Sex ist kein Abflussreiniger

Triggerwarnung: Dieser Text enthält Zitate, die verletzend sind und Gewalt androhen. 
Wir müssen über Sex reden. Über Sex und über Männer. Genauer gesagt darüber, wie einige – um nicht zu sagen viel zu viele – Männer über Sex mit Frauen sprechen. Denn obwohl mit Sicherheit keine „richtige“, verpflichtende oder einheitliche Sprechweise über Sexualität existiert, gibt es doch Arten darüber zu reden, die das ganze Thema derartig verzerren, entwerten oder überfrachten, das es dadurch zu einer Waffe, einem Übergriff oder einer Beleidigung gemacht wird. Das geschieht zum Beispiel, wenn in den Medien bei Fällen sexualisierter Gewalt von „Sex-Tätern“ die Rede ist,

obwohl klar sein sollte, dass es sich nur dann um Sex handelt, wenn es einvernehmlich zugeht. Oder auch wenn Väter von ihren Töchtern „Jungfräulichkeit“ verlangen, die auf einem sexistischen Mythos basiert und nichts anderes darstellt, als den Versuch, die Sexualität eines Mädchens oder einer jungen Frau zu kontrollieren. Und das ist nicht zuletzt auch dann der Fall, wenn Männer über den Sex, den sie haben wollen, mit Frauen, die sie begehren so reden wie der YouTuber Haptic. Der hatte nämlich vor einigen Wochen seine Follower aufgefordert, ihm „lustige Synonyme“ für Sex zu schicken, damit seine Freunde und er auf dem nächsten Männerabend was zu lachen haben. Den Anfang hat er mit der Formulierung gemacht, „die Alte in den Lattenrost zu schallern“.

Was folgte war eine Parade an herabsetzenden Formulierungen verschiedenster Ausrichtungen und Gewichtsklassen. Da waren zum Beispiel diejenigen, die den sexuellen Akt mit einem gewissen Ekelfaktor besetzten.

Oder die, die Geschlechtsorgane mit Gegenständen gleichsetzten und einen Parkvorgang beschrieben.

Und natürlich gab es auch die, die das Ganze mit Gewalt in Verbindung bringen mussten.

Manche waren überhaupt nicht mehr zu bremsen.

Die Frage, die sich angesichts dieser Formulierungen stellt, ist weder, ob die das dürfen, noch ob das witzig gemeint sein kann. Beides muss bejaht werden. Die Frage ist vielmehr, wodurch diese spezfischen Sprachbilder motiviert sind. Diese Tiervergleiche, Verdinglichungen und Kriegsschauplätze. Aale, Autos, Bomben. Rotzen, hauen, weghämmern, durchmörsern.
Sex ist wie bereits erwähnt sehr vielschichtig. Er kann exklusiv zwischen zwei Personen stattfinden, muss aber nicht. Er kann mit Liebe verbunden sein oder einfach mit flüchtigem Interesse. Er existiert sowohl intim als auch oberflächig, wortreich und schweigend, penetrativ oder „nur“ streichelnd. Die Möglichkeiten sind schier endlos. Warum also gerade diese Sprache? Warum „die Lunte löschen“? Wieso „das Ranzloch durchstempeln“? Das klingt nicht gerade nach Tätigkeiten, auf die man(n) auch nur entfernt Lust hat.

Stattdessen klingt es nach Männern, die ein altes Spiel aus der Pubertät wieder aufleben lassen, bei dem es darum geht, mit Hilfe solcher Sprüche über die eigene Männlichkeit ins Gespräch zu kommen und sich ihrer gegenseitig zu versichern. Frauen und Mädchen sind dabei nur Mittel zu eben diesem Zweck. Zum Zweck möglichst wenig bewegt oder ergriffen von dem großen Thema Sexualität zu sein. Mann präsentiert sich als Macher, als Stecher, als „Fickbalkenbesitzer“ und redet darüber, welche mann schon geknallt, beackert und genagelt hat. Mann spricht von Alten, Ollen, Schlampen und Fotzen. Mann wertet nicht nur Frauen, sondern zugleich auch noch sich selbst und die eigene Sexualität ab. Da soll also nicht mehr dran sein als „das Rohr durchzupusten“ und „den Abfluss zu reinigen“?

Wozu dann der ganze Aufwand. Was sollen die Flirtkurse bei selbsternannten „Alpha-Männern“, Tinderprofile, Barbesuche, Dates, Beziehungen, Ehen? Wenn es doch sowieso nur darum geht „die Wurst ins Brötchen zu legen“. Letzendlich reden Männer mit diesen Formulierungen nicht über Sex. Sie tun das genaue Gegenteil. Sie beschweigen Lust, Begehren, Zweifel, Neugier, Sehnsucht, Angst, Interesse und Liebe. Sie entwerten, was daran intim, geil oder auch nur nett sein könnte und verfehlen so meilenweit das Thema. Sie ziehen alle Vergleiche nur keine passenden und entscheiden sich für eine sehr unsouveräne, peinliche und unaufgeklärte Version von Männlichkeit.
Schade für alle Beteiligten.

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