Über Fuckability und andere fesselnde Umfragewerte

Martin Schulz, Robert Habeck, Markus Söder oder doch eher Christian Lindner – landauf, landab beschäftigt sich die Nation mit der Frage nach dem erotischsten Politiker Deutschlands. Eine Umfrage jagt die nächste und …

Ja gut, bei der letzten war Karl-Theodor zu Guttenberg noch Wirtschaftsminister, und pressemäßig ist nicht viel passiert, aber immerhin: Soll keine*r sagen, dass Männer nicht auch objektifiziert und sexualisiert werden. Allerdings bei weitem nicht so wie Frauen. Die entsprechende Umfrage dazu machte letzte Woche die Runde. Eine Meinungsforschungsplattform hatte Männer im Auftrag des Playboy befragt, welche Politikerin wohl die erotischste sei. Die Gewinnerin werde durch diesen Titel sehr geehrt, befand die Presse von Bunte bis Focus, freute sich auf lokaler Ebene darüber, dass eine heimische Abgeordnete es unter die Top 10 geschafft hat, oder nutzte gleich die Gelegenheit, einfach mal zusammenhangslos Angela Merkel und ihr Dekolleté abzubilden. Das Übliche eben. Üblich, weil dies selbstverständlich nicht die erste Umfrage dieser Art ist. Und es werden auch nicht nur Politikerinnen auf Attraktivität und Sex-Appeal hin überprüft. Tatsächlich kann als Faustformel gelten: Praktisch jede und im Prinzip dauernd. Gesellschaftlich scheint man sich darauf verständigt zu haben, Frauen in allen nur denkbaren Zusammenhängen und Möglichkeiten zu bewerten. Helene Fischer ist beispielsweise „Deutschlands heißeste und nervigste Sängerin zugleich„. Ein Drittel der Männer findet Frauen mit Brillen „klug und sexy“. Maria Furtwängler ist die heißeste Tatort-Ermittlerin. Sexy Sportlerinnen oder sexy Sport-Moderatorin? Egal, Hauptsache sexy. Und was könnte sonst noch so erfragt werden? Ach ja, genau:

Frauen haben gefällig zu sein. Sie haben ein geschmackvoll angerichtetes Buffet zu sein, an dem Mann sich erfreut und gerne zugreift. Und nicht mit selbstbewusster Figurbetonung die Sehgewohnheiten armer BILD Leser zu irritieren.

Mariah Carey hat gefälligst Fleischeslust wecken zu wollen. Und zwar auf eine dem BILD Leser genehme Art und Weise.

Was bildet die sich eigentlich ein? Wurde die nicht darüber informiert, dass sie aussortiert wird, wenn sie nicht fickbar bleibt? Dass sie versagt hat, wenn es ihr nicht gelingt, ihre Fuckability Spanne zu verlängern?

Für die bestehenden Herrschaftsverhältnisse scheint kaum etwas gefährlicher zu sein als eine Frau, die sich von Attraktivitätsdiktaten und Sexinessanforderungen nicht beunruhigen und fesseln lässt.
Die man nicht an ihrer körperlichen Erscheinung und angeblicher psychischer Verfasstheit leidend machen kann, damit sie die vielen tollen Produkte erwirbt, die doch so dringend verkauft werden sollen.
Die sich nicht stets für jedermann verfügbar halten muss.

Mir würde eine Gesellschaft jenseits dieser misogynen Herrschaftsverhältnisse ziemlich gut gefallen. Ich frage mich, wie vielen wohl noch. Vielleicht starte ich ja bei Gelegenheit mal eine Umfrage.