Unter den scheinbar endlosen Varianten, übergriffig in die Intimsphäre von Frauen einzudringen und sich ihre Körper (bzw. Teile ihres Körpers) ungefragt und gegen ihren Willen anzueignen, ist Upskirting eine besonders perfide Strategie. Dabei geht es darum, Frauen zumeist unbemerkt mit Handys, Kameras oder Fotoapparaten unter ihren Rock zu fotografieren oder zu filmen, um an Aufnahmen von ihrem nur durch eine Unterhose verdeckten Genitalbereich zu gelangen. Perfide deshalb, weil immer hochentwickeltere, mobilere Geräte für eine breite Masse verfügbar sind und Frauen, sobald sie entsprechend kurze Röcke tragen, nirgendwo vor derlei Übergriffen geschützt sind. Gerade in größeren Menschenmengen ist es schwierig bis unmöglich, ständig darauf zu achten, ob sich jemand von hinten mit einem Handy in der Hand annähert. Das heißt, dass Upskirting Frauen in öffentlichen Räumen nicht nur unmittelbar und nicht einvernehmlich zum Sexobjekt degradiert, sondern ihnen darüber hinaus den Eindruck vermittelt, dass sie zum einen in der Öffentlichkeit nicht sicher sind, und zum anderen womöglich irgendwie auch noch selbst daran Schuld. Wenn ein Lehrer einer Schülerin, die sich darüber beschwert, dass ihr ein Mitschüler unter den Rock filmt, dazu rät, sich doch einfach eine Hose anzuziehen, dann ist das nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.
Perfide aber auch deshalb, weil das Ausmaß dieses Übergriffs nach wie vor kleingeredet und geradezu lächerlich gemacht wird. Das fängt bei dem eher harmlosen Begriff an, der eigentlich eine Form der sexuellen Belästigung darstellt und dementsprechend auch so genannt werden sollte, und reicht über die Verharmlosung, die durch ein obskures Aufrechnen gegen andere Übergriffigkeiten erreicht wird („Immerhin hat er dich nicht beleidigt/bedroht/angefasst/vergewaltigt“), bis hin zum Umstand, dass Upskirting bis auf den heutigen Tag in Deutschland strafrechtlich nicht relevant ist.
Andere Länder sind da schon weiter. In Großbritannien, Frankreich und Belgien ist Upskirting im Zuge des Drucks, den Aktivist*innen zivilgesellschaftlich aufgebaut haben, mittlerweile strafbewehrt und verboten.
Und auch in Deutschland tut sich was: Letztes Jahr haben die Aktivistinnen Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel mit einer Petition über 100.000 Unterstützer*innen hinter sich versammelt, die mit ihnen der Meinung sind, dass es so nicht weitergehen darf.
Dabei leisteten sie unermüdlich Aufklärungsarbeit um zu verdeutlichen, dass das eben kein „Kavaliersdelikt“ ist oder ein vernachlässigbares Problem mit dem Frauen sich eben abzufinden hätten. Immer wieder gingen die beiden in die Presse, um auf das Problem aufmerksam zu machen und zu verdeutlichen, was das bei Betroffenen auslöst und wieso das verboten gehört:
„Ich wurde zweimal Opfer von Upskirting: Einmal mit 13 auf einer Klassenfahrt, wo ein Lehrer einer anderen Schule Mädchen unter die Röcke gefilmt hat. Und einmal auf einem Festival mit 16 – da hat mich eine Freundin darauf aufmerksam gemacht, dass mir ein Mann gerade eine Kamera zwischen die Beine hält. Ich bin zur Polizei gegangen, aber die hat sich dafür nicht wirklich interessiert.“
Im November 2019 wurde vom Bundeskabinett ein Gesetzesentwurf eingebracht, der sowohl Upskirting als auch das weniger bekannte Downblousing (also das Fotografieren in den Ausschnitt) unter Strafe stellt. 2020 soll das Gesetz den Bundestag passieren. Wie wichtig ein solches Gesetz ist, zeigt auch ein Blick in unsere Werbemelder*in: Es gibt tatsächlich Firmen, die für Minikameras werben, indem sie explizit auf eine Verwendungsmöglichkeit für Upskirting hinweisen.
Und auch die Omnipräsenz des Problems sollte nicht unterschätzt werden.
Frauen „bilden sich das nicht ein“. Wenn Sicherheitsleute im Backstage-Bereich eines Clubs wissen, dass sie auf Frauentoiletten in den Kloschüsseln nach Minikameras suchen müssen, dann zeigt das, nicht nur wie überfällig ein solches Gesetz ist, sondern auch wie überflüssig und sogar schädlich das Aufwiegen und gegeneinander Ausspielen von Formen der sexuellen Belästigung und der sexualisierten Gewalt sind. Die sind nämlich immer und überall ein Problem und sollten entsprechend behandelt, geächtet und strafbewehrt werden.
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