„Teilzeitrockträger und Vollzeitfeminist“ – mit dieser Selbstbeschreibung sind meine Texte bei Pinkstinks schon seit geraumer Zeit unterschrieben. Und obwohl das eine gute Punchline ist und ich hinter beiden Begriffen stehe, habe ich ein Problem damit. Genauer gesagt habe ich wachsende Schwierigkeiten damit, mich als „männlicher Feminist“ zu bezeichnen. Nicht etwa weil ich Feminismus als politische Idee und als emanzipatorische Bewegung plötzlich für unbrauchbar halte, sondern weil ich durch die Beschäftigung mit Feminismus immer mehr darüber erfahre, wer sich alles aus welchen Gründen das Label „männlicher Feminist“ ans Revers heftet oder angeheftet bekommt und was am Ende dabei leider viel zu oft herauskommt: Lügen, Herabsetzungen, Übergriffe, Gewalt. Aber fangen wir von vorne an.
Beim ersten Mal als der Begriff Feminist mit mir in einen Zusammenhang gestellt wurde, war er als abschätzige Beleidigung gemeint. Wenn andere Männer auf Partys oder anderswo erfuhren, dass ich Literatur studierte, fragten mich einige von ihnen danach, „was man denn gut lesen könne“. Und wenn ich darauf Bücher von Virginia Woolf, Mascha Kaléko oder den Brontë-Schwestern empfahl, dann kam nicht selten zurück: „Was hast’n du so mit Frauen, bist du Feminist oder was?!“
Neben vielen anderen Dingen war mein Ärger darüber, dass Autorinnen zu empfehlen offenbar schon ausreicht, um als Feminist zu gelten, einer der Gründe, dass ich tatsächlich einer wurde. Auch wenn ich mich lange nicht selbst so bezeichnete. Ich fand das immer irgendwie anmaßend. Aber schließlich war ich so oft damit fremdbezeichnet worden, dass ich damit anfing, den Begriff für mich zu übernehmen. Und eine Weile fühlte es sich für mich sehr stimmig an: Ich vertrete feministische Positionen, ich schreibe zu feministischen Themen – warum sollte ich mich nicht so nennen?
2013 bekam der Grund, mich nicht so zu nennen, einen Namen: Hugo Schwyzer. Schwyzer hatte sich am Pasadena City College eine Karriere als Lehrbeauftragter für Gender Studies erschwindelt, schrieb frisch und klug in zahlreichen Magazinen zu feministischen Themen und ergriff in der Öffentlichkeit Partei für Marginalisierte.
Darüber hinaus bedrängte er junge Studentinnen, mit ihm Sex zu haben, versuchte seine Exfreundin zu töten und schnitt insbesondere Schwarzen Frauen in der feministischen Debatte immer wieder das Wort ab. Als seine Lügengebäude schließlich einstürzten, gab er in einem sehr öffentlichen Zusammenbruch zu, was seine Opfer nur allzu gut wussten und viele bereits ahnten:
„Insgeheim wollte ich DER männliche Feminist sein. Ich hab das auch sexuell genutzt. Es war Teil meiner Masche.“
Schwyzer war mit Sicherheit nicht der erste Mann, der aus der scheinbaren Solidarisierung mit dem Kampf um Frauenrechte Profit schlug. Aber er tat dies durch das Internet und andere Medien sehr sichtbar. Und er nahm vieles von dem vorweg, was später während der MeToo Debatte überdeutlich wurde: Männer, die sich mit gespieltem Verständnis und dem dem Satz „Ich entschuldige mich für mein Geschlecht, Männer sind wirklich Arschlöcher“ in das Vertrauen von Frauen reinquatschen wollen.
Dieses Phänomen existiert in verschiedenen Abstufungen und Ausführungen. Einige Männer gehen nicht annähernd so weit wie Schwyzer, andere darüber hinaus. Es gibt die Prominenten wie
den Comedian Louis C.K., der jahrelang mit Variationen dieses Satzes erfolgreich auf Bühnen stand, während er zuvor und danach ungebeten vor weiblichen Angestellten und Kolleginnen masturbierte. Oder den Soziologen Michael Kimmel, der als Vordenker und wichtigsten Vertreter der Men’s Studies innerhalb der Gender Studies viele der Begriffe und Ideen entwickelt hat, die ich und andere ständig benutzen, um Männern zu erklären, warum Feminismus auch etwas für sie sein könnte. Gegen Kimmel laufen gerade mehrere Klagen wegen sexueller Belästigung.
Oder den Chef der Bekleidungsfirma Feminist Apparel, der vor seinen Angestellten reumütig Fälle von Übergriffen und sexualisierter Gewalt gestand und ankündigte, sich zurückzuziehen, nur um wenig später das komplette Team zu feuern.
Es gibt aber auch die Durchschnittstypen, die auf Tinder auf Feminist machen, um Frauen abzuschleppen. Oder den netten Dude im lila Pullover, der seine Freundinnen bei Demonstrationen für das Recht auf Abtreibung unterstützt, und eine Demonstrantin von der Gegenseite unprovoziert zu Boden tritt. Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich finde, dass mehr Männer Feministen sein sollten. Ich feiere Texte wie die von Margarete Stokowski, die klar und einfach benennen, was Mann dafür tun kann. Und ich habe große Sympathien dafür, mich wie der kanadische Premierminister Justin Trudeau „so lange Feminist zu nennen, bis man dem nur noch mit einem Achselzucken begegnet“, weil es so normal ist.
Aber mir fällt dabei auch verstärkt auf (und ich nehme mich da nicht aus), vor welchem Publikum diese „Ich bin Feminist“ Ansagen hauptsächlich gemacht werden. Vor Frauen nämlich. Vor Frauen, die solche Ansagen bejubeln und sie begeistert benicken. Vor Frauen, deren Wohlwollen und Zustimmung Mann sich in diesem Moment ganz sicher sein kann.
Wo sind eigentlich all die Clips von Trudeau wie er sich in einem Raum voller Männer so lässig-entspannt als Feminist bezeichnet? Also nicht, weil er dafür Kekse bekommt, sondern weil es darauf ankommt. Ich kenne nicht viele Männer die genau das tun. Die sich gerade dann als Feministen bezeichnen, wenn anwesende Geschlechtsgenossen durchblicken lassen wie beschissen sie das finden. Umso wichtiger wäre es, dass das konsequent passiert. Das würde den feministischen Etikettenschwindel zwar nicht verhindern, aber ihm etwas entgegensetzen. Sowohl den eher harmlosen Anfängen als auch den misogynen Feminismuspervertierungen
à la Schwyzer und Co. Wenn Feministen sich mehr den Buhrufen und Pfiffen anderer Männer aussetzen würden anstatt auf den Applaus von dankbaren Frauen zu schielen, dann wäre vielleicht tatsächlich eine Gesellschaft zu erreichen, in der die Aussage „ich bin Feminist“ nur die achselzuckende Reaktion „Ja, ach nee, was denn sonst?!“ hervorruft.
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