Schadet Feminismus Männern?

So oder so ähnlich hören und lesen wir es immer wieder: Feminismus schadet Männern, nimmt ihnen ihre Rechte und behauptet männliche Privilegien, die in Wahrheit nicht existieren. Frauenwahlrecht ist ja schön und gut. Und Gleichberechtigung mag auch noch angehen, aber Feministinnen scheint es nur noch darum zu gehen, sich mit Hinweis auf ihre angebliche Unterdrückung Vorteile zu verschaffen. Dabei sind es doch längst die Männer, die ins Unrecht gesetzt werden.

Den harten Kern derjenigen, die davon zutiefst überzeugt sind, werden wir (zumal auf dieser Plattform) nicht erreichen können. Das sind diejenigen, die sich im Internet eine rote Erkenntnispille reingezogen haben und zu erkennen glauben, dass Frauen in Wahrheit „manipulative, statusgeile Lügnerinnen“ sind. Mein Kollege Marcel und ich gelten ihnen als „Pudelchen, Milchbubi, Vaginalschranze“ und noch so ein paar Sachen. Unsere Kolleginnen hingegen als „hässliche Feminazis“, die Männern und auch anderen Frauen alles kaputt machen. Dazu werden entsprechende Internetmemes gebastelt,

die zeigen sollen, wie schlimm es wirklich steht. Und wenn Memebastelei nicht mehr unterhaltsam genug ist, rottet man sich in den sozialen Netzwerken zusammen und schaut, wem sich Gewalt androhen lässt.

Mit solchen Leuten ist nicht zu reden. Wir wissen wo die stehen, sie wissen, wo wir stehen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Etwas anderes sind Menschen, die Feminismus aus diversen Gründen für unzureichend, unaufrichtig oder einfach nur eine schlechte Idee halten. Das scheint mir ebenso legitim wie meine Überzeugung, dass Feminismus eine richtig gute Idee ist. Darüber kann man reden. Gerne auch streiten. Und dann schauen, wer am Ende den zwanglosen Zwang des besseren Arguments auf seiner oder ihrer Seite hat. Mich interessiert an dieser Stelle ganz besonders die Auseinandersetzung mit Männern, die Feminismus bestenfalls für albern, schlimmstenfalls für eine ungerechte politische Ideologie halten. Damit kann ich etwas anfangen. Aus meiner Sicht lohnt es sich, mit einem Mann wie George Lawlor zu diskutieren, der sich 2015 weigerte an einem Seminar über Einvernehmlichkeit teilzunehmen, weil er es als Beleidigung empfand.

Es lohnt sich darüber ins Gespräch zu kommen, dass ein Vergewaltiger eben doch so aussehen kann wie er. Oder wie ich oder jeder andere Mann, weil die Täter aus allen Teilen der Gesellschaft stammen und die Taten häufig im sozialen Nahbereich stattfinden.

Das heißt eben nicht, alle Männer als Täter vorzuverurteilen, sondern die Dimension von sexualisierter Gewalt anzuerkennen. Sexualisierte Gewalt verschwindet nicht dadurch, dass man(n) dazu lediglich festhält, selbst nie etwas Derartiges zu tun. Das gesellschaftliche Klima, das sexualisierte Gewalt ermöglicht, normalisiert und verharmlost wird nicht weniger oder inexistent, weil man(n) die Augen davor verschießt oder nicht so genau hinschaut.  Im Gegenteil: Dadurch wird sie noch zementiert. Deshalb sollte man wenn möglich die Dinge auch nicht auf sich beruhen lassen. Man sollte jemanden wie Henryk Broder nicht damit davonkommen lassen, dass er Autorinnen, die Rape Culture in Deutschland benennen und kritisieren, wünscht, sie mögen doch vom IS nach Rakka eingeladen werden, „um zu erfahren, was Rape Culture bedeutet„. Sondern es bei jeder sich bietender Gelegenheit als Beispiel für eben jene Rape Culture anbringen, weil hier Frauen nichts anderes als eine konkrete Vergewaltigung an den Hals gewünscht wird, um ihre angeblich politisch naiven oder unliebsamen Überzeugung zu korrigieren. Das macht man übrigens ganz gerne in Deutschland. Selbst wenn vorgetäuscht wird, gegen derartige Übergriffe zu protestieren.

Von daher gerne: Immer her mit all den Beispielen dafür, wie überflüssig Feminismus ist und wo er Männern schadet.

Und dann schauen wir, was am Ende übrig bleibt. Ist der Feminismus etwa dafür verantwortlich, dass an Kriegshandlungen aller Art zumeist Männer beteiligt sind und diesen auch mehrheitlich zum Opfer fallen? Ist der Feminismus daran schuld, dass mehr Männer als Frauen Selbstmord begehen? Dass sie weniger häufig das Sorgerecht erhalten als ihre Ex-Partnerinnen? Mitnichten! Kriegshandlungen hatten schon lange vor dem Feminismus als politische Kraft ein Geschlecht. Dass Männer innerhalb des Male Depression Konzepts hilfloser und aggressiver als Frauen werden, hat etwas mit toxischer Männlichkeit zu tun. Und die Vorstellungen darüber, wer für die Betreuung eines Kindes zuständig zu sein hat und wer bloß Aushilfskraft sein kann, ist gesellschaftlich fest verankert.

Für all diese Verwerfungen kann man selbstverständlich den Feminismus verantwortlich machen. Man kann auch Quoten für ungerecht und den Gender Pay Gap für eine Erfindung halten. Aber mit der Frage, was der Feminismus je für Männer getan hat, beziehungsweise tun könnte, ist es ein bisschen so wie mit der Frage danach, was die Europäische Menschenrechtskonvention jemals für Großbritannien getan hat:

Was eigentlich nicht?!

Wenn wir das mit dem Feminismus wirklich durchziehen würden, dann stünde am Ende eine Gesellschaft, in der Männer nicht aufgrund ihres Geschlechts keine Schmerzen kennen dürften und keine Opfer sein könnten. Sie könnten davon berichten, dass ihre Partnerin ihnen Gewalt antut, und man würde ihnen glauben, anstatt sie auszulachen und ihnen ihre Männlichkeit abzusprechen. Sie würden in puncto Sorgerecht von Anfang an genauso in die Verantwortung genommen wie Frauen und in einem etwaigen Gerichtsverfahren auch so behandelt. Sie würden nicht qua Geschlecht als gewalttätiger, kriegslüsternder, triebgesteuerter und emotionsloser gelten. Sie würden nicht dafür angefeindet werden, Männer zu lieben und zu begehren.

Feminismus schadet Männern? Ich sage, der Schaden ist schon längst angerichtet: Wir gehen kaputt, wir distanzieren uns bis zur Unkenntlichkeit von unseren eigenen Gefühlen, wir fügen viel zu viel Leid zu und sterben früher als wir müssten. Wer darauf Bock hat, nur zu. Alle anderen sollten vielleicht in Betracht ziehen, dass Feminismus für genau diese Probleme ziemlich interessante Lösungen bietet.

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