Schluss mit Sexismus in der Werbung: Wir brauchen einen Zusatz zum Wettbewerbsgesetz!

Der Deutsche Werberat ist das selbstregulierende Gremium der Werbeindustrie, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, unsere Werbung in Deutschland zu überwachen. Im Werberat sitzen z.B. Vorstände von Werbeagenturen oder Leuchtwerbeflächen-Produzenten: Menschen also, die selber in der Werbung tätig sind. Sie haben Kriterien erstellt, wann Werbung diskriminiert. Und wenn Werbung Menschen diskriminiert oder abwertet, wird von ihnen gemahnt oder gerügt. Und, da die Rüge aus der eigenen Branche kommt, wird eine Schelte manchmal auch ernst genommen. Man will ja nicht der Spielverderber sein, der durch sein bockiges Verhalten womöglich riskiert, dass der Werberat als unfähig da steht. Dann reagieren nämlich die Bürger*innen und fordern womöglich noch eine staatliche Instanz, die die Werbewirtschaft durch strenge Auflagen lahmlegen könnte.

Und es ist gar nicht so, als ob der Deutsche Werberat faul in der Ecke sitzt. Tatsächlich werden viele Werbekampagnen, die wir als sexistisch erachten, auch vom Werberat kritisiert. Oft bekommen wir Mahnungen des Werberats nicht mit, weil die Unternehmen nur an den öffentlichen Pranger gestellt werden, wenn sie der Aufforderung, ihre Werbung zurück zu ziehen, nicht nachkommen. Meistens betrifft das kleine, mittelständische Unternehmen, die gar nicht wussten, dass es einen Werberat gibt und ihre Werbeidee eine Diskriminierung darstellt. „Wie, das stört sie? Meine Ehefrau fand das ganz schick!“

geile Bodenbeläge

Doch erstens reagiert nicht jedes Unternehmen sensibel auf den Werberat. Gerade kleine Unternehmen ist es auch ziemlich egal, was von irgendwelchen Vereinen in Berlin so geurteilt wird. Dann fahren eine Reihe Autos mit nackten Frauen auf „geilen Bodenbelägen“ gerne mal eine ganze Zeit herum, bis der Besitzer eine Mahnung ernst nimmt: Meist erst nach einer öffentlichen Rüge. Dann entscheidet er sich schweren Herzens, seine schicken Autos mit der schönen Werbung zu verkaufen. Die fahren dann fröhlich weiter durch Deutschland, nur eben nicht mehr für das Unternehmen. Dann ist auch der Werberat machtlos, hier handelt es sich nicht mehr um Werbung, sondern private Autogestaltung.

Ähnlich verhält es sich aktuell mit den Paulus-Umzügen, die mit dem schönen Slogan „Wir ziehen sie um! Egal bei welchem Wetter!“ und einer Frau im Wet-T-Shirt-Look warben, die sich offensichtlich gerade umzog. Das Bild prangt auf einem LKW in Übergröße. Auch hier war der Werberat schnell bereit, die Werbung anzumahnen. Das Unternehmen zeigte sich reuig und versprach, in künftigen Anzeigen auf eine solche herabwürdigende Darstellung zu verzichten. Das Problem: Die Werbung ist auf einen LKW gedruckt, der pausenlos durch Deutschland fährt und wahrscheinlich noch gute zwanzig Jahre halten wird. Auf unsere Nachfrage an das Unternehmen, ob sie gedenken, ihr Fahrzeug umzugestalten, bekamen wir keine Antwort. Der Werberat zitierte den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, nach dem man dies auch nicht fordern könnte. Warum nicht, fragt man sich, wenn bei ähnlichen Auseinandersetzung das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ganz klar „Unterlassung“ fordert. Die Werbung muss also weg, kleines Unternehmen und großes Fahrzeug oder nicht.

Die meiste sexistische Werbung in Deutschland wird nicht von großen Unternehmen geschaltet: Diese wollen sich tatsächlich nicht mit dem Zentralverband der Werbewirtschaft, dem Träger des Werberats, anlegen, in dem fast alle industriellen und werbetreibenden Verbände Deutschlands organisiert sind. Die häufigsten Verstöße gegen die Kriterien des Werberat kommen von kleinen Unternehmen, dafür aber in Menge. An fast jedem Bauzaun für einen neuen Wohnungskomplex hängt das Bild einer lasziv blickenden, jungen Frau im Dessous oder Negligé, die einlädt, sie einmal in ihrer neuen Wohnung zu besuchen. Der Mechaniker an der Ecke mit seinen nackten Frauen auf Kühlerhauben oder das Nacktfußball-Event in Berlin-Mitte, auf der eine Frau auf allen Vieren einladend hochschaut: All jene interessieren sich selten für die Meinung des Werberats, und der Werberat bekommt ihre Kampagnen auch selten mit. Es sei denn, man beschwert sich. Doch, wie ein Mitglied des Deutschen Frauenrings auf einer Podiumsdiskussion neulich sagte: „Wer beschwert sich denn noch beim Werberat? Die können doch eh nichts bewirken.“

Gerade deshalb brauchen wir eine neue Norm im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, die geschlechtsdiskriminierende Werbung untersagt und in der ganz klar ausgewiesen wird, was geschlechtsdiskriminierende Werbung ist. Mit der Androhung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (und letztlich dem Zahlen von Vertragsstrafen) als Konsequenz für Unternehmen, die Werbung betreiben und dabei diskriminieren. Es wird Zeit, dass der Staat seinem Auftrag aus unserem Grundgesetz nachgeht und sicherstellt, dass die Förderung von Gleichberechtigung nicht durch die Darstellungen von diskriminierenden Geschlechtsstereotypen konterkariert wird. Und dabei geht es uns nicht um Zensur oder Moralismus, sondern um ganz klare Regeln. Einen passenden Normvorschlag veröffentlichen wir am 4. September 2014 und fordern Heiko Maas auf, diese Norm unverzüglich ins Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu implementieren.

Die Industrie wird diese Norm nicht lahmlegen und der Werberat soll nicht ersetzt werden. Die Norm soll seine Tätigkeit gesetzlich unterstützen und absichern, dass Paulus und co. nicht fahren können, was sie wollen. Wenn Klage und Konventionalstrafen drohen wird sich Paulus vorher überlegen, was er worauf klebt. Wenn ihr das auch so seht, unterstützt uns doch bitte am 4. September mit eurer Unterschrift und leitet die Petition weiter!

PS: Ihr wollt sichergehen, dass ihr die Petition mitbekommt? Dann tragt euch noch schnell in den Newsletter ein.
PPS: Danke an Antje Schrupp für Fotomaterial!