Sexismus und Fußball

Am Freitag ist Eröffnungsspiel der Fußballeuropameisterschaft der Männer. Das bedeutet wie bei allen Fußballgroßereignissen spätestens seit dem Sommermärchen 2006 wochenlang Ausnahmezustand. Dieser Zustand beschwört regelmäßig ein kollektives Wir herauf, hinter dem Vernunft und andere Partikularinteressen außer Fußball und Gewinnen verschwinden. Wir wie in Wir sind Weltmeister oder in Wir schaffen das, wir schlagen alle anderen. Aber auch Wir wie in Wir werden über den Tisch gezogen und verarscht. Je näher das Endspiel rückt, umso abenteuerlicher wird die Geschwindigkeit, mit der im Bundestag unliebsame Themen durchgewunken werden. Mehrwertsteuererhöhung, steigende Krankenkassenbeiträge und ein Meldegesetzentwurf, der vorsah, dass die Adressen von Bürger*innen einfach so an Firmen weitergegeben werden können, haben in der Vergangenheit das Parlament passiert, ohne das es jemand so richtig mitbekommen hat. Das Wir ist zu diesem Zeitpunkt eben beschäftigt. Und zwar unter anderem auch damit, nationalistischer und sexistischer als sonst zu sein. Aus Deutschland mit seinen politischen Problemen und Verbindlichkeiten wird für die Dauer des Turnieres Schlaaand. Und aus einer Gesellschaft, die sich zumindest gelegentlich für Emanzipation und Gleichberechtigung interessiert, wird eine mehrtägige sexistische Zote. Biergärten, die Public Viewing anbieten, werben mit seminackten Frauen, die dem männlichen Fußballfan Bier in den Mund schütten Oralverkehr angedeien lassen.

Barhaus Dillinger

Erst punktet Mann beim Sport und dann bei Frauen.

Looking to score Adidas 2014

Wenn das nicht klappt, kann Mann immer noch Computerspiele zocken, bei denen es darum geht, Models in Bikinis Fußbälle auf den Hintern zu schießen, um sich das anschließend in Zeitlupe anzuschauen.

Balls Booty

Oder Mann klickt sich durch die Online-Auftritte der Zeitungen, die landauf, landab auf der Suche nach „heißen Fans und sexy Spielerfrauen“ sind. Überhaupt Spielerfrauen: Zu keinem anderen Zeitpunkt scheint die öffentliche Trophäisierung von Frauen so legitim zu sein. Zu keinem anderen Zeitpunkt wird so deutlich gemacht, was von den Geschlechtern immer noch erwartet wird. Männer sollen Weltmeister werden. Frauen schmückendes Beiwerk sein.

Spielerfrau Ferrero 2014

Sie haben Bildschirme zu verschönern und die Zeit zwischen den Spielen kurzweiliger zu gestalten.

Dieser Sexismus kommt hier und anderswo allerdings auch dann zum Einsatz, wenn Frauen Fußball spielen. Bei einer Frauen-WM wird nicht gefragt, wie erfolgreich, sondern wie sexy sie wird. Bei einer EM lässt das ZDF Fußballerinnen in Waschmaschinen schießen.

Das Hamburger Fußballportal Fanfeed hielt es letztes Jahr zur Frauen-WM für eine gute Idee, ein Quartettspiel auf den Markt zu werfen, das den Sex-Appeal von Spielerinnen mit Penissen bewertet.

fanfeed tweet 2015

Weil ihre Leistungen nicht zählen. Frauenfussball ist ja sowieso nur ein Witz. Von Interesse ist nur, welche Spielerin „das heißeste Gerät“ ist.

fanfeed 2015

Bis heute hielt es Fanfeed nicht für nötig, das zu kommentieren. Warum auch? Diese Ansicht wird von vielen geteilt. Frauen machen ja nicht richtig Sport. Die sind harmlos.

Play 3

Deshalb braucht deren Sportbekleidung im Zweifelsfall auch keine Socken und Shorts.

Und selbst wenn sie sportlich was draufhaben. Stets ist es wichtiger, wie sie dabei aussehen.

Das alles ist so dämlich und eindimensional, dass man sich eigentlich darüber lustig machen sollte.

Aber zugleich sitzen diese Klischees und Abwertungen so tief, dass es nicht reicht, sie lächerlich zu machen. Sie sind ein ernsthaftes Problem, das man dringend angehen muss. Andernfalls wird der DFB sich weiterhin dagegen stemmen, eine Frau in der 1. Bundesliga als Hauptschiedsrichterin pfeifen zu lassen. Andernfalls hat Fußball gerade zu solchen Großveranstaltungen einen faden, sexistischen Beigeschmack.