True Fruits – klarer Fall von Sexismus?

 

Bei uns hagelt es gerade Presseanfragen zum neuen Aufreger der Werbeszene: True Fruits hat es geschafft, sich mit Frechheit und grenzwertigen Slogans in alle Munde zu bringen. Aber genau das ist die Saftwerbung auch nur – grenzwertig. Nicht diskriminierend oder sexistisch.

Samenspender

Ehrlich gesagt hatten auch wir nicht sofort eine einstimmige Meinung dazu. Wozu wir sofort eine klare Meinung hatten, war, dass nur einer der Slogans bedenkenswert sei:

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Nachdem uns der Vater eines 12-jährigen Mädchens geschrieben hätte, sie hätte beim Anblick der Werbung entmutigt erklärt, dass Mädchen halt immer „schlucken“ müssten, waren wir unsicher. Dr. Berit Völzmann jedoch, unsere juristische Expertin, deren Doktorarbeit zum Deutschen Werberat und einer möglichen Gesetzesnorm gegen Sexismus in der Werbung die Basis unserer Lobbyarbeit bildet, klärte uns auf:

„Man liest aus der Werbung nicht heraus, dass unbedingt Mädchen schlucken müssen. Es könnten genauso gut Männer sein, die den Samen genießen sollen. Im Ganzen ist die Werbung nicht diskriminierend. Ich sehe keine Über- / Unterordnung, keine Stereotypisierung, keine sexuelle Verfügbarkeit von Frauen. Ob und warum man sie trotzdem untersagen sollte, sehe ich ehrlich gesagt nicht. Es geht – jedenfalls beim Verbot diskriminierender Werbung – ja gerade nicht grundsätzlich um das Verbot von Anzüglichkeit. Natürlich kann man sich überlegen, ob man das möchte (Anzüglichkeiten verbieten). Aber wenn Sexualität nicht in diskriminierender Form thematisiert wird sehe ich grundsätzlich kein Problem. Denn damit würde man ja die Meinungs- oder Berufsfreiheit der Werbenden grundlos einschränken, ohne sie gegen Art. 3, Satz 2 des Grundgesetzes (Gleichstellungsgebot) abzuwägen. Und dem Vorgehen gegen (tatsächlich) diskriminierende Werbung tut es mit Sicherheit nicht gut.“

Wir mussten uns den „Oralverzehr“-Slogan auch noch ein paar Mal durchlesen, um unsere erhitzten Köpfe zu beruhigen. Dies war wahrscheinlich das erste Mal, dass Berits Expertise nicht einfach unsere erste Meinung bestätigte. Aber da die Werbung nicht ausdrücklich nur Frauen anspricht, hat sie natürlich Recht. Und auch bei uns gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Nur, weil unser Wissen um Gewalt an und Nötigung von Frauen eine Lesart begünstigt, heißt es nicht, dass diese Lesart von der Werbung intendiert ist. Im günstigsten Fall könnte man der Werbung gut schreiben, dass sie allen Geschlechtern zuspricht, gerne Sperma zu kosten.

Während wir uns Raum nahmen, abzuwägen, wurde der Werberat nervös. In einer Zeit, in der eine Gesetzesnorm gegen Sexismus in der Werbung diskutiert wird, die den Werberat ersetzen könnte, muss gezeigt werden, dass man tätig wird. Drei Briefe erhielt True Fruits in kürzester Zeit vom Werberat, die jedoch machten sich (berechtigterweise) lautstark und Publikumswirksam über den Inhalt lustig. Der Werberat wolle ihnen mitteilen, dass sich Männer beschwert hätten, sich vom Slogan „Bei Samenstau schütteln“ diskriminiert zu fühlen. Really?

Wir mögen True Fruits nicht besonders. Spätestens seit ihrer „Blindverkostung“ sind sie von unserer Einkaufsliste gestrichen. Mit Erotik als solches zu werben sollte jedoch nicht verboten werden – in so einem Land wollen auch wir nicht leben.

Interessanterweise pöbelte sogar Horizont.net, das Sprachrohr der Werber*innenszene Deutschlands, dass sichTrue Fruits mit der Kampagne keinen Gefallen tue. Die Zielgruppe „Smoothie-Trinkerin“ habe die Werbung komplett verfehlt. Auch, wenn der Autor vielleicht Recht hat, würde ich vorrangig vermuten, dass sich True Fruits die Wut der GWA (Deutschlands führende Werbeagenturen) eingespielt hat, die gerade in diesen Monaten hoffen, dass sich Kampagnen, die sich die großen Billboards leisten können, gefälligst benehmen. Denn so kann man Heiko Maas von seinem Vorhaben, sexistische Werbung gesetzlich regeln zu wollen, vielleicht noch abbringen. Nur ist True Fruits eine In-House-Kampagne, d.h. außerhalb der Lobbykiste der Werbeagenturen entstanden. Und zeigt, dass die Werber*innenlobby so mächtig dann doch nicht sein kann. Doch irgendwie erfrischend.

Stevie und Team