Von Lillifee zur Marketingchefin

Gestern bei einer typischen Mutti-Runde im Sportverein meiner Kinder: Während die Kinder sich austobten, saßen wir Berufstätigen zusammen und ließen Dampf auf unsere Weise ab.

Martina ist alleinerziehend und gibt trotzdem Vollgas für ihre Arbeit – insbesondere, wenn die Kinder im Bett sind. Wenn sie im Büro schon Überstunden gemacht hat und sagt, sie müsse nun wirklich gehen, ihr Kind müsse zum Sport, bekommt sie von ihrer Vorgesetzten den Satz vorgesetzt: „Ich kann auch nicht einfach den Stift fallen lassen, um mich um meinen Hund zu kümmern!“ „Hast du sie denn auch gefragt, wieviel er später in die Rentenkasse einzahlt?“ erregte sich Julia. „Als mein Mann vier Monate Elternzeit nahm, haben ihn alle wie irre gelobt und Aufmerksamkeit entgegengebracht. Dass die paar Monate meiner Karriere auch nicht helfen, hat keinen interessiert.“, fuhr sie fort. Bianca ergänzte: „Wenn mein Kind krank ist, hole ich mir von einem befreundeten Arzt eine Krankschreibung für mich selbst. Das akzeptiert mein Arbeitgeber eher, als dass ich wegen eines kranken Kindes zu Hause bleibe.“ Wir sprachen von der Gleichberechtigung in Norwegen und Dänemark, dem Land mit den glücklichsten Menschen von Europa. Und vom Stern-Artikel, in dem die Managerinnen unerkannt über ihren Stress sprechen mussten.

Was absolut faszinierend ist, dass genau diese Themen von den Medien immer wieder aufgegriffen werden, ohne dass eine Verbindung zu unserer Kindheit gezogen wird. Stellen wir uns mal vor, Spiegelburg würde kleine Jungs mit einer Jungspuppe verführen. Vielleicht sind die Accessoires in blau-türkis gehalten, vielleicht ein kleines Blümchen oder Tierchen hier und da, nur ein bißchen, um das neue Gender-Angebot nicht zu fremd zu machen. Dazu technisch anspruchsvolle Buggies und echte Warmhaltegeräte für Milchflaschen (elektronischer Nervenkitzel!). Vielleicht könnten damit Väter, die zwar schon Windeln wechseln aber trotzdem Angst haben, ihr Sohn könnte schwul werden, leben. Vielleicht würden dann auch diese kleinen Jungs mal im Urlaub seufzen: „Ich vermisse Puppen-Paul! Habe ich ihn richtig zugedeckt? Ob er friert? Oder sich langweilt?“ Das „angeborene“ weibliche soziale Verhalten fängt hier an.

Franka ist Marketingchefin in einem Konzern. Ihre Arbeitszeiten sind nicht familiengerecht, sie regt sich jeden Tag darüber auf. Trotzdem beharrt sie darauf, dass Mädchen rosa brauchen. „Ach, lass ihnen doch die Barbies!“, kommentiert sie mich. Sie selbst hält sich dreimal die Woche mit Poweryoga straff, weil ihr Mann sich nach der Geburt ihrer Kinder beschwerte, dass sie keinen Bauch wie Heidi Klum aufweisen konnte. Der Zusammenhang mit dem Spielzeug unserer Kindheit halten trotzdem die meisten für absurd. Dass Männer nur Frauen begehren, die wie Heidi Klum aussehen, wird ja auch biologisch begründet. (Dass diese Logik in vielen afrikanischen Ländern oder zu Rubens Zeiten nicht haftet, wird ignoriert).

Mädchen bekommen Puppen, weil das so süß ist. Weil sie damit lernen, Mütter zu werden. Sie bekommen Lillifees und Barbies, weil sie die Erwachsenenwelt nachspielen wollen, und weil ihr Traum ist, Prinzessin oder Topmodel zu werden. (Vielleicht nur eine Zeit lang. Vielleicht studieren sie Jura. Aber bei 60% hält der Traum bis 18 an.) Prinzessinnen (und Topmodels) warten auf den starken Prinzen (siehe Märchen, Disney-Filme oder Frauenzeitschriften), der nicht mit Puppen gespielt hat aber uns vor Drachen beschützen kann, und wir deshalb ständig in jungen Familien „typisch Mann“ zischen, weil er eben nicht so „sozial“ mitdenken kann wie wir. Er hat gelernt, den Kindern Abenteuer und Mut zu vermitteln, und wird dafür von der Psychologie gelobt. Die ja großteils in der Genderforschung noch bei Freud steckt.

Und das Berufsleben? Wenn die erwachsene Prinzessin wie ein Drache Feuer spuckt, verliert sie den Job. Denn selbst die weiblichen Vorgesetzten spielen in einer Welt mit, in der es nach traditionell männlichen (also nicht sozialen) Regeln geht – sonst hat man nämlich verloren. Wie eine Freundin, die in einer großen PR-Agentur arbeitet, neulich sagte: „Frauen in Führungsposition, das geht einfach nicht. Die können mit den Kunden ja nicht in den Puff gehen.“ Die Kunden kennen ihr Begehrensobjekt eben seit der Kindheit: Barbie, mit der sie nicht spielen durften. Der man aber den Hals abreißen konnte. (In dieser Hinsicht bekamen wir neulich Rüge für unser Pinkstinks-Videospiel, in der ein Mädchen eine Barbie explodieren lässt. Das geht eigentlich wirklich nicht, da ist was dran.) Diese Barbies, die man in Papis GQ-Magazinen oder auf den Leucht-Litfaßsäulen wiederfindet – allzeit verfügbar. Mit einem Blick, der fragt: „Bin ich schön“? Nein, Respekt geht anders, zeigt uns David Beckham. Der schaut hart, auch in Unterhose.

Im Spiegel-Online wurde neulich mein „Pinkstinks-Gründungsmitglieder“ Foto verwendet. Eine uns zugewandte Redakteurin schimpfte sofort: „Und so wollen sie ernst genommen werden? So würde sich kein Mann präsentieren!“ Ich sehe wirklich zu „lieb“ darauf aus: „Ich bin eigentlich ganz harmlos, auch, wenn ich Feministin bin!“, scheint es zu sagen. In der Hamburger Morgenpost hingegen darf ich nie lächeln, nur Kampfzicken machen Presse. „Das ist doch nicht normal! Die ist doch humorlos! Eine richtige Frau lächelt zart wie Lillifee, Barbie oder Giselle Blümchen!“ Äh…Bündchen.