Lobdefizit

Dass ich mich häufiger mal darüber auslasse, wie sehr mich die Zuteilung als Aushilfskraft in meinem eigenen Haushalt ärgert, dürfte vielen mittlerweile geläufig sein. Ich bin, um es noch einmal kurz zusammenzufassen, weder Fan davon, dass Männer insbesondere als Väter die Haushaltstrottel und Erziehungsversager Karte spielen, noch finde ich es gut, wenn sie immer wieder als Totalausfall in Sachen Care-Arbeit charakterisiert werden, egal wie sehr sie sich reinknien. Die Schweizer Volkspartei SVP ist für diese Logik ein besonders erbärmliches Beispiel. Während der Dachverband der Männer- und Väterorganisationen in der Schweiz, männer.ch, seit geraumer Zeit für gerade einmal 20 Tage Vaterschaftsurlaub lobbyiert, empfindet die SVP selbst das noch zu viel und als eine Art Ferien, die dann alle anderen mitbezahlen müssten.

Zum besseren Verständnis: Eigentlich hätten die Verantwortlichen von männer.ch gerne eine geschlechtsübergreifende Elternzeit, aber davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Stattdessen versucht man analog zu dem erst 2005 eingeführten Mutterschaftsurlaub etwas Entsprechendes für die Väter zu erreichen. Aber das legt man ihnen als bezahltes Rumhängen aus. Weil Männer und Kinderbetreuung, das passt ja irgendwie nicht zusammen. Entweder weil diese Wahrnehmung sich mit der Realität deckt,

oder weil die Realität sich kümmernder Männer einfach nicht wahrgenommen wird.

In beiden Fällen gewinnen Männer zunehmend den Eindruck, dass ihre Arbeitskraft und ihre Bemühungen zunehmend verunsichtbart werden. Für den letzteren Fall habe ich das schon durchdekliniert. Es ist ein unfassbar ätzendes Gefühl, sich für die eigenen Kinder jeden Tag den Hintern aufzureißen und die ganze Arbeit immer wieder abgewertet und belächelt zu sehen, weil man ja eben nur der Vater ist. Über die andere Gruppe haben wir allerdings noch nicht gesprochen. Da sind die, die die Welt nicht mehr verstehen, weil sie doch arbeiten gehen, das Geld nach Hause bringen und klassische Männersachen rund um den Haushalt machen. Auch die fühlen ihre Arbeit übersehen und nicht ausreichend gewertschätzt. Diese klassischen Tätigkeiten beinhalten Dinge wie

Reparaturen und Instandhaltung
(Waschmaschinenschaden, Rohrverstopfung, Glühbirnenwechsel)
Recherche, Anschaffung und Wartung technischer Geräte
(welcher Handyvertrag, welches Fernsehgerät, Papa, mein Laptop spinnt)
Alles rund ums Auto
(Winterreifen, TÜV, Werkstatttermine)
und noch einiges mehr

Das ist zweifellos Arbeit, ohne die der Haushalt nicht laufen würde. Aber ich bin nicht der Erste, der sich die Frage stellt, wie viel Zeit dafür im Vergleich zu anderen Haushaltstätigkeiten drauf geht. Wie häufig muss das Auto zum TÜV und wie häufig die Wohnung geputzt werden? Wie viele Windeln müssen gewechselt werden und wie viele Glühbirnen? Wann steht ein Stromanbieterwechsel an und wann die nächste Mahlzeit? Das mag kleinlich wirken, aber in dieser Unterschieden verbirgt sich jede Menge Arbeitszeit, Unzufriedenheit und Ungleichberechtigung. Man kann gar nicht genau genug hinschauen wie die Soziologin Cornelia Koppetsch festgestellt hat:

Das bedeutet nichts anderes, als dass die mangelnde Wertschätzung, über die sich Männer mit Blick auf ihre Tätigkeit durchaus auch zu Recht beschweren, im Kern um die mangelnde Wertschätzung von eben den Care-Tätigkeiten kreist, die klassischerweise Frauen zugeschrieben und von Frauen erledigt wird. Und zwar bis zu dem Punkt, dass für Frauen noch eine weitere Care-Tätigkeit hinzukommt, über die wir überhaupt noch nicht gesprochen haben:

Publikum sein

Denn das Gefühl der mangelnden Wertschätzung für klassisch männliche Tätigkeiten hat sich auch und gerade deshalb eingestellt, weil tatsächliche Care-Arbeit zunehmend in den Fokus genommen wird. „Aber Schatz, ich mach doch auch was“. Das stimmt zwar, aber es liegt in der Natur der Sache, dass man für die besonderen, die auffälligen Sachen (Das Auto ist wieder ganz, hurra, gut dass du dich darum gekümmert hast!) mehr gelobt wird als für die Erledigung des Alltagskrams. Das Problem ist also nicht, dass die ausgewechselte Glühbirne nicht gesehen wird. Im Gegenteil: Die wird nicht nur belobigt, dafür wird auch Lob eingefordert.

Das Problem ist vielmehr, dass die zumeist von Frauen erledigte Care-Tätigkeit so gut wie überhaupt nicht belobigt, geschweige denn adäquat entlohnt wird. Und anstatt diesen gewaltigen Missstand gemeinschaftlich zu beheben, halten wir uns mit den realen und fiktiven Dimensionen eines Lobdefizits für Männer auf. Um das noch mal klar zu stellen: Selbstverständlich verdienen Männer Lob und Anerkennung für ihre Arbeit und ihre Bemühungen. Aber es gibt in diesem Zusammenhang eben kein strukturelles Lobdefizit für Männer, sondern ein Lobdefizit für Care-Tätigkeiten, die zu häufig und mit großer Selbstverständlichkeit an Frauen gekoppelt werden. Deren Aufgabe es dann noch obendrein sein soll, die Männer für „unterstützen“ oder für ihre Eigenschaft als „Beauftragter für besondere Aufgaben im Haushalt“ zu belobigen.

So kommen wir nicht weiter und verharren stattdessen im alten Ausspielen der Geschlechter gegeneinander. Wir brauchen alle Lob, Anerkennung und Wertschätzung. Das sind keine Ressourcen, die man rationieren und unfair auf Geschlechter verteilen sollte. Das hat etwas mit Achtsamkeit, Fairness und Respekt füreinander zu tun.