anfang an und grundsätzlich schwerer als Männer.
„Feminist*innen hassen Männer!“ – Quatsch. Feminist*innen wollen Männer nicht unterdrücken – sie wollen bloß gleichberechtigt sein. Und nicht mehr unterlegen. Das ist ein Unterschied.
„Die natürliche Rolle der Frau ist am Herd.“ – Es gibt keine natürlichen Rollen, es gibt nur gelerntes Verhalten. Oder hast du schon mal ein Baby gesehen, dass mit einem Kochlöffel in der Hand zur Welt kommt?
Sieh dir hier unser Video zum Thema an:
Weiterführende Links und Infos:
- Weitere Infos zum Thema Gender und Antifeminismus gibt’s von der Amadeu Antonio Stiftung
- Heise-Artikel von Ralf Streck über rechte Netzwerke: „Intoleranz-Netzwerk: Wie rechte Ultras mit Unterstützung großer Firmen aufgebaut werde“
- Interview mit Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, über internationale Netzwerke und Antifeminismus
- Broschüre „Die antifeministische Männerrechtsbewegung“ der Heinrich-Böll-Stiftung
- Video-Interview mit Natascha Strobl über Antifeminismus
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich“ oder „männlich“ benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.
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Bildquelle: Pinkstinks Germany e. V.