Männer, die auf Greta schimpfen

Um es gleich vorweg zu sagen: Selbstverständlich schimpfen auch Frauen auf Greta Thunberg. Frauen, die auf Social Media Plattformen Sachen schreiben wie:
„Ich habe gerade unseren Familienurlaub nach Hawaii gebucht und nachher wird noch schönes Fleisch gegrillt, nimm das Greta!“
Oder Frauen wie die kanadische Autorin Cory Morningstar, die ein ganzes Buch über „Die Erschaffung der Greta Thunberg“ geschrieben hat. Trotzdem fällt auf, dass es vor allem Männer sind, die sich über die Klimaaktivistin in einer überzogenen, teilweise verächtlichmachenden und widerlichen Art und Weise äußern. Als „altklug und verhaltensgestört“ wird sie von denjenigen bezeichnet, die sich nicht nur im übertragenen Sinn als Herren der Schöpfung begreifen. Als „minderjährige Messdienerin der Klimareligion“ die wahlweise ein Missbrauchsopfer ihrer Eltern, der Grünen oder der jüdischen Weltverschwörung ist oder die „verhaltensgestörte Anführerin eines Klimakults„, die Arbeitsplätze vernichten will. Für dieses Klientel waren bei Amazon bis vor kurzem noch Aufkleber mit der Aufschrift „Schnüffel an meinem Auspuff Greta“, „Fick dich Greta“ und „Greta stinkt“ erhältlich. Besonders meinungsfreie Premiumkritiker können jedoch selbst das noch toppen. Für sie ist der Mensch Greta Thunberg ein Problem, dass man „lösen“ kann und muss.

Wem dieses Verhalten und dieser spezifische Sprachgebrauch irgendwie bekannt vorkommt, liegt vermutlich richtig. Die Schnittmenge zwischen der Leugnung des Klimawandels und nationalistischen bis faschistischem Gedankengut ist nicht zufällig so groß. Leuten, die sich für „Greta stinkt“ begeistern, gefällt auch „Danke Merkel“, „Volksverräter“, „Lügenpresse“ und „Umvolkung“. Zur Erinnerung: Das sind diejenigen, die für Frauenrechte eintreten , indem sie Schilder mit der Aufschrift „Liebe Gutmensch_innen. Ihr habt sie eingeladen. Also Beine breit für Weltoffenheit“ vor sich hertragen.

Also kann man die Positionen von Greta Thunberg dann überhaupt kritisieren? Nun, man könnte schon. Es macht nur kaum einer. Und zwar aus guten Gründen. Denn Thunberg verfügt in Bezug auf den Klimawandel weder über unbekannte Fakten noch über eine neue Sicht auf die Dinge. Das hat sie nie behauptet und das braucht sie auch gar nicht. Die Fakten liegen bereits seit Jahrzehnten auf dem Tisch – Thunberg referiert sie lediglich und verknüpft dies mit ihrer aufsehenerregenden Form des Protests. In diesem Zusammenhang weist sie unermüdlich darauf hin, dass es darum geht, sich hinter der Wissenschaft zu versammeln – und nicht etwa hinter ihr.

Bei genauerer Betrachtung ist Thunberg somit keine „erlöserhafte Gallionsfigur für linksgrün versiffte Gutmenschen“, sondern nur für diejenigen, die statt wirklicher Kritik lediglich Beleidigungen und Anfeindungen für eine Sechzehnjährige haben. Unite Against Greta! funktioniert deshalb so gut, weil vorrangig ältere Herren endlich ein Möglichkeit gefunden zu haben glauben, von ihrem starrsinnigen klimaschädigenden Verhalten abzulenken, indem sie die Botschafterin verbal mit Dreck bewerfen, um die Botschaft nicht ernstnehmen zu müssen. Der britische Journalist und Umweltschützer George Monbiot findet für diese Strategie klare Worte. Er nennt es „das ekelhafteste, bevormundendste, jugendfeindlichste, frauenverachtendste Verhalten, das ihm seit längerer Zeit untergekommen ist“

Diese Strategie wird gefahren, weil Greta Thunberg mittlerweile seit über einem Jahr der Welt in aller Deutlichkeit mitteilt, dass der „Die Märkte werden das schon regeln“- Kaiser nackt ist. So laut und öffentlichkeitswirksam, dass sie viele Menschen dabei richtig schlecht aussehen lässt. Nicht nur diejenigen, die immer noch nicht begriffen haben, dass ihre „Zweifel“ an der Klimakatatrophe etwa so relevant sind wie die Einwände von „Intelligentem Design“ gegen die Evolutionsbiologie. Sondern eben auch diejenigen, die der Stern-Kolumnist Micky Beisenherz treffend als „Generation Heizpilz“ bezeichet hat. Der Kaiser ist schon länger nackt.

Alle Beteiligten hätten das wissen müssen. Viele, denen es egal war, verspüren inzwischen deutliches Unbehagen und bemühen sich eher rat- und lustlos ihr langährig eingeübtes klimaschädigendes Verhalten zu ändern (ich zum Beispiel). Und einige fühlen sich richtig ertappt. Angepisst und verärgert schießen sie sich auf eine junge Frau ein, der sie um jeden Preis Heuchelei und klimaschädigendes Verhalten nachweisen wollen – nur um sich nicht mit ihrem eigenen beschäftigen zu müssen.

Aber selbst wenn Greta Thunberg sich ab morgen im SUV herumkutschieren lässt, dreimal im Monat Fernflüge unternimmt und sich von Fleisch aus Massentierhaltung ernährt: Nichts hätte sich an der Situation geändert. Wir wären immer noch dabei, aus Uneinsichtigkeit und Faulheit diesen Planeten zu zerstören. Wir hätten immer noch viel zu lange nicht auf die Wissenschaft gehört, obwohl sie es uns in allen nur erdenklichen Weisen mitgeteilt hat und mittlerweile auch auf eher publikumswirksame Maßnahmen zurückgreift.

Wir hätten, nein wir haben immer noch nur diesen einen Planeten und sind dabei, ihn irreparabel zu zerstören.