Pyjama Party

 

Esprit, das steht für Scharfsinn, Geist und sprühenden Witz. Esprit ist aber auch der Name einer Bekleidungsfirma, deren deutschsprachiger Facebook Account knapp 1 Million Leute gefällt.

Irgendwas müssen die also richtig machen. Sogar mir gefällt Esprit ein bisschen. Wenn ich im firmeneigenen Onlineshop nach „farblicher“ Bekleidung für Männer stöbere, dann finden sich doch tatsächlich neben den üblichen Nichtfarben (schwarz, braun, grau, beige oder khaki) hier und da ein bunter Fleck in weinrot oder petrol. Wenn ich allerdings nach Unterwäsche für meine beiden Kinder suche, muss ich mir anschließend darüber Gedanken machen, ob die beiden wirklich zur gleichen Spezies gehören. Das Kleider Leute machen ist die eine Sache. Was Esprit-Unterwäsche mit Kindern machen soll eine andere. Denn bei Esprit hat Unterwäsche eine geschlechtsspezifische Philosophie, für die eine alltagstaugliche Situation getextet wird, in der sie zum Tragen kommt. In der Rubrik „Mini- Boys“ (2-9 Jahre) liest sich das dann so:

„Unterwäsche für Jungs soll jeden Tag alle Aktivitäten unserer Jungs mitmachen, daher muss sie vor allem bequem und gemütlich sein. Hochwertige Materialien und sportive Schnitte garantieren unseren Jungs viel Bewegungsfreiheit und hohen Tragekomfort, (…).“

Recht haben sie. Bequem und gemütlich klingt gut. Was ich von „sportiven“ Schnitten halten soll, weiß ich noch nicht, aber das ist ja auch nicht so wichtig. Gleich mal gucken, wie das bei den Mädchen der gleichen Altersstufe aussieht:

„Unterwäsche und Nachtwäsche für Mädchen sollen vor allen Dingen bequem und gemütlich sein. (…).Ein Nachthemd mit glitzerndem Print, ein Bademantel aus weichem Frottee oder bunt-geringelte Shorts und Tops sorgen vom Aufstehen bis in die Abendstunden für Abwechslung und Spaß im Kinder-Kleiderschrank.“

Häh?! Wieso stellt man die gleichen Anforderungen (bequem, gemütlich) in so unterschiedliche Zusammenhänge? Ich dachte der Kontext wäre Kind. Spaß im Kinder-Kleiderschrank – was soll er denn da? Der möchte doch bitteschön lieber mit meiner Tochter rumhängen und nicht irgendwo im Dunkeln vor sich hin muffen. Und überhaupt: Wo bleibt der „sportive“ Schnitt? Gerade gestern hat meine Tochter lautstark eine Verlängerungsfrist für das Gartentrampolin bis Mitte Dezember gefordert. Was steht denn da noch?

„Unterwäsche und Nachtwäsche für Jungs: Für jedes Abenteuer bereit.“

und

„Keine Pyjama-Party ohne die passende Nachtwäsche für Mädchen.“

Nee, oder?! Ist das jetzt schon Gendermarketing für Fortgeschrittene oder einfach nur Unterwäsche, schön dick mit Klischee bestrichen? Wahrscheinlich beides, denn es geht immer noch weiter. Große Aufregung vor der anstehenden Pyjamaparty bei den Mädchen, für die gemeinsam Leckereien vorbereitet und „Fragen des Outfits“ geklärt werden müssen. Große Vorfreude bei „den kleinen Rackern“, mit denen draußen im Garten gezeltet wird, wo sie sich „auf ein Leben in der Wildnis vorbereiten können“.  Och, Leute! Wer hat euch das denn getextet? So schnell hat man 20 Minuten sinnlos in einem Onlineshop verbracht und das Petrolhemd wieder aus dem Einkaufswagen gelöscht. Ein gutes hat die ganze Sache aber: Ich könnte den Kindern vorschlagen, mal wieder eine Pyjamaparty zu machen oder bei gutem Wetter draußen zu zelten. Aber den scheinbar obligatorischen Esprit Geschlechtstest lassen wir weg.

Nils Pickert