Schätzchen – Ich sach‘ dir mal wie das läuft

Im Frühjahr 2016 war der Begriff des „Mansplaining“ in aller Munde, hauptsächlich durch ein Video der Medienplattform ATTN.

Im englischsprachigen Raum ist er bereits seit einem Essay von Rebecca Solnit im Jahr 2008 sehr bekannt und wurde 2015 in Australien sogar zum Wort des Jahres gekürt.

Es ist höchste Zeit, dass das Phänomen hinter dem Begriff genauer unter die Lupe genommen wird. In ihrem mittlerweile auf Deutsch erschienenen Text weist Solnit darauf hin, dass Männer in vielen Fällen eine Expertise behaupten, über die sie gar nicht verfügen, oder die vorhandenen Expertise ungefragt und ungebeten einbringen. Dinge erklären. Sagen, wo es lang geht. Die Intention dahinter kann durchaus wohlwollend sein, bleibt aber eine sexistische. Auch benevolenter Sexismus geht im Kern davon aus, dass Frauen Defizite haben (nennt es jedoch „Hilfe brauchen“), ohne sich dessen tatsächlich rückzuversichern, und „belohnt“ diejenigen, die sich patriarchatskonform benehmen. Alle anderen werden mit feindseligem Sexismus gestraft. Das wirkt immer dann besonders absurd, wenn eine Frau mit Mansplaining überzogen wird, die eine ausgewiesene Expertin im fraglichen Thema ist, oder wenn Dinge herrklärt werden, die für die meisten eigentlich selbsterklärend sind. Satirisch überspitzt hat der Late Night Talker Jimmy Kimmel das vor ein paar Wochen gemeinsam mit Hillary Clinton veranschaulicht.

Wobei sich das auch stark an der Realität orientiert. Denn solche Ansagen werden oft mit abwertenden Verniedlichungen gepaart: „Schätzchen, Herzchen, versteh doch bitte.“ Bevor Frauen noch widersprechen können, hat Mann sie blitzschnell um ihren Nachnamen und ihre Expertise gebracht. Frauen sollten sich eben nicht ihre zarten Köpfchen wegen so schwierigen Sachen zerbrechen.

Solnit zeigt auch, wie sehr die Reduktion auf ein imaginiertes „kleines naives Mädchen“ Gesellschaft konstituiert – und zwar geschlechterübergreifend. In diesem sozial weitreichend anerkannten Phänomen, spiegeln sich tief verankerten Machtstrukturen wider. Und einmal in diese Ecke gestellt, kann Frau sich schwierig wieder herausmanövrieren. Wer sich wehrt gilt als eitel, empfindlich, sowie beratungsresistent und wird anschließend noch weniger ernst genommen. Übrigens schützt auch eine progressiv links-liberale Einstellung nicht davor, den Herrklärbär raushängen zu lassen. Ende letzten Jahres hat der Schauspieler Matt Damon gemeint, er müsse der schwarzen Produzentin Effie Brown mal das Konzept „Diversität“ erklären

und damit zwei Dinge bewiesen. Zum einen, dass diese Form der gewaltvoll kommunizierten Entmündigung nicht nur sexistisch, sondern auch rassistisch motiviert sein kann. Zum anderen, dass es eben nicht nur darum geht, selbst das Wort zu ergreifen, sondern andere dadurch zum Schweigen zu bringen. Ein Umstand, der in den meisten Fällen, die gerne als Beweis für Womansplaining herangezogen werden, fehlt. Denn es gibt tatsächlich Bereiche, in denen auch Frauen ungefragt ihre Expertise einbringen und so tun, als hätten Männer diesbezüglich keine – das sind vor allem Kompetenzbereiche, die klassisch-weiblich verortet werden. Aber dabei geht es nicht zentral darum, das Gegenüber mundtot zu machen.

Wir halten also fest: Viele Menschen finden ihre Meinung relevant und richtig (sonst hätten sie eine andere) und stellen sie auch gerne mal ungefragt in den Raum. Aber Mainsplaining ist eine darüber hinausgehende, sexistische Strategie, die das deutsche Sprichwort „Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel zu schweigen“ in die Tat umsetzt.

Foto Credit: Cathy de la Cruz, Twitter

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