Über Lady Gaga kann man streiten.

Dieses Bild ging Ende September um die Welt. Noch vor einigen Monaten diskutierte ich mit Studierenden in einem Seminar „Gender, Populärkultur und Essstörungen“ darüber, ob Lady Gaga wirklich rebellisch sei. Ich argumentierte, ihre Tanz-Choreographien seien von den Pussycat Dolls nicht zu unterscheiden, und trotz Fleischkleid verkörpere sie das gängige Schönheitsdiktat. Jetzt wurde ich eines besseren belehrt: Lady Gaga lässt die Hosen runter. Dann so fühlt es sich sicherlich für einen Welt-Star an, wenn er sich unvorteilhaft fotografieren lässt und verkündet, seit der Pupertät an Essstörungen zu leiden. Die Medien hatten sie wegen einer Gewichtszunahme solange drangsaliert, bis ihr der Kragen geplatzt war. Ihre Kollegin Christina Aguilera, auch um ein paar Pfund schwerer geworden, unterstützt Lady Gaga in ihrer Kampagne „Born this Way“, in der die Sängerin ihre Fans auffordert, ihre eigenen Geschichten und Bilder auf ihrer Fanseite zu posten. Die Zeit lästerte, was denn nun an diesem Bild so dramatisch sei – sie habe noch immer einen perfekten Körper. Sicherlich. Und trotzdem ist es ein Signal, wenn nicht irgend ein kleiner Popstar, sondern die Queen des Twitter persönlich verkündet, dass sie die Diktatur der Medien satt hat. Und ohne dieses Aufbegehren und ihre Aktion hätte ich nie dieses Video gesehen, das mich sehr berührt hat. Eine Wahnsinns-Performance, ein Wahnsinns-Gedicht, das die tägliche Hölle der Bulimiekranken – deren Dunkelziffer, so Anybody Deutschland, nicht greifbar ist – begreifbar macht.