Bild: Joel Nilsson CC-BY 3.0

Lethargisch-starker Mutterkörper

Eine Rezension zu Karolina Ramqvists Roman „Die weiße Stadt“ ist nicht leicht zu schreiben. Schon im Klappentext des gebundenen Büchleins steht viel zu viel drin – zum Glück habe ich diesen SPOILER erst gerade eben gelesen und nicht bevor ich das Buch in einem Rutsch geradezu eingeatmet habe. Es ist lange her, dass ich ein Buch so schnell verschlungen habe – ich konnte es einfach nicht mehr weglegen!

Karolina Ramqvists erstes Buch, das eine deutsche Übersetzung erfährt, handelt von verschiedenen Konflikten, die alle gleichzeitig auf eine Frau einprasseln: Armut, organisierte Kriminalität, Elternschaft, Behördenprobleme und Depression. Aber das alles offenbart sich erst im Laufe des Lesens, man weiß am Anfang nur, dass es um Karin geht. Um Karin am Ende des Winters:

Dieses Buch entwickelt sich wie ein Zauberwesen, das zuerst ganz klein und unscheinbar in der Hand liegt, aber plötzlich entfalten sich lauter weiße Tauben, die in alle möglichen Richtungen fliegen.

In Schweden ist Ramqvist eine Nummer, es ist mitnichten ihr erstes Buch, aber das erste, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. Und zwar von Antje Rávic Strubel, die mit ihrer eigenen wunderschönen Sprache enorm dazu beiträgt, den Zauber über die Übersetzung hinweg nicht zu verlieren. In Schweden ist Ramqvist „eine der einflussreichsten feministischen Autorinnen ihrer Generation“, sagt Ullstein, der Verlag, der nun endlich eines ihrer bereits acht Bücher durch Antje Rávic Strubel hat übersetzten lassen. Ihr erstes Buch erschien in Schweden schon vor fast 10 Jahren, ohne dass wir es hier bemerkt hätten. Das ist schade, denn selten habe ich eine derart herausragende Sprache lesen dürfen. Ohne überflüssigen Schnörkel schafft die Autorin eine dichte Atmosphäre, die einen aufsaugen kann. Mit großer Genauigkeit und einem klaren Blick – fast schon wie durch ein Mikroskop betrachtet, oder eine Lupe – seziert Ramqvist soziale Situationen. Ullstein sagt:

„In all ihren Büchern beschäftigt sie sich mit verschiedenen Aspekten gesellschaftlichen Lebens wie Konsum, Einsamkeit und Rollenmodelle.“

Ich möchte bitte alle ihre Bücher lesen!

Die weiße Stadt. Erschienen bei Ullstein. 184 Seiten, 18,00 €.