FLINTA*, LGBTQIA+, TERF, TWERF – immer mehr immer speziellere Abkürzungen, das macht doch Kopfweh!
Für Menschen, die sich nicht regelmäßig und aktiv mit queeren und feministischen Diskussionen beschäftigen, kann das echt verwirrend sein. Und kompliziert wirken. Oder auch übertrieben.
Deshalb sagen viele Menschen irgendwann lieber gar nichts mehr – obwohl sie die Ansichten eigentlich teilen, offen für Argumente sind oder ernst gemeinte Fragen haben. Weil es anstrengend ist, immer auf dem Laufenden zu bleiben. Weil man schnell überfordert und genervt sein kann. Oder weil man Angst bekommt, etwas Falsches zu sagen und dafür auf die Nase zu kriegen.
Lasst uns uns von Veränderungen der Sprache nicht einschüchtern lassen
Denn im Feminismus dieses Jahrtausends geht es um Gerechtigkeit und Inklusivität – also darum, weniger Leute auszugrenzen und sie stattdessen besser abzuholen. Je mehr Menschen sich mit feministischen Themen befassen und je mehr Leute darüber lernen und sich austauschen, desto besser. Und zwar für alle.
Sprache verändert sich ständig. Dadurch zeigt sie an, welche gesellschaftlichen Themen grad in Bewegung sind. Sie ist sozusagen ein Ausdruck von laufenden Diskussionen. Und von Dingen, die im Wandel sind.
Beispiel Gendersternchen
Es gibt hitzige Diskussionen darüber, wie verschiedene Geschlechtsidentitäten in der Sprache abgebildet werden können. Und seit neuestem Verbote. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein werten Sonderzeichen schon als Rechtschreibfehler. Nun hat Bayern ein Verbot in Behörden, Schulen und Hochschulen ausgesprochen, Hessen ist auch am Start.
Geschlechtergerechte Sprache braucht aber nicht immer ein Sternchen. Es ist ohnehin sinnvoll, eine neutrale Form zu wählen, wenn es möglich ist. Zum Beispiel Studierende statt Studenten oder Angestellte statt Mitarbeiter. Manchmal ist das nur nicht möglich – wie zum Beispiel bei dem Wort Journalist. Dann kommen verschiedene Formen zum Einsatz. Einige nutzen einen Unterstrich (Journalist_innen), andere einen Doppelpunkt (Journalist:innen) und wieder andere das besagte Sternchen (Journalist*innen).
Für alle Formen gibt es Pro- und Kontra. Das Gendersternchen bekommt in den Medien besonders viel (negative) Aufmerksamkeit (siehe auch unseren Beitrag “Der Stern des Anstoßes”). Unter anderem, weil es angeblich die Sprache verunstaltet. Einige sagen, es sei reine Gewöhnungssache. Andere sagen, genau das sei ein wichtiger Punkt – darauf aufmerksam zu machen, wie selbstverständlich diverse Geschlechtsidentitäten sonst in der Sprache verschwinden und unsichtbar sind.
Ein Problem bei allen Formen ist aber, dass sie für Menschen mit Sehbehinderungen nicht barrierefrei sind.
Das Stern-Symbol ist weit verbreitet. Es zeigt die Vielfalt der Geschlechter – über Mann und Frau hinaus – am deutlichsten. Und schließt auch nicht-binäre, inter-, trans*- und mehrgeschlechtliche Personen ein. Ein Sternchen wird übrigens auch in der IT genutzt, um beliebige Zeichenketten bei einer Suche zu ermöglichen.
Obwohl es also nicht ideal ist, ist es (nach der neutralen „Studierenden”-Form) die inklusivste Form, geschlechtergerecht zu schreiben. Darum benutzen wir es auch bei PINKSTINKS. Lest dazu auch gern unseren Artikel “Warum wir gendern”.
Weiblich gelesen vs. Frau
Nicht jede Person, die männlich oder weiblich wirkt, IST auch männlich oder weiblich. Trotzdem werden in unserer heteronormativen Gesellschaft mit einem bestimmten Aussehen bestimmte Rollen verknüpft.
Im Patriarchat gibt es die Rolle der Frau und die Rolle des Mannes und nichts dazwischen. Wie jemand von außen wahrgenommen wird, beeinflusst, was diese Person erlebt wie sie von anderen Menschen behandelt und was von ihr erwartet wird. Also, welche Erfahrungen sie macht. Wahrnehmung und Rollenzuschreibung lassen sich nicht trennen.
Das bedeutet: Wenn eine Person weiblich gelesen wird, wird sie wie eine weibliche Person behandelt. Es kann aber sein, dass diese Person zum Beispiel eine nicht-binäre oder männliche Geschlechtsidentität hat. Eine weiblich gelesene Person ist also nicht automatisch eine Frau.
Deshalb ist es wichtig, sprachlich zwischen Mann oder Frau und männlich oder weiblich gelesen zu unterscheiden.
Pronomen
Ein Personalpronomen wird benutzt, wenn über eine Person gesprochen wird, ohne ihren Namen zu benutzen. Im Deutschen ist das er oder sie – also Mann oder Frau. Ein drittes, neutrales Pronomen – wie im Englischen „they“ oder „them“ – gibt es im Deutschen so nicht. Das neutrale “es” bezieht sich auf Dinge, das zählt nicht, es geht um Menschen. Auch hier schließt die Sprache andere Geschlechtsidentitäten aus.
Aber alle Menschen haben das Recht, gesehen, respektiert und korrekt angesprochen zu werden. Das gilt also auch für Personen, die sich nicht eindeutig entweder dem einen oder anderen Geschlecht (oder gar keinem) zugehörig fühlen, außerdem für trans* Personen sowie für alle, die geschlechtsneutral angesprochen werden möchten.
Im Deutschen gibt es bisher kein einheitliches neutrales Pronomen. Allerdings gibt es einige Neo-Pronomen – also Wortschöpfungen wie „sier“, „xier“, oder „nin“. Davon hat sich aber noch keins richtig durchgesetzt. Wie gesagt: Die Sprache ist im Wandel.
Darum: Am besten fragen wir die jeweilige Person, wie sie angesprochen werden möchte. Wertschätzende Offenheit hilft uns allen weiter. Im Zweifelsfall können wir auch einfach den Namen der Person wiederholen, statt ein Pronomen zu nutzen. “Mika hat Bock auf ein Eis. Mika entscheidet sich für Stracciatella.”
Warum sind sprachliche Unterscheidungen wichtig?
Erst, wenn wir für bestimmte Konzepte Worte (er)finden, können wir sie benennen. Und dann darüber diskutieren. Und dann verändern.Außerdem prägt Sprache unser Denken und Handeln. Durch Worte entstehen Bilder und Zusammenhänge im Kopf. Es formen sich Meinungen und Werte. Und die wiederum beeinflussen, was wir tun und wie wir reagieren. Aus dem Kopf ins echte Leben. So schreibt zum Beispiel die Gesellschaft für deutsche Sprache auf ihrer Website: “Es gilt als erwiesen, dass Sprache die Wahrnehmung lenkt, so dass es notwendig ist, sprachliche Gleichberechtigung umzusetzen.” Deshalb ist es eben NICHT egal, was wir sagen und wie wir es sagen. Dinge (richtig) zu benennen, hat konkrete Auswirkungen im Alltag und auf das Leben von Menschen.
Gleichzeitig wird innerhalb des Feminismus viel diskutiert und auch gestritten. Es gibt verschiedene Strömungen, die sich nicht immer einig sind. Außerdem bewegt sich auf dem Gebiet der Geschlechtergerechtigkeit viel. Es werden viele Debatten geführt. Die sind zum Teil ziemlich theoretisch und spezifisch. Darum ist es manchmal schwierig, da mitzuhalten. Das ist okay – und genau das sollten wir uns alle mehr zu Herzen nehmen.
Ein paar hilfreiche Begriffe und sprachliche Unterscheidungen findet ihr in unserem Glossar. Sollte euch ein Begriff fehlen, schreibt uns gern!
Mehr mit(einander)reden
Ja, es ist wichtig, die richtigen Worte zu benutzen. Nur so wird die Gesellschaft offener und grenzt weniger Menschen aus. Und ja, immer wieder darauf hinzuweisen und dabei geduldig, sachlich und freundlich zu bleiben, ist anstrengend und frustrierend.
Aber niemand sollte kritisiert und zum Schweigen gebracht werden, weil er*sie die richtigen Begriffe (noch) nicht kennt. Nicht jede Person hat die Kraft oder Zeit, um immer auf dem Laufenden zu bleiben und bei der theoretischen Diskussion ganz vorn mit dabei zu sein. Neue, sensible Sprache ist gewöhnungsbedürftig und braucht ein bisschen Übung. Menschen machen Fehler, nur so lernen sie.
Nur, weil eine Person sich (noch) nicht 100%-ig mit einem Thema auskennt, ist sie nicht automatisch absichtlich abwertend und diskriminierend. Solange jemand offen und bereit ist, dazuzulernen, sollte er*sie die Möglichkeit dazu bekommen. Und das ist der springende Punkt: die Bereitschaft. Denn natürlich gibt es Leute – vor allem im Internet – die nur provozieren wollen und Hass verbreiten. Die gehören ignoriert, geblockt oder gemeldet.
Aber wenn wir mehr Gleichberechtigung für alle wollen, dann geht es nur mit Geduld. Verlieren wir sie zu schnell, verlieren wir auch wichtige Stimmen und Verbündete. Und das gefällt nur einem: dem Patriarchat.
Erste-Hilfe-Box: besser mitreden
- Höflich und freundlich bleiben!
- Bei Unsicherheiten und Unklarheiten offen nachfragen – „Wie kann ich das besser sagen? Was wäre ein passender Ausdruck dafür?“
- Wenn jemand etwas erklärt: Aufrichtig zuhören und die Erfahrungen einer Person nicht einfach abtun.
- Wenn jemand nachfragt: Gucken, ob’s ernst gemeint ist. Wenn nicht: ignorieren. Wenn ja: geduldig sein.
- Immer die Zeit und Energie anderer Menschen respektieren.
Weiterführende Links und Infos:
- Lexikon der Bundeszentrale für politische Bildung
- Leben als trans* Person in der EU
- Doppelpunkt vs. Sternchen
- Leitlinien der GfdS zu den Möglichkeiten des Genderings
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Ebenso verhält es sich mit Jungen und Männern.
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