Tote Mädchen können nicht „NEIN!“ sagen

So ist das bei Pinkstinks: Da feiert man in Berlin eine fantastische Party, kommt noch ganz beseelt von einem Abend mit tollen Menschen, großartigen Künstlerinnen und viel Aktivismus nach Hause, checkt die sozialen Medien und ZACK! … starrt einem so etwas entgegen.

Nee, oder?! Am liebsten würden wir so ein T-Shirt haben, um laut brüllend darauf herumzutrampeln und sofort irgendwen dafür verantwortlich machen. Aber so arbeiten wir nicht. Stattdessen werfen wir die Recherchemaschine an. Das ist gut für unsere Blogtexte und zum Schärfen unserer Argumente, aber oft schädlich für die Seelenhygiene. Denn wir wollen nicht wirklich wissen, dass Dead Girls Can’t Say No eine gebräuchliche Referenz ist, die auf eine systematische Rape Culture verweist, in der Frauen und Mädchen möglichst willenlos sein sollen, damit Mann sich an ihnen vergehen kann. Wir können solche Sachen aber auch nicht einfach achselzuckend liegen lassen und „Macht ja nix“ murmeln. Es macht etwas. Mit uns allen. Daher an dieser Stelle für folgende Inhalte eine klare Triggerwarnung für sexualisierte Gewalt und Rape Culture (normalerweise fungieren bei uns schon die Blogtitel als solche).

Triggerwarnung

Die ganze Geschichte fängt mit der Künstlerin Bei Badgirl an, die im Internet entdeckt, dass die polnische Modefirma Sugarpills eines ihrer Motive plagiiert hat, um es auf die eigene Kleidung zu drucken.

https://twitter.com/beibadgirl/status/697259305423151104

Im Zuge ihrer Nachforschungen entdeckt sie ihr Motiv zusätzlich bei dem US-amerikanischen Modelabel Dollskill und wird in den Online-Shops beider Firmen auf den Dead Girls Can’t Say No Slogan aufmerksam und benennt ihn als das, was er ist.

https://twitter.com/beibadgirl/status/697362583314108416

Sie erreicht, dass die T-Shirts aus den Shops genommen werden. Eine Entschudigung oder gar Entschädigung halten beide Firmen allerdings nicht für angebracht. Während Sugarpills die Verantwortung auf andere abschiebt und sich beeilt zu versichern, ihnen würde nicht im Traum einfallen, Rape Culture zu promoten, zieht Dollskill es vor, sich überhaupt nicht zu äußern.

Tatsächlich fängt die Geschichte aber gar nicht dort an sondern viel früher. Zum Beispiel bei der Tatsache, dass es viel mehr Hersteller gibt, die diesen Claim für sich entdeckt haben.

dead-girls-cant-say-no-346x410

Bei Liedern wie denen der 80iger Jahre Thrash Metal Band Indestroy, in denen es darum geht, Sex mit einem toten Mädchen zu haben, weil sie sich nicht beschwert, alles mit sich machen lässt und Mann sich sowieso nicht wegen ihres Gehirns für sie interessiert.

Bei der verfremdeten Kussszene von Disneys Schneewittchen, über die sich Nutzer unter dem Schlagwort „Guten Morgen, Schlampe“ köstlich amüsieren.

Guten Morgen, Schlampe

Und sie fängt bei jedem einzelnen dieser unsäglichen „Es ist keine Vergewaltigung, wenn…“ Sprüche an.

Es ist keine Vergewaltigung, wenn wir beide schreien.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn du vorher Überraschung! rufst.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn du sie dazu kriegst, dass sie es eigentlich mag.
Es ist keine Vergewaltigung wenn man befreundet oder verheiratet ist.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie betrunken ist.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie nicht NEIN! sagt.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie zwar NEIN! sagt sich aber nicht wehrt.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie stumm ist oder du taub.
Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie schläft, bewusstlos oder tot ist.

Doch, ist es. Diese Vergewaltigungswitze sind nicht lustig. Sie sind auch keine Ermächtigungsstrategie von Betroffenen. Sie sind der widerliche, absichtsvolle oder gedankenlose Versuch, ein Verbrechen zu verharmlosen, zu rechtfertigen und gesellschaftsfähig zu machen. Studien zeigen, dass noch mehr Männer Frauen vergewaltigen würden, wenn sie wüssten, dass es niemand herausfindet und sie keine Konsequenzen zu befürchten hätten. Sie zeigen auch, dass Männer häufiger bereit sind, dies in Befragungen zuzugeben, wenn es nicht explizit „Vergewaltigung“ genannt wird sondern beispielsweise „erzwungener Sex mit Gewaltandrohung“.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir davon wegkommen, in Wort und Bild ständig den Willen von Frauen als unwichtig zu markieren, um stattdessen einen Fremdwillen  über sie als bedeutend zu installieren. Dieses „Eigentlich meinen Frauen Ja, wenn sie NEIN! sagen“. Das „Sie wollen es doch auch“.  Denn die Frage, was es über Gesellschaften aussagt, wenn für sie Sex mit einer Tasse Tee verglichen werden muss, damit verständlich wird, was längst offensichtlich und unmissverständlich sein sollte,  lässt sich eindeutig beantworten:

Nichts Gutes.