„Da stelle ich mir doch jetzt ernsthaft die Frage, was nun schlimmer ist: Die Sendung oder die Bombendrohung?“
Diese und ähnliche Bemerkungen zur Bombendrohung gegen GNTM ließen sich in den letzten Tagen sehr zahlreich in den sozialen Netzwerken finden. Ruth Schneeberger hat dazu einen klugen Artikel für die Süddeutsche Zeitung geschrieben: Auch wenn die Häme, die Heidi Klum jetzt für ihre Sendung erntet, von ihr selbst über Jahre genährt wurde, sind Bombendrohungen keineswegs witzig. Menschen sollten nicht mit Gewalt bedroht werden.
Auch ich fand Witze nicht angebracht. Ich muss aber gestehen, dass meine erste Reaktion blanker Zynismus war. Unsere ganze intensive Arbeit war mit einer Bombendrohung in die Luft gegangen. Das frustrierte mich und es ist nicht einfach, Frustration und Management einer Organisation zu trennen, besonders, wenn es schnell gehen muss. Aber der Reihe nach:
Das GNTM-Finale war auf Christi Himmelfahrt gefallen, obwohl wir es für die Woche danach anvisiert hatten. Da wir mit einiger Berechtigung davon ausgehen konnten, dass das Finale schlechte Einschaltquoten und wenig Presse bekommen würde, beschlossen wir, uns den Wahnsinn zu ersparen und Zeit mit unseren Familien zu verbringen. Wir stellten einen geplanten Brückentagspost auf Facebook und freuten uns auf den freien Tag. Damit waren wir übrigens nicht allein. Maybelline, einer der Hauptsponsoren von GNTM hatte wohl auch nicht so richtig Lust, sich das anzuschauen und hat seine Social Media Post vorprogrammiert.
Heute hat Maybelline einen schlechten Tag… #gntm pic.twitter.com/zn7FQ6Nu8R
— K. (@kmms16) May 14, 2015
Ich quälte mich abends dann doch durch die erste sehr ermüdende Stunde des Finales und plante, mich über den Rest irgendwann auf der ProSieben Webseite zu informieren. Wichtig war für uns jetzt die angekündigte Prüfung der Sendung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die unsere Petition und eure vielen Unterschriften bewirkt hatten, und das Ergebnis würden wir erst in ein paar Wochen erfahren. Ab Montag wollte ich für das KJM besonders diskriminierende GNTM-Stellen raussuchen, damit sie auch nichts übersehen.
Als ich am Freitagmorgen aufwachte, hatte ich schon lauter witzig gemeinte Emails, Textnachrichten und Kommentare von Bekannten und Sympathisant*innen auf meinem Handy, mit der ewig gleichen Botschaft: „Stevie – wir boxen dich da raus! Sag einfach, du kannst dich an nichts erinnern!“ Auf Facebook die ersten Posts, wer von uns das denn gewesen wäre. Ich musste erst mal eruieren, worum es denn ging, und fand es keinesfalls witzig. Eher alarmierend.
Und so sah ich in dieser Situation in Gedanken nicht als erstes verängstigte Mädchen, die die SAP-Arena verlassen. Ich sah #JesuisHeidi – T-Shirts. Die Ankündigung, dass die nächste Staffel unbedingt kommen müsse, weil man dieser Bedrohung der Meinungsfreiheit nicht erliegen dürfe. Noch schlimmer: Ein Absetzen der Show, ohne, dass sie behördlich geprüft worden wäre. Heidi Klum als Leidtragende, die entsagt hatte – weil man in Deutschland aufgrund verrückter Feministinnen nicht sagen darf, was man will. Der Geschäftsführer von Pro Sieben hat die Richtung bereits vorgegeben. Man lasse sich nicht dabei einschüchtern, Freude und Spaß in die Wohnzimmer zu bringen.
Ich postete wütend auf Facebook, ob die Bombendrohung nicht etwas ominös sei, und man sich fragen müsse, wer davon profitiere. Mein Team pfiff mich berechtigterweise zurück: An Verschwörungsphantasien dürften wir uns nicht beteiligen, auch wenn wir vor Wut kochen. Sie haben natürlich Recht. Ich entschuldige mich hiermit bei jenen, die meinen kurzen Post sahen, den wir rasch wieder löschten. Wir hoffen sehr, dass niemand bei der Evakuierung zu Schaden gekommen ist.
Kurz darauf sprach ich mit den ersten Journalist*innen, die erzählten, Medienberater*innen würden nun von dem Ende von GNTM ausgehen. Mir war nicht nach Jubeln zumute. Wenn GNTM wirklich aufgrund der Bombendrohung ein endgültiges Aus findet, hat kaum jemand etwas gewonnen. Die KJM muss nicht mehr prüfen, und wir können uns bei ähnlich körperfeindlichen, frauenverachtenden Formaten, die längst in den Startlöchern stehen, darauf einstellen, wieder aufwendige Kampagnen fahren zu müssen. Die Bombendrohung war sicher ein Schreck für viele Menschen, und es tut uns ehrlich leid für alle, die dabei waren. Die Drohung war aber auch das Ungünstigste, was unserer Kampagne hätte passieren können.
Jetzt gibt es noch zwei Wochen „Spannung“, bis Germanys next Topmodel gekürt wird, zwei Wochen berechtigtes Mitleid mit den Finalistinnen und der strapazierten Familienmutter Heidi Klum, die das Ganze mit ihrem Kind erleben musste. Da muss man mit Kritik vorsichtig sein, nicht nur wir, auch die Behörden. Das Aus ist realistisch. Aber wir hätten GNTM lieber für seine Inhalte ins Abseits gestellt gesehen.