Linke Macker

TW: sexualisierte Gewalt/Vergewaltigung

Mit meiner These, dass die Emanzipation des Mannes immer noch aussteht, bin ich mittlerweile seit einigen Jahren auf Tour. Ich schreibe Texte und Bücher, halte Vorträge und Workshops und in allen Zusammenhängen kommt irgendwann unweigerlich die Frage: Moment mal, hatten wir das nicht alles schon? Was ist denn mit den linken Männern der 68er-Bewegung – waren die nicht irgendwie emanzipiert, feministisch und alles? Müssten wir heute mit der männlichen Emanzipation nicht viel weiter sein?


Meine Antwort darauf fällt auch immer gleich aus: Ja, müssten wir eigentlich – sind wir aber nicht. Leider ist dafür nicht genug geschehen, weil für zu viele Männer die Geschlechtergerechtigkeitsfrage nur ein Nebenwiderspruch zum marxistischen Hauptwiderspruch von Bourgeoisie und Proletariat war. Sie waren überzeugt, dass sich mit der Revolution die Frauenfrage schon von selbst lösen würde. Außerdem scheint sich „Emanzipation“ damals oftmals darauf beschränkt zu haben, dass hässliche Männer jüngeren gutaussehenden Frauen eingeredet haben, es sei ihre politische Pflicht, mit ihnen Sex zu haben. Oder wie es Gretchen Dutschke-Klotz formulierte: „Letztendlich sollte freie Sexualität bedeuten, dass die Frauen den Männern immer zur Verfügung standen.“
Natürlich gab es auch positive Entwicklungen. Aber die fanden vor allem im Bereich der Männersozialarbeit statt. Psychologen wie der HeForShe-Botschafter Gerhard Hafner engagieren sich seit Jahrzehnten im Bereich Männerarbeit, Gewaltprävention und Opferschutz – und zwar aus einem emanzipierten und gleichberechtigten Rollenverständnis heraus.

Eine der positiven Entwicklungen: Gerhard Hafner engagiert sich seit Jahrzehnten aus einem emanzipierten und gleichberechtigten Rollenverständnis heraus. Foto: UN Women Deutschland

Eine vertane Chance

Gleichzeitig sind es gerade Hafner und seine Mitstreiter, die die 68er in puncto Männeremanzipation als vertane Chance kritisieren, und das anprangern, was man als linkes Mackertum bezeichnet. Wie recht sie damit haben, zeigt sich im Augenblick einmal mehr an den Vorwürfen diverser sexueller Übergriffigkeiten innerhalb des hessischen Landesverbandes der Linkspartei, über die der Spiegel vor einigen Tagen berichtete. Es geht um systematische Grenzüberschreitungen, um Machokultur und Mackertum und nicht zuletzt auch darum, was die damalige Parteiführung von den Vorfällen wusste und wie sie darauf bis heute (nicht) reagiert hat.

Unter dem Hashtag #LinkeMeToo berichten Betroffene und Involvierte derweil von ihren eigenen Erfahrungen innerhalb der Partei …

… und von den (leider sehr erwartbaren) Reaktionen darauf, dass die ganze Sache jetzt ans Licht kommt.

„Aber wir sind doch die Guten.“

Es geschieht, was in solchen Fällen fast immer geschieht. Nur, dass man seine Ausflüchte, Drohungen, Nebelkerzen und Beschwichtigungsversuche hierbei noch hinter der linken Weltanschauung versteckt: Aber wir sind doch die Guten. Wir wissen doch alle, was Diskriminierung ist und sind total solidarisch mit den Opfern von Gewalt und Unterdrückung. Ja, schon klar. Deshalb feuert man sich unter linken Männern in Chatverläufen auch mit „Du Hengst! Du Sugardaddy! Du Roman Polanski“ an, wenn es um grenzüberschreitendes Verhalten mit einer Minderjährigen geht. Weil man ja weiß, dass Roman Polanski im Haus von Jack Nicholson ein dreizehnjähriges Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hat und seitdem ein flüchtiger, mit internationalem Haftbefehl gesuchter und verurteilter Sexualstraftäter ist. Linke Macker sind einfach nur Feminismusdarsteller, die Applaus und Anerkennung dafür wollen, dass sie manchmal ein bisschen netter mit Frauen sprechen und sich ein paar Gleichberechtigungsmoves draufgeschafft haben. Der Mythos, dass aufgeklärte linke Kreise Sexismus nicht dulden, ist das Tuch, mit dem die tatsächlich stattfindenden Übergriffe und der alltägliche Sexismus verdeckt werden sollen. Genau deshalb halten sie sich in diesem Milieu so hartnäckig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass mit der Parteivorsitzenden Janine Wissler eine Frau in den Skandal involviert ist. Es geht um dieselben alten sexistischen Strukturen und um dasselbe linke Mackertum und Selbstverständnis vom „überlegenen Mann“.

Was Frauen ’68 sagten

Im Herbst 1968 machte zum 24. Delegiertenkongress des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes eine Flugblattaktion des kurz zuvor gegründeten Weiberrats Furore. Darin schilderten linke Frauen, dass ihnen von linken Männern „das Maul gestopft wird“, sobald sie es aufmachen. Unter anderem durch „sozialistischen Bumszwang, sexualrevolutionären Argumenten und sozialistischem Gelaber“. Beschwichtigung erfolgt durch „sozialistisches Schulterklopfen und väterliche Betulichkeit“. Und wenn frau dann nicht kuscht, ist sie „penisneidisch, frustriert, hysterisch, verklemmt, asexuell, lesbisch, frigid, zu kurz gekommen, irrational, lustfeindlich, hart, viril, spitzig, zickig“ und vieles mehr. Zusätzlich wurde den Frauen damals vorgeworfen, sie würden mit ihrem Verhalten „der Bewegung schaden“. Heute unterstellt man ihnen „parteischädigendes Verhalten“. Nein, viel hat sich tatsächlich nicht geändert. Mackertum ist immer noch Mackertum, egal aus welcher politischen Ecke die misogyne Großkotzigkeit nun genau kommt. Mit dem Unterschied, dass sich linkes Mackertum nach wie vor mit Verweis auf die blütenreine, diskriminierungsfreie Weste verbittet, auf sein sexistisches Verhalten angesprochen zu werden. Unter anderem auch deshalb werde ich weiterhin mit meinem Slogan durch die Lande touren:
Die Emanzipation des Mannes steht immer noch aus.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version haben wir Gerhard Hafner als ehemaligen HeForShe-Botschafter bezeichnet. Das war falsch, Herr Hafner ist immer noch einer von sechs Botschaftern von HeForShe von UNWOMEN Deutschland. Wir haben den Satz im Text entsprechend angepasst. Aktualisiert am 21.04.2022, 8:41 Uhr.

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquelle: unsplash / Daniel Mingook Kim