Das hatten wir noch nie: Eine laufende Kampagne einstampfen zu können, weil sie überflüssig geworden ist. Im Herbst 2015 wollten wir einen Positivpreis für die Werbewirtschaft verleihen: Der Pinke Pudel sollte Werbung prämieren, die erfolgreich an vorherrschenden Geschlechtsstereotypen rüttelt. Im Mai wollten wir die Seite dazu online schalten, prominente Jurymitglieder waren schon angeschrieben. Unsere Designerin Jenny Harbauer kann jetzt aufhören zu zeichnen: Aus dem Pudel ist ein Löwe geworden.
Der wichtigste und glamouröseste Werbepreis der Welt, der goldene Löwe von Cannes, hat Verstärkung bekommen: The Glass Lion wird von der Festival-Leitung erstmals im Juni 2015 als Sonderpreis verliehen. Er* (oder Sie*) prämiert progressive Werbung, die Geschlechtsstereotype hinterfragt. Der Preis wurde durch den Druck und Einfluss der Facebook-Betriebschefin und Lean-In-Gründerin Sheryl Sandberg geschaffen. Die Begründung dafür ist eine der besten, die wir je aus der Werbewelt gehört haben:
Die Festival-Leitung ist schon lange der Überzeugung, dass Werbung und Marketing unsere Kultur formen. Die Ausschreibung des Preises (The Glass Lion) ist Teil einer neuen Verantwortung, die Kommunikationsindustrie positiv zu beeinflussen. Phillip Thomas, Geschäftsführer des Lions Festivals: „Wir sind geehrt, als globaler Zielrahmen für kreative Exzellenz zu gelten. Kreativität hat die Macht, Kultur und Gesellschaft in einer zutiefst positiven Weise zu verändern. Das Auszeichen kreativer Arbeit, die gegen überzogene Geschlechterstereotype in Marketing und Kommunikation kämpft, wird – hoffen wir – einen wirklichen Wandel in Industrie und Gesellschaft herbei führen.“
Den Deutschen Werberat und deutsche Werbestrateg*innen wird das wahrscheinlich nicht erfreuen, da doch immer wieder betont wird, dass die Werbung lediglich Spiegel der Gesellschaft sei und nicht ihr Produzent. Was machen jetzt bloß die ganzen Hochschuldozent*innen, die seit Jahrzehnten predigen, die Werbung täte nur, was die Gesellschaft von ihnen wolle? Cannes ist Autorität und Expertise, sich diesen Aussagen zu widersetzen wäre schon hinterwäldlerisch.
Einsendeschuss für den Glass Lion ist übrigens der 27. März 2015. Liebe Scholz und Friends, Jung van Matt, Philipp und Keuntje: Wir zählen auf euch. In einem Gespräch mit Cindy Gallop, der Präsidentin des Preises, lobte sie unser Engagement und sagte: „Ich hoffen darauf, dass besonders aus Deutschland viele Einsendungen kommen!“
Was auch grandios ist: Die Einsendegebühren der Glass Lions sollen einem Programm zu gute kommen, das sich für eine geschlechtergerechtere Medienlandschaft einsetzt. Details kommen erst in den nächsten Wochen, aber es soll um Bildung gehen. Schulungen in deutschen Werbeagenturen, vielleicht? Schon 2014 wurden bei den Cannes-Festivals Vorträge und Hintergrundsessions gegeben, die sich mit der gläsernen Decke für Frauen in der Kreativbranche beschäftigten. Aber das war Nebenprogramm. Der „Glass Lion“-Preis ist ein sehr großer Schritt nach Vorn, von dem man 2014 nur träumen konnte. Wir freuen uns riesig.
Mal ehrlich: Dass eine deutsche Werbefirma gewinnt, ist unwahrscheinlich, immerhin sind wir bekannt für unsere sexistische Werbung. Trotzdem ist Cannes Trendsetter: Vielleicht dringt die Botschaft vom Fortschritt ja sogar in unsere heimischen Werbewälder.
Stevie und Team