Tamponneid

Meine Güte, was war das zwischen den Jahren für eine Aufregung. Alles begann damit, dass das schottische Parlament einstimmig ein Gesetz verabschiedete, mit dem Mentruierenden in öffentlichen Räumen Hygieneprodukte kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Binden und Tampons sollen zukünftig unter anderem in Gemeindezentren, Jugendclubs und Apotheken ausliegen. In Schulen und Universitäten tun sie das bereits seit 2018. Damit setzt sich Schottland wieder einmal an die Spitze der Debatte darüber, ob und wenn ja wieviel Betroffene für Menstruationsprodukte bezahlen sollten. Zur Erinnerung: Erst seit 2020 werden Tampons, Binden und Menstruationstassen in Deutschland nicht mehr wie Luxusgegenstände mit 19% besteuert, sondern mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7% für Dinge des täglichen Bedarfs belegt. Angesichts der Tatsache, dass jede menstruierende Person die entsprechenden Produkte zusammengerechnet durchschnittlich 6½ Jahre am Stück benötigt, sollte die Argumentationsgrundlage dafür klar sein. Trotzdem bedurfte es der unermüdlichen Arbeit von Aktivist*innen, um die Bundesregierung zum Einlenken zu bewegen. Das hat zum einen damit zu tun, dass Staaten ungerne auf bereits bestehende Einnahmequellen verzichten und häufig den Eindruck haben, dass man es mit Frauen und Menschen mit Gebärmutter ja machen kann (siehe Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Altersarmut etc.). Zum anderen liegt es daran, dass das Thema nach wie vor stark tabuisiert und als eklig markiert wird. Menstruierende fühlen sich zu selten frei, ihre Periode zu thematisieren. Nichtmenstruierende dagegen fühlen sich zu häufig dazu berufen, die Debatte mit ihren absurden Ansichten zu torpedieren, indem sie beispielsweise – selbst wenn sie das schottische Vorgehen befürworten – die grafische Darstellung eines Tampons als „obszön“ bezeichnen, weil sie „Körperflüssigkeiten impliziert“ und ihre „Krümmung suggestiv ist“ .

https://twitter.com/adamgarriereal/status/1345135251190935552?ref_src=twsrc%5Etfw

Genau deshalb bemühen wir uns mit unserer „Schule gegen Sexismus“, das Thema Menstruation zu enttabuisieren.

Aber das Geld spielt eben auch eine Rolle. Nicht nur weil die Hersteller die steuerliche Differenz einfach wieder draufgeschlagen haben. Sondern weil es immer noch ziemlich viele Menschen gibt, die die finanzielle Mehrbelastung für Menstruierende entweder unerheblich finden …

… oder so erheblich, dass sie auch was haben wollen – wenn Tampons und Co. gratis werden sollten.

Womit wir beim Tamponneid wären, der einige im Zuge der Entscheidung des schottischen Parlaments befallen zu haben scheint. Hauptsächlich junge Männer, die es sehr, sehr furchtbar finden, wenn Frauen etwas kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Dazu ein paar Anmerkungen:

1.
Ernsthaft?

2.
Die bringen dann aber schon auch ihr eigenes Wasser und ihr Toilettenpapier mit, wenn sie sich in öffentlichen Räumen um Körperfunktionen kümmern müssen, für die sie nichts können, oder?

3.

4.
ERNSTHAFT!!?

5.

Und wieso glauben die eigentlich, mit Verweis auf andere Produkte, „die ja dann auch kostenlos zur Verfügung stehen sollten“, irgendeinen Punkt machen zu können? Das hat nämlich einerseits nichts mit dem Thema zu tun und ist andererseits oft weder falsch noch überzogen. Wenn man sich die im Brustton der Entrüstung vorgetragene „Warum sind dann x und y nicht auch kostenlos“ einmal genauer anschaut, stellt man fest, dass das eigentlich eine gute Frage ist: Warum eigentlich? Warum zahlen Krankenkassen zwar bis zu einem gewissen Alter für die Pille, aber nicht für Kondome oder Vasektomie und Sterilisation als Teil der Familienplanung. Warum ist Notdurft in der Öffentlichkeit kostenpflichtig? Warum bezahlen wir für Tickets der deutschen Bahn, wenn das ein komplett staatseigenes Unternehmen ist?
Die Forderung nach kostenfreien Menstruationsprodukten in öffentlichen Räumen ist im besten Sinne unverschämt und sollte noch viel unverschämter vorgetragen werden. Denn die tatsächliche Unverschämtheit ist, dass wir immer noch darüber diskutieren müssen.

Bild: Pinkstinks Germany e.V.

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