…Vater sein dagegen sehr!

 

Der neue Mann wurde ja schon vor geraumer Zeit ausgerufen. Er wurde herbeigesehnt, gefeiert, ignoriert und ausgelacht. Als die Schulter zum Anlehnen, fairer Partner, belanglose Modeerscheinung oder Schmerzensmann. Vom jetzigen Zeitpunkt aus betrachtet wirken diese Debatten allerdings wie ein (feuilletonistisches) Vorspiel zu dem, was aktuell in immer mehr Büchern und Artikeln sowie auf immer größeren Bühnen vor wachsendem Publikum verhandelt wird. Männer als Väter. Männer in familiärer Verantwortung. Männer als Profiteure eines patriarchalen Systems, das ihnen immer noch ein Schlupfloch anbietet, um sich davonzumachen, obwohl man doch glaubte, alle zugeschüttet zu haben. Männer, die sich nur allzu gern dafür loben lassen, dass sie „immerhin mehr machen als andere Väter“. Männer, die alles dafür tun würden, mehr Verantwortung übernehmen und präsenter sein zu können, aber denen es verwehrt wird. Zwischen diesen Polen oszillieren „neue Väter“ und werden dabei zunehmend genauer beobachtet. Manch einer stöhnt schon ob der vielen kritischen Blicke – und hat dabei scheinbar keinen Blick für die Vehemenz mit der unsere Gesellschaft Frauen in ihrer Mutterrolle fremdbestimmt, stigmatisiert und vereinnahmt: After-Baby-Body, #regrettingmotherhood, Latte-Macchiato-Mütter, Stillversagerinnen, Kaiserschnittopfer, humankapitaler Risikofaktor wegen möglichem Nachwuchs. Wann hätten sich Väter schon einmal diesen geballten Frechheiten stellen müssen?

Aber genug geredet von DEN neuen Vätern. So viele von denen kenne ich gar nicht und alles Reden über sie wäre dann doch ein bisschen zu bequem. Als Vater von drei Kindern über andere Väter urteilen, ohne sich selbst dabei zu positionieren? Das erscheint mir weniger erhellend als vielmehr wohfeil. Da lehne ich mich lieber selbst aus dem Fenster. Das bietet sich auch insofern an, als dass ich häufig von anderen als „den neuen Vätern zugehörig“ identifiziert werde. Ich bin einer der Väter, über die Barbara Streidl in ihrem neuen Buch „Lasst Väter Vater sein“ schreibt. Ich bin „eine Mutter zweiter Klasse“. Wenn mein Baby beim Arzt schreit, weil es hungrig, müde oder gestresst ist, zischen mich die Leute an, wo denn die Mutter sei. Und wenn ich darüber schreibe, wie befremdlich ich das finde, mutmaßt man, dass ich wohl nur Beachtung wolle. Schulen, Arztpraxen, Krankenkassen etc. nerven meine Partnerin, anstatt mich anzurufen, wenn was ist. Da ist es auch egal, wie oft ich vorher darum gebeten habe. Wenn Mutti die entsprechenden Leute nicht völlig entgeistert vom Arbeitsplatz aus anpampt, ist Vati fein raus – ob ihm das nun recht ist oder nicht. Wenn ich alleine einen Geburtstag für meinen sechsjährigen Sohn organisiere, weil die Familienheldin gerade durch Deutschland tourt, rufen mich Mütter an (Kein Witz!) und fragen, ob ich mir das zutraue und sie mir nicht doch besser helfen sollten. Dass ich zuständig, verfügbar und – nennen wir es spaßenshalber mal – verantwortlich bin, interessiert keine/n. Stattdessen macht man sich stellvertretend für mich Sorgen um meine Männlichkeit, die Beziehung und das Wohl der Kinder.

„Ist denn die Mutti gar nie Zuhause?“
Doch, aber die hat nicht so viel Home Office. Die muss rausgehen zum Drachenzähmen, Weltverbessern, Geldverdienen.

„Wer kocht denn dann für euch?“
Überraschung: Zwei Leute können kochen und machen tut der es, der da ist.

„Du musst dir wirklich mehr Auszeiten nehmen!“
Wie jetzt? Mehr als meine Partnerin? Wieso das denn?!

Ich bin aber auch einer der Väter, die Suse Bruha auf ihrem Blog Femilyaffair schmerzlich genau beschreibt. Dafür, dass ich nicht mehr mache als zu versuchen, meiner Verantwortung gerecht zu werden und meinen Beitrag zum Gelingen der Familie zu leisten, werde ich ständig gefeiert. Ich bin ja so süss mit Kindern. Ich spiele sogar mit ihnen und tröste sie, wenn sie sich verletzt haben. Man merkt mir an, dass es mir ernst ist. Wenn ich darüber rede, wie ich meinen Alltag mit Kindern gestalte, hören die meisten interessiert zu: Leise jetzt, der Mann spricht! Ich gelte als väterliches Ausnahmetalent, während Mutti qua Geschlecht nur Durchschnitt, Rabenmutter oder Helikoptermama sein kann. Auf keinen Fall bemerkenswert, grandios und einfach toll. Mutti muss ja schließlich. Gottvater lässt sich hingegen freiwillig dazu herab. Verlangt ja auch keiner von ihm. Von mir. Ob mir dabei immer klar ist, dass Care-Tätigkeiten unterschiedlich gewertet werden und ich „rein zufällig“ die höherwertigen besetze, will niemand wissen. Oder dass ich nicht davor gefeit bin, Verantwortlichkeit als persönliche Vorliebe zu maskieren, damit ich nicht zuständig sein muss („Der Dreck stört mich halt nicht so wie dich.“). Es können ja alle dankbar sein, dass ich überhaupt was mache, stimmt’s?! Nee, stimmt eben nicht.

Und ich bin einer der Väter, der wie Jochen König davon überzeugt ist, dass nach und neben der heterosexuellen Kleinfamilie die (Trommelwirbel!) … Familie kommt: Wahlverwandtschaften, mit den besten Freund*innen Kinder großziehen, Co-Elternschaft, queere Großfamilien, Patchwork, Alleinerziehende, Mehrgenerationenwohnen und vieles mehr. Mit Liebe oder ohne. Zu zehnt oder zu zweit. Mit Wasser, das viel dicker als Blut sein kann.

Immer wieder höre und lese ich, wie anstrengend das doch alles sei: Dieses Vermessen von Vaterschaft, diese Nabelschau, die jetzt mit den neuen Vätern betrieben wird. Kann ich persönlich nicht finden. Wir haben uns die meiste Zeit nicht zu viel sondern zu wenig mit dem Thema befasst. Weil ist halt so. Wegen Mutterliebe und Vaterstolz. Daher braucht es auch nicht weniger Bücher dazu, sondern mehr. Viel mehr. Denn über Mutterstolz, Vaterliebe und viele andere wunderbare Dinge wissen wir immer noch viel zu wenig.

Nils Pickert