Traditionell Unterwürfig

Der britische Premierminister David Cameron hat einen Wunsch: Er will verhindern, dass sich junge Männer muslimischen Glaubens in seinem Land radikalisieren und möchte zu diesem Zweck, dass deren Mütter mehr Englisch lernen, um gesellschaftlich stärker zu partizipieren und ihre Söhne zu moderaten Individuen zu erziehen.
Die Verführbarkeit eben dieser Männer liegt laut Cameron auch darin begründet, dass ihre Mütter aufgrund „traditioneller Unterwürfigkeit“ radikalen Imamen nicht widersprechen.

Cameron tut damit, was überall in Europa gerade hoch im Kurs steht – Forderungen aufstellen: Obergrenzen, Hotspots für Flüchtlinge, Einreiseverbote, Sicherung der EU-Grenzen. Mit aktionistischen „harten Maßnahmen“ meinen viele Politiker*innen gerade punkten zu können und beeilen sich, genau das zu tun. Es stimmt natürlich, dass Lösungen gefunden werden müssen. Es stimmt aber auch, dass die Zahl der Geflüchteten auf Lampedusa seit über einem Jahrzehnt stetig steigt. Als die Welt 2006 „zu Gast bei Freunden war“, haben anderswo ca. 6000 Menschen ihr Leben verloren. Europa hätte also gute Gründe gehabt, sich auf die Krise 2015 vorzubereiten. Und weil das nicht geschehen ist, soll nun umso mehr passieren. Findet zum Beispiel David Cameron. Skizziert dabei gedanklich eine rassistische Skizze DER muslimischen Mutter, um sich als beinharter Macher zu inszenieren – und hat dabei weder mit realen muslimischen Frauen noch mit dem Internet gerechnet. Unter dem Hastag #traditionallysubmissive werden dort Gegenentwürfe zu dem eindimensionalen Bild gezeigt, das Cameron hat.

https://twitter.com/RuwaydaMustafah/status/691337285145620481

Auch Männer haben dazu etwas zu sagen.

https://twitter.com/ghashmarii/status/691393934598217729

Wie viele andere erliegt David Cameron der Versuchung, die drängenden Probleme der Gegenwart mit Holzschnitten und Schablonen anzugehen, weil er glaubt, dass es dann schneller und effektiver wird. Das Gegenteil ist der Fall. Er trägt nicht nur zur Missrepresentation muslimischer Frauen bei und befeuert damit Vorurteile und Fremdenhass, sondern desavouiert so politische Werkzeuge, deren Anwendung durchaus erforderlich ist. Sprachkurse und niedrigschwellige Partizipation sind wichtig, wenn es darum geht, Integration zu realisieren. Aber wer möchte schon dabei mitmachen wenn die Ansage nicht „Damit wir einander besser verstehen und friedlich zusammenleben!“ lautet, sondern „Damit nicht jede von euch so rückständig bleibt und islamistischen Terroristen erzieht!“

Er hätte ja zum Beispiel auch sagen können, dass Integrationsbemühungen hinsichtlich Sprachkurse und Partizipationsmöglichkeiten jetzt intensiviert werden sollten, damit noch mehr muslimische Frauen die Gesellschaft mit ihrem Input bereichern.

Er hätte auf Sayeeda Hussain Warsi hinweisen sollen, die die erste muslimische Ministerin Großbritanniens war. Und vielleicht wäre es sogar an der Zeit gewesen, laut darüber nachzudenken, dass mittels gelungene Integration in naher Zukunft eine muslimische Britin in Number 10 Downing Street die Geschicke des Landes lenken könnte.

Was wäre das für eine machtvolle Vision gewesen.

Nils Pickert