Mehrere Frauen, darunter auch die Schauspielerin und Aktivistin Evan Rachel Wood, haben in den letzten Tagen auf Instagram offen über ihre Missbrauchserfahrungen berichtet. Vereint erheben sie ihre Stimme gegen den selbsternannten “Antichrist Superstar” Marilyn Manson, bürgerlich Brian Warner, und beschuldigen ihn sexueller Gewalt. Es folgt ein Social Media Shitstorm mit lauten skeptischen Stimmen, die den Betroffenen ihre Erlebnisse absprechen wollen. Wie so oft, sind es hauptsächlich Männer, die sich stark irritiert, wütend und offen empört inszenieren.
Diverse Medien greifen den “Skandal” auf und halten es – wie so oft – für unbedingt notwendig, die betroffenen Frauen “wohlwollend” zu hinterfragen, schlimmer noch: als unglaubwürdig darzustellen, oder das Verhalten des Musikers als “Rockstar-Attitüde” zu rechtfertigen.
Doch wieso wird so viel Kraft aufgewendet, einen Typen zu verteidigen, dessen toxisches Verhalten schon seit Jahren bekannt ist und der es selber immer wieder publik macht?
Es ist nichts anderes als erschütternd, wenn von Medien konsequent eine Täter-Opfer-Umkehr in paternalistischem Ton betrieben wird. Wie können wir erwarten, dass Opfer von Gewalt sich outen, wenn wir als Gesellschaft alles tun, um ihre Botschaft klein zu halten und vom Thema abzulenken?
Diese mediale Komplizenschaft wird schon seit Jahren von Aktivist*innen kritisiert, die immer wieder eine angemessene Sprache für Verbrechen einfordern, die über Verschleierungen hinausgeht. Reden wir doch endlich über Femizid und nicht über “Familiendrama” oder “Liebestragödie”.
Übrigens muss man sich auch bei einem Marilyn Manson die Wechselwirkung zwischen öffentlicher Entgleisung und medialer Wiedergutmachung anschauen. Der Musiker ist nur die jüngste Ergänzung zum “missverstandenen Künstler”-Kanon, der weibliche Opfer physischer und psychischer Gewalt ganz bewusst diffamiert und unsichtbar macht.
Aktuell gräbt das Internet die offensichtlich problematische Vergangenheit des Rockstars aus und wirft dabei auch einen kritischen Blick auf seine Unterstützer. Es sind nämlich Mansons kleine Helfer, die in fast intimen Interviews mit dem Musiker schon seit Jahren sein problematisches Verhalten relativieren. Fast liebevoll wird er von meist männlichen Journalisten und Verehrern verhätschelt, unter anderem auch im Spin Magazine Q&A zum Release seines Albums “The High End of Low” aus 2009. Im Interview kommt es zu einer kumpelhaften Unterhaltung über die “Leiden” des mittelalten Musikers, die Trennung von Evan Rachel Wood und seine sich daraus ergebenden Gewaltfantasien. Manson erzählt von seinem romantischen Tiefpunkt, als er Wood 158 mal anrief und mit Suizid drohte und gibt offen zu, seine Freundin “mit einem Vorschlaghammer umbringen zu wollen”. Wenn die Antwort des Journalisten auf diese höllischen Aufzählungen ein staunendes und fast anerkennendes “wow” ist , dann reden wir von Komplizenschaft. Nur ein Beispiel für ein Versagen der Medien in Bezug auf gewalttätige “Stars”.
Die Ära der Glorifizierung von vermeintlich missverstandenen “Bad Boys” neigt sich eindeutig dem Ende zu und Menschen wie Manson müssen endlich als das bezeichnet werden, was sie sind : GEWALTTÄTER!
Mit dieser Botschaft wollen wir alle kleinen Helfer, Gatekeeper und Informationsträger offen auffordern, sich von problematischen Personen – mögen sie auch noch so begnadete Künstler sein – öffentlich zu distanzieren, sie auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen und ab sofort den Opfern Glauben zu schenken!
Hilfreiche Links:
Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen – rund um die Uhr erreichbar unter der kostenlosen Nummer 08000 116 016 – https://www.hilfetelefon.de/
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch – rund um die Uhr erreichbar unter der kostenlosen Nummer 0800 22 55 530 https://www.hilfeportal-missbrauch.de
Tipps der Polizei bei Belästigungen: https://www.aktion-tu-was.de/tu-was/gegen-belaestigung/
“Ist Luisa hier?”-Initiative in Kneipen, Bars und Clubs: https://luisa-ist-hier.de/
Suche nach Hilfe-Einrichtungen in der Umgebung – https://www.frauen-info-netz.de/
ProFamilia – Suche nach Beratungsstellen in der Umgebung: https://www.profamilia.de/
Bild: Unsplash
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