Texas zahlt für Frauenjagd

Hinweis: Der Text wurde ursprünglich am 06. September 2021 veröffentlicht.

TW: Schwangerschaftsabbruch

Die Saat, die Donald Trump während seiner Präsidentschaft gesät hat, geht auf: Der US-Bundesstaat Texas hat zum 1. September das sogenannte Herzschlag-Gesetz verabschiedet: Es verbietet Betroffenen einen Schwangerschaftsabbruch ab der sechsten Woche – auch bei Schwangerschaften, die das Ergebnis einer Vergewaltigung sind. Faktisch ist damit das aktuell restriktivste Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen in den Vereinigten Staaten geschaffen worden. Seit Jahren lobbyieren rechtskonservative Verbände für dieses Gesetz, um das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und den freien Zugang zu Abbrüchen, wie er sich aus der Roe versus Wade Grundsatzentscheidung des Supreme Court aus dem Jahr 1973 ergibt, zurückzudrehen. Schwangerschaftsabbrüche wurden dem Recht auf Privatsphäre zugeordnet, in die sich der Staat nicht einzumischen hatte. Aber damals war die Besetzung des Obersten Gerichtshof auch noch eine ganz andere. Mittlerweile hat sich die Zusammensetzung auf Betreiben Donald Trumps und der Republikaner deutlich zugunsten derjenigen verschoben, die Roe versus Wade und die Reproduktionsrechte von Betroffenen lieber heute als morgen brennen sehen wollen. Dazu reicht es auch wie in diesem Fall, das texanische Gesetz einfach durchgehen zu lassen. Man muss sich klarmachen, was das bedeutet: Die sechs Wochen Frist bedeutet nichts anderes als dass die Mehrheit der Schwangeren nichts von der Schwangerschaft weiß. Und diejenigen, die es wissen, haben maximal zwei Wochen Zeit, um einen Abbruch zu organisieren.
Und als wäre das noch nicht genug hat der Staat Texas mit dieser Regelung dafür gesorgt, dass Privatpersonen zivilrechtlich gegen Abbruchwillige und Helfende vorgehen können. 10.000 Dollar winken der Person, die Mitarbeitende in Gesundheitswesen, Fahrer*innen oder diejenigen erfolgreich verklagt, die Betroffene finanziell unterstützen.

Und das vor dem Hintergrund der Katastrophe, dass die Trump-Administration der Organisation Planned Parenthood die Gelder streichen ließ und sich vor ihren Kliniken gewalttätige Mobs versammeln. Und als wäre das noch nicht genug, hat der Staat Texas mit dieser Regelung dafür gesorgt, dass Privatpersonen zivilrechtlich gegen Abbruchwillige und Helfende vorgehen können. 10.000 Dollar winken der Person, die Mitarbeitende im Gesundheitswesen, Fahrer*innen oder diejenigen erfolgreich verklagt, die Betroffene finanziell unterstützen. Zum Beispiel die Eltern einer schwangeren Person, die den Abbruch bezahlen. Noch wehrt sich die Zivilgesellschaft. In den sozialen Netzwerken organisiert sich Protest, der die „Kopfgeld gegen Denunziation“ Webseite mit Memes und falschen Anzeigen flutet.

Planned Parenthood hat vor Gericht eine momentane einstweilige Verfügung zur Aussetzung des Gesetzes erwirken können – mit dem Hinweis darauf, dass 85 bis 90 Prozent aller vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche stattfinden. Und mit dem Fahrdienstvermittler Lyft hat sich der erste Großkonzern offen gegen das Gesetz und insbesondere gegen die Kopfgeldregelung gestellt: Das Unternehmen kündigte an, allen Fahrer*innen die Kosten zu erstatten, sollten sie im Zuge dieses unsäglichen Gesetzes verklagt werden.

Präsident Biden spricht davon, gegen die Entscheidung aus Texas und die Untätigkeit des Supreme Court vorzugehen. Faktisch sind ihm jedoch die Hände gebunden, weil Richter*innen auf Lebenszeit an den obersten Gerichtshof berufen werden und Trump einen Shift in Richtung des erzkonservativen Lagers vorgenommen hat. Für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, Reproduktionsrechte und Tausende von Betroffenen ist das nichts weniger als eine Katastrophe: Der Bundesstaat, der es sich nicht hat nehmen lassen, am selben Tag ein Gesetz zu erlassen, dass allen nicht vorbestraften Menschen über 21 Jahren den Besitz von Handfeuerwaffen ohne Waffenschein oder auch nur einem Training erlaubt, zeigt an, wohin es gehen wird, wenn sich nicht alle progressiven Kräfte vereint dagegen stemmen. Der Bundesstaat, der bis heute über ein Gesetz verfügt, das den Besitz von mehr als sechs Sextoys verbietet, weil es sich dabei um „obszöne Gerätschaften“ handelt, gibt die Richtung vor.

Wie ist das in Deutschland und Europa?

Wenn wir sagen alle progressiven Kräfte, dann meinen wir das auch so. Wir brauchen uns gar nicht einzureden, dass uns hier in Deutschland keine Gesetzesverschärfungen hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüchen drohen und es hier für Betroffene leicht wäre: Schwangerschaftsabbrüche gelten immer noch als Straftat. Die Unterversorgung aufgrund der mangelhaften Ausbildung im Studium sorgt dafür, dass wieder vermehrt Schwangere aus Deutschland Abbrüche in Holland vornehmen lassen.

https://twitter.com/teresabuecker/status/1433899146306543618

Die Zahl der Praxen und Kliniken, die Abbrüche vornehmen, hat sich seit 2003 fast halbiert. Und mit Malta, Polen und Ungarn …

… haben wir EU-Mitgliedstaaten mit derartig restriktiver Gesetzeslage, dass die Situation für Betroffene nicht zuletzt aufgrund der Pandemie immer dramatischer wird. Wir mögen alle miteinander nicht glauben wollen, dass wir immer noch gegen diesen Mist protestieren müssen. Aber es nicht zu tun, ist keine Option. Wenn wir nicht gegen diejenigen aufstehen, die Schwangeren das Recht auf Selbstbestimmung nehmen und sie zu Gebärmaschinen degradieren, indem sie Uteri zum Allgemeingut erklären, dann wird genau das (wieder) Realität. Dann haben wir nicht in irgendeiner unbedeutenden politischen Auseinandersetzung ein bisschen, sondern in einer entscheidenden Frage um unsere Rechte alles verloren.


Wenn du weitere Argumente für Gespräche zum Thema Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Reproduktionsrechten brauchst, dann können wir diesen Text von Nils Pickert empfehlen:


Du bist schwanger und weißt nicht, was du tun sollst?

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Bildquelle: Marco Mackenzie/Thomas Adam/Unsplash, Collage: Pinkstinks