Sexuelle Belästigung kann viele Formen haben – ein Blick, ein Satz, eine Berührung. Sie kann an verschiedensten Orten stattfinden: auf der Straße, bei der Arbeit, im Club oder unter Freunden. Dabei geht es weniger um die Absicht einer Person, als darum, wie etwas bei einer anderen Person ankommt. Eine Frau kann vielleicht schlagfertig kontern, wenn ihr jemand auf der Straße zuruft, ob sie ihm nicht einen blasen wolle, eine andere mag es zutiefst verunsichern. Ein Angestellter mag keine Probleme mit den anzüglichen Andeutungen seiner Chefin haben, für einen anderen sind sie ein Grund, den Arbeitstag zu fürchten. Der Griff an den Po eines Fremden auf der Tanzfläche ist für manch eine Frau ,halt normal’, für die meisten nicht. Flirten ist nämlich eine Sache, an der zwei Menschen beteiligt sind und nicht der Wunsch des einen über dem des anderen steht. Genauso verhält es sich mit dem vielbeschworenen Kompliment: Entscheidend ist nicht die Absicht des Absendenden sondern die persönliche Befindlichkeit des*der Adressierten. Wer sich sexuell belästigt fühlt, hat jedes Recht Grenzen zu ziehen.
„Deine Huuuupen sind sooo wunderschöööön!“ Persönliche Grenzen sind entscheidend!
Ganz einfach ist das aber nicht, vor allem nicht, wenn eine Beschwerde persönliche Beziehungen oder Machtverhältnisse betrifft. Trotzdem hat nicht zuletzt die #metoo-Debatte dafür gesorgt, dass viele Menschen sensibilisierter sind und die Betroffenen mehr Möglichkeiten haben, sexuelle Übergriffigkeit nicht einfach hinzunehmen. Verschiedene Initiativen und Programme unterstützen sowohl Betroffene als auch diejenigen, die einschreiten, wenn sie Zeug*innen von Belästigung und Übergriffen werden. Einige dieser Möglichkeiten und Initiativen wollen wir hier vorstellen.
Was mache ich, wenn ich mich belästigt fühle?
Eine Frau, die auf der Straße belästigt wird, kann mit direkter Ansprache reagieren: „Lassen Sie mich in Ruhe“. Laut und deutlich werden hilft in solchen Situationen meistens schon. Umstehende werden dadurch aufmerksam und können die Betroffene unterstützen. Ist das keine Option oder die belästigende Person bleibt aufdringlich, verfolgt die Betroffene sogar, sollten gezielt Menschen zur Unterstützung angesprochen werden oder ein Raum aufgesucht werden, in dem viele Menschen sind. Notfalls dem*der Belästigenden signalisieren, dass man übers Handy Hilfe ruft, vielleicht sogar die Polizei.
Unter dem Titel „Luisa ist hier!“ unterstützt seit 2016 ein bundesweites Hilfsangebot in Clubs und Bars Betroffene. Mit der Frage „Ist Luisa da?“ signalisieren Gäste dem Personal sexuelle Belästigung, ohne sich oder die Situation erklären zu müssen. Die Initiative wurde vom Frauennotruf Münster gestartet und ist seitdem in mehreren Bundesländern, sowie einen Städten in Österreich und der Schweiz übernommen worden.
Sich andere Menschen als Unterstützung suchen gilt auch im persönlichen Umfeld, vor allem am Arbeitsplatz.
Ein Kollege, der einem immer wieder über den Rücken und wie beiläufig auch über den Po streicht, kann aufgefordert werden, das zu lassen. Wenn nicht in dem betreffenden Moment, dann vielleicht bei einem gemeinsamen Lunch. Vielleicht ist ihm bis dato nicht bewusst gewesen, dass sein Verhalten übergriffig ist. Reagiert er darauf nicht oder setzt seine Berührungen fort, kann sich die Mitarbeiterin an diverse Stellen wenden: Entweder an die betriebliche Beschwerdestelle, die im Betrieb beworben werden muss, an die Gleichstellungsbeauftragte oder schlicht an den*die Chef*in. Kolleg*innen ins Vertrauen zu ziehen und um Unterstützung zu bitten, kann auch helfen. Sowohl in der konkreten Situation als auch beim Informieren höherer Instanzen. Tatsache ist – darauf weist auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hin: Der/die Arbeitgeber*in ist schutzverpflichtet.
Wer trotzdem unsicher ist, den berät und dem hilft die Antidiskriminierungsstelle oder das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen. Die Telefonnummer sollte fest in jedem Handy gespeichert sein – dann ist es nur ein Klick, um schnell Beratung zu bekommen.
Sexuelle Belästigung ist vielschichtig und zeigt sich in unterschiedlichsten Situationen – aber persönliche Grenzen sind immer entscheidend! Viele – vor allem Männer ahnen noch immer nicht, wie stark Frauen und Minderheiten Diskriminierungen, Belästigungen und Übergriffen ausgesetzt sind.
„Du bist ja toll gebaut“ ist kein Kompliment – Moritz Neumeier hat ein paar Tipps, wo sexuelle Belästigung anfängt.
Deshalb ist es wichtig, auch in geselligen Runden das Thema mal anzusprechen und gemeinsam zu überlegen, ob die Bemerkung „in dieser Jeans hast du einen besonders knackigen Arsch“, eine angemessene Bemerkung für die Arbeitskollegin ist. So wird das Bewusstsein für sexualisierte Grenzüberschreitungen geschärft und Betroffene sind weniger auch sich allein gestellt. Vielleicht entwickeln wir so alle ein Gefühl dafür, was zwischenmenschlich in Ordnung und was unerwünscht ist.