Darüber dass Donald Trump in vielen Bereichen eine politische, zivilgesellschaftliche und ethische Katastrophe ist, wurde bereits viel geschrieben. Mit seiner perfekten Synthese aus amoralischem Opportunismus und altem orangem Alphamännchen-Gehabe ist er der Fürsprecher all jener, die finden, „dass jetzt aber mal wirklich Schluss sein muss“ und die „nichts gegen Ausländer haben, aber…“. Donald Trump ist darüber hinaus auch eine religiöse Katastrophe – nur steht das weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Dabei lohnt es sehr, sich das rechtskonservative Religionsverständnis, für das er eintritt, einmal genauer anzuschauen. Und zwar nicht etwa deshalb, weil sich dadurch die Motive seines Handelns und das vieler anderer Menschen besser verstehen ließe. Trump hegt zwar religiöse Überzeugungen, aber inwiefern sie auf einem tatsächlichen Glaubensfundament stehen, ist nicht wirklich auszumachen. Sondern deshalb, weil er Menschen um sich scharrt, die sehr ernsthaft und nachdrücklich das Narrativ bedienen, Homosexuelle, Queers und selbstbestimmte Frauen seien verantwortlich dafür, dass Gott die Welt mit Krankheiten und Naturkatastrophen überzieht.
Natürlich könnten wir in unseren aufgeklärten Blasen einfach darüber lachen. Übrigens ausdrücklich auch in unseren religiös-aufgeklärten Blasen. In den meisten Kirchen, Moscheen und Synagogen haben derlei Überzeugungen keinen Platz. Das würde aber komplett verkennen, wie wirkmächtig solche Theorien sind. Inwiefern Trump diesen selbst anhängt ist unklar. Auch hierin überschattet sein Opportunismus alles andere. Neben Fotos mit der Regenbogenflagge und schwulen Kabinettsmitgliedern
installiert er immer wieder radikale Evangelikale, die die Drecksarbeit für ihn machen. Pastoren, die sich nicht scheuen, Homosexuelle als „Untermenschen“ zu diffamieren und für Erdbeben, Corona und andere Katastrophen verantwortlich zu machen.
Mit Paula White hat er eine Fernsehpredigerin als spirituelle Beraterin und Evangelikalenangel an Board geholt, die „allen satanischen Schwangerschaften befielt, sofort eine Fehlgeburt zu haben“.
Außerdem stellte sie klar, dass ein Nein zu Trump für sie einem Nein zu Gott gleichkommt. Trumps Rechtsberaterin Jenna Ellis, hält die in Deutschland mittlerweile verbotenen „Konversionstherapien“ für eine gute Sache und HIV für Gottes Strafe für schwule Männer.
Auch hier ließe sich wieder sagen: Ja, naja krass, ist halt das evangelikale Amerika, was haben wir damit zu tun? Jede Menge, wenn man sich anschaut, wo überall wer zu wissen glaubt, was angeblich die Schuld von LGBTQIA sein soll. In den USA hat ein evangelikaler Pastor den März zum Bußmonat für die Sünde der Existenz queerer Menschen erklärt – das helfe auch gegen das Corona. In Israel behauptet ein einflußreicher Rabbi, Corona sei die Strafe für „Schwulenparaden“ und die arabischen Staaten wären bislang davon verschont geblieben, weil sie noch nicht verschwult wären. Erst vor wenigen Monaten hat der Erzbischof von Krakau von der „Regenbogen-Seuche“ gesprochen und mit der polnischen Bischofskonferenz einhellig „LGBT-Ideologie“ verurteilt. Und ein deutscher Kurienkardinal verbreitet Lügen über „die Homo-Lobby“ und die „moralische Verwerflichkeit homosexueller Handlungen unter Erwachsenen„.
Warum ist das wichtig? Erstens sind diese Positionen nicht annähernd so randständig und gesellschaftlich geächtet wie wir gerne meinen. Bei all dem Geschrei darüber, dass man angeblich nichts mehr sagen könne, überhören wir zu leicht, was tatsächlich alles so tagtäglich gesagt wird. Siehe die rassistische Berichterstattung über Hanau.
Siehe der Anstieg an homo- und transfeindlichen Gewalttaten bei deutlich gesunkener Aufklärungsquote.
Und zweitens, weil es immer mehr einflußreiche Lautsprecher wie Trump gibt, die aus purer Berechnung damit die träge Mitte beschallen, welche nur allzu bereit ist, sich auf dem bereits Erreichten auszuruhen. Aber dass Hass und Gewalt gegen marginalisierte Minderheiten Alltag ist, geht uns alle an. Wir sind nicht etwa fertig damit, die Rechte von LGBTQIA einzufordern und zu verteidigen. Wir sind jederzeit gefragt. Sich darum zu kümmern, ist nicht bloß das Sahnehäubchen des zivilgesellschaftlichen Engagements, es muss das Fundament sein. Religion dafür zu missbrauchen, um sie gegen Menschen zu richten, sollte für niemanden hinnehmbar sein.
Es geht also nicht bloß um die mit einem kruden Religionsverständnis begründete Menschenfeindlichkeit Einzelner. Sondern auch um das, was Roger Willemsen einmal „unsere merkwürdig somnambule Art, Formen des Unrechts zu tolerieren“ genannt hat. Es ist Unrecht, LGBTQIA Rechte vorzuenthalten und zu Sündenböcke für alle möglichen Katastrophen zu machen. Nennen wir die Dinge beim Namen und handeln wir entsprechend.
Kommentare zu diesem Text könnt ihr uns in unseren sozialen Netzwerken hinterlassen und dort mit insgesamt 110.000 Menschen teilen!