Schulstart in Pink – ist das schlimm?

Es geht wieder los: Die Drogeriemärkte und Kaufhäuser sind voll von Schultüten und passenden Gimmicks, die da rein müssen. Alles ist hübsch aufgeteilt für sie und ihn, Disney Princess konkurriert mit Disney Cars. Die Erste-Schultag-Schokolade von Lindt hat, wie jedes Jahr, die Prinzessin mit dem rosa Bären oder den kleinen Piraten im Angebot.

Falls ihr es noch nicht wusstet, könnt ihr jetzt – endlich! – auch die PomBär-Chips für Jungs und Mädchen getrennt kaufen und euren Lieblingen in die Schultüte stecken.

PomBär

Auch in meinem sommerlichen England-Urlaub bewarb der Schreibwarenhandel zum Schulstart die üblichen geschlechterspezifischen Geschenke, die für sie „hübsch“, für ihn „schlau“ sein müssen.

WHSmith

Meine englische Kusine, von Beruf Lehrerin, lachte über meine Kritik: Sie musste zum Ende des Schuljahres ein Prinzessinnen – und Piraten-Schulpicknick veranstalten, das die Kinder lieben. Lauter kleine rosa Glitzerwolken saßen glücklich neben raubeinigen Helden und freuten sich, endlich mal wieder geschminkt zur Schule gehen zu dürfen. Dabei, dachte ich beim Durchblättern des neuen Verbaudet-Kinderkleidung-Katalogs, kann man doch heute jeden Tag aussehen wie eine Prinzessin.

Und die große Frage, die uns immer wieder gestellt wird, ist: „Was ist denn bitte so schlimm daran?“ Unsere Antwort darauf können wir gar nicht oft genug artikulieren, weil wir so gerne falsch verstanden werden: Schlimm ist nie, was ein Kind sich anzieht. Es soll in keinster Weise kritisiert werden, in welchem Outfit ein Kind zur Schule geht. Wenn ein Mädchen sich in rosa Rüschentütü mit Tiara im Haar und lackierten Fingernägeln bezaubernd findet, so wie ein anderes Mädchen ihre Baggypants und ihren Hoodie liebt, ist da überhaupt nichts gegen einzuwenden. Uns ist es nie darum gegangen, einen bestimmten Kleidungsstil zu verteufeln. Sondern darum, aufzuzeigen, dass nur eine von diesen Alternativen beworben wird, und es bestimmte wirtschaftliche und geschlechterpolitische Gründe hat, warum nur der traditionell-feminine und zarte Look in Kinderkatalogen, Kinderabteilungen und Kindermedien zu sehen ist. Das stinkt uns, gewaltig.

Die Lösung kann aber nicht darin liegen, Kinder, die sich an dieser medial intensiv vermarkteten Weiblichkeit orientieren, zu kritisieren. Deshalb wendet sich Pinkstinks an Erwachsene, nicht an Kinder. (Obwohl wir vermehrt junge Leser*innen haben, die in der Mittelstufe über uns in ihren Schulen berichten. Sehr differenziert, wie wir finden.) Das neue Carlsen-Büchlein jedoch, das man zum Schulstart neben den Schultüten findet, beunruhigt uns deshalb.

Lucy Pink

Den Carlsen-Verlag kennt ihr von Alleskönner-Conni: Conni fährt Ski, Conni tanzt Ballett, Conni spielt Fußball…ihr wisst schon. So nervig viele Eltern Conni in ihrer „Ich kann alles!“ – Manier finden, muss man ihr zu Gute halten, dass es kaum geschlechterspezifische Grenzen bei ihr gibt. Sie spielt gerne im Matsch, ist nicht überzogen elfenhaft gezeichnet und darf überall einmal reinschnuppern. Das neue Carlsen-Büchlein hat eine Conni-hafte Schülerin als Heldin, deren beste Freundin eine Pink- und Beauty-Phase hat. Die Lösung: Die „Barbie“ wird von ihren Klassenkameraden so lange ausgelacht und verhöhnt, bis sie ihre pinken Klamotten wieder ablegt und auch ein rotes T-Shirt anzieht – wie der Rest der Klasse. Der Text zeigt Gruppenzwang und Mobbing und legitimiert sexualisierte Übergriffigkeit: „“Hast du auch ein rosa Tattoo am Po?“ fragt Anton frech.“ Sie sähe aus wie eine „Zirkusprinzessin“, findet Olli. Ein extrem prekärer, abwertend gemeinter Vergleich. Carlsen, was ist da los?

Lucy

Die Aussage des Buches scheint auf den ersten Blick revolutionär: Weg mit der Geschlechtertrennung! Andererseits ist diese Aussage nicht wirklich ernst zu nehmen für einen Verlag, der Wundertüten in rosa und blau, also farblich getrennt und mit verschiedenen, geschlechtsspezifischen Inhalten bewirbt. Noch verwirrender: Beginnen tut das Buch mit Jungs, die Fußballbilder tauschen, was eben „Männersache“ sei.

Wenn das Buch ausdrücken möchte, dass Kritik an Pinkifizierung zunimmt, dann ist der Versuch, daran teil zu haben oder diese Kritik zu unterstützen, extrem unglücklich umgesetzt worden.

Pinkstinks geht es auf jeden Fall nicht um erzwungene Gleichheit, sondern um Vielfalt. Es geht nicht um Zensur, sondern um Toleranz. Es geht nicht darum, nicht Prinzessin sein zu dürfen. Es geht darum, dass nicht alle Prinzessin sein müssen. Das ist ein großer Unterschied.

In diesem Sinne und zum oft wiederholten Mal: Pinkstinks steht für „Pinkifizierung stinkt“. Nicht die Farbe Pink.