Pin-Ups für kleine Mädchen

Beim Zahnarzt

„Ich weiß, was du willst“, strahlt die Arzthelferin mein Kind an, eilt davon und kommt mit einem Aufkleber von dem trällernden Schneewittchen zurück. Nach eingehender Betrachtung kommentiert T teils verwirrt, teils entzückt: „Guck mal, Mama, die Putzfrau!“ Das ist meine Schuld. Da ich eine Schwäche für Disneymusik habe, habe ich T einige Lieder auf YouTube vorgespielt – eher aus der Kategorie „sprechende Tiere“ als den Prinzessinnenkram. Aber sie hat gesehen, wie Schneewittchen das Haus der Zwerge sauber macht (in der griechischen Version, da ist die Stimme etwas erträglicher). Also habe ich Ihre Königliche Hoheit quasi zur fröhlichen griechischen Putzfrau herabgewürdigt.

Glücklicherweise lässt sich T nicht mit Aufklebern kaufen und findet (zu meiner Freude) mehr Gefallen daran, ihn zu zerreißen, sobald wir aus der Tür sind. Aber die Absurdität des Ganzen wundert und ärgert mich trotzdem. „Hier, meine Kleine, hier hast du ein Bild von einer hübschen Dame. Dreijährige wollen doch nichts lieber als Bilder von hübschen Damen. Sind sie nicht hübsch?“ Pin-Ups für kleine Mädchen.

Beim Arzt 

„Du bist so hübsch! Was für ein hübsches kleines Mädchen!“ juchzt die Ärztin, als wir das Sprechzimmer betreten. Wie hätte sie sich wohl gefühlt, wenn ich das getan hätte: „Was für eine hübsche Ärztin Sie sind – nein, im Ernst, ich habe noch nie eine Medizinerin mit solchen Locken gesehen.“ Warum nehmen wir eigentlich an, dass es Kinder so locker wegstecken, wenn wir ihr Aussehen kommentieren? Mein Kind weiß nur deshalb, dass ihr Aussehen die Leute beschäftigt, weil sie es ihr sagen. Ich bin mir nicht so sicher, dass pausenlose Schmeicheleien die Antwort auf die drohende köperdysmorphe Störung meiner Tochter sind. Als wir durch das voll besetzte Wartezimmer nach draußen gehen, ruft meine Prinzessin T wie immer damenhaft: „Und die Frau Doktor hat gesagt, dass mein Popo in Ordnung ist, oder, Mama?“

Beim Friseur

Ein Friseurbesuch steht an, nachdem ich Ts Haare mal wieder schief geschnitten habe. Der freundliche Friseur schmeißt ihr über den dröhnenden Fön hinweg Brocken wie „Prinzessin“ und „allerliebst“ an den Kopf. „Ich glaube, sie weiß nicht, was eine Prinzessin ist“, brülle ich bereitwillig, „wir gehören eher zur im-Matsch-spielen-Fraktion.“ Er nickt wissend und nimmt sie wieder in die Mangel: „Ja, du bist eine kleine Prinzessin, nicht wahr? Allerliebst!“ Ernst nickt ihm T im Spiegel zu. Ich kichere und lächle dumm. Ich kenne die Reaktionen von Leuten, denen ich kurz und prägnant meine Anti-pink/Anti-Prinzessinnenhaltung erklären will. Ein höflicher, leicht panischer Ausdruck erscheint auf ihrem eben noch heiteren Gesicht, während in mir ein schleichender Zweifel nagt – vielleicht bilde ich mir das Ganze nur ein. Schließlich taugen kleine Mädchen nur als aufgehübschtes Firmenfutter und finden das toll; was habe ich mir nur dabei gedacht? Danach muss ich mich erst einmal rückversichern, indem ich die rosa Spielzeugregale durchstöbere.

Wieder beim Zahnarzt

„Du warst besonders artig, möchtest du diesen Teddybären mit nach Hause nehmen? Wie soll er denn heißen? Oooh, das muss ein Mädchen sein, sie trägt ja lila.“ Lila Bär wohnt jetzt als eindeutiger „er“ bei uns – und das ohne Einflussnahme meinerseits. T wurde noch nicht vom Schubladendenken gepackt.

„Dein Lächeln wird so hübsch sein, wenn wir fertig sind. Noch hübscher als jetzt.“ Mein armes Mädchen – die „Verbesserungen“ haben gerade erst angefangen…

Elaine Johnson, übersetzt von Lena Pemöller