Warum sollten Väter Elternzeit nehmen?

Es gibt viele gute Gründe für Männer, Elternzeit zu nehmen: Sie stärken das Vertrauensverhältnis zu ihren Kindern und bauen langfristig eine intensivere Verbindung zu ihnen auf. Sie entlasten ihre Partnerin in der Erziehungs- und Hausarbeit und bewahren sie vor Altersarmut. Väter, die Elternzeit nehmen, setzen ein starkes Signal für eine Arbeitswelt, in der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht und nicht verhindert wird.

Auch für Väter hat die Elternzeit Vorteile.

Zum Glück sehen das viele Männer genauso: Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung (DIW Berlin) gehen immer mehr Väter in Elternzeit.

37 Prozent waren es im Jahr 2016. Trotzdem sind es immer noch sehr viel weniger als Frauen (90 Prozent) und vor allem nutzt kaum ein Vater mehr Zeit als das Minimum von zwei Monaten. Daran ändert auch das 2015 eingeführte Elterngeld Plus nicht. Vor allem Frauen greifen auf das Angebot zurück, Teilzeit zu arbeiten und dafür niedrigere, aber auch längere Bezüge zu bekommen.

Haben Männern keinen Bock auf ihre Kinder?

Doch! 79 Prozent der Väter wünschen sich mehr Zeit mit der Familie. Morgens schnell zur Kita oder Schule bringen und abends noch eine Gute-Nacht-Geschichte, das reicht vielen nicht wirklich.

Gründe, die frischgebackene Väter davon abhalten, länger oder überhaupt Elternzeit zu nennen, seien vor allem die Sorge um finanzielle Einbußen und berufliche Nachteile.

Egal ob ein Mann unheimlich gerne arbeitet, glaubt, er sei in der Firma unentbehrlich oder er glaubt, sich aus finanziellen Gründen keine Elternzeit leisten zu können, es scheint vor allem der Beruf das große Hindernis zu sein.

Viele Väter beklagen, dass sie zwar Lust hätten, mehr Zeit für ihre Familie zu haben, dass es ihr Job aber einfach nicht zulasse. Vor allem Führungskräfte, Selbstständige oder Arbeitnehmer gewisser Branchen sehen wenig Handlungsspielraum, Elternzeit einzufordern. Oft sei auch die Besserverdiener-Situation des Mannes ein Grund, sich die Elternzeit des Vaters finanziell nicht leisten zu können.

Irgendjemand muss doch die Familie ernähren!

Verantwortlich für das Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen ist unter anderem der Gender Pay Gap, aber auch das Ehegattensplitting fördert bei Ehepaaren das Einverdienermodell – was meistens wiederum auf den Mann zutrifft.

Dadurch sehen Frauen sich eher dazu veranlasst nach der Familiengründung zuhause zu bleiben, während Männer in der Karriere noch mal richtig Gas geben. Auch weil gesellschaftlich noch immer das veraltete Rollenmodell greift, den Vater als Ernährer und die Frau als Bezugsperson fürs Kind zu begreifen. Frischgebackene Väter verbringen dann aus falsch verstandenem Verantwortungsgefühl noch mehr Zeit im Job, um dem neuen Lebensstandard gerecht zu werden. Die Freizeit gehöre dafür ganz der Familie, sagen viele Väter, oder auch, dass sie die Kinder zur Kita, Schule oder abends ins Bett brächten. Väter und Mütter stützen sich so gegenseitig in ihren Rollen und verhindern eine gleichberechtigte Aufteilung der Erziehungs- und Broterwerbsarbeit. Die aber ist wichtig, um Frauen Teilhabe im Job zu ermöglichen und Vätern Zeit mit der Familie. Die beruflichen Nachteile, die Männer davon abhalten, länger als zwei Monate Elternzeit zu nehmen, treffen Frauen ganz konkret: finanzielle Einbußen, Nachteile durch weniger Präsenz und Zeit am Arbeitsplatz und schließlich erhöhte Altersarmut.

Frauen wollen lieber zuhause beim Kind bleiben.

Strukturen am Arbeitsplatz und die gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung erleichtert es Frauen, sich in die Rolle mit Kind einzufügen. Wenn dann noch das Einverdienermodell greift, die Kita-Situation angespannt oder schlicht der Wunsch da, das neue Familienglück zu genießen, liegt es nah, dass Frauen ihren Anspruch auf Elternzeit voll nutzen. Ob sie diese Entscheidung wirklich immer bewusst treffen oder ob sie damit gesellschaftliche Erwartungen erfüllen, ist nicht eindeutig zu beantworten. Vermutlich spielt beides eine Rolle.

Männern dagegen wird die Entscheidung leicht gemacht, mehr zu arbeiten und die Erziehungsarbeit auf die Freizeit zu vertagen. Schlimmer noch, entscheiden sie sich anders und wollen Zeit für ihre Familie, wird ihnen von Arbeitgeber*innenseite wenig entgegen gekommen.

Genauso wie Vätern die Erziehungsarbeit gesellschaftlich wenig zugetraut wird, wenn sie auf Spielplätzen belächelt oder von Müttern zu Recht gewiesen werden. Wenn dann noch die Werbung die Väterrolle zum Witz degradiert, wird sich kaum was ändern.

Wir wollen ja gleichberechtigt leben, aber …

Junge Paare planen oft, dass sie sich die Erziehungsarbeit teilen wollen und rutschen dann doch ganz unvermittelt in das klassische Rollenmodell. Das liegt zum einen an beschriebenen Strukturen, die es sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich begünstigen, als auch an mangelnden Absprachen zwischen den Partnern. Viele glauben, die Aufteilung von Familie und Beruf regele sich schon von allein. Das tut es selten, weshalb es wichtig ist, dass werdende Eltern konkret absprechen, wie sie die Erziehungsarbeit gleichberechtigt aufteilen. Väter wie Mütter sind hier gleichermaßen gefordert, stereotype Erwartungen an ihre Elternrolle zu betrachten, sich dem Druck auf Sie hierdurch bewusst zu werden und diesen zu hinterfragen. Mütter müssen sich oft Vorwürfe anhören, wenn sie nach der Geburt eines Kindes zügig zurück im Job sind („Rabenmutter!“). Es ist schwer, sich diesen Vorwürfen zu stellen und zu hinterfragen, oft hilft es, als Eltern gemeinsam unterstützende Literatur hierzu zu lesen. Väter müssen die Vorstellung hinterfragen, im Job unentbehrlich zu sein, was widerum viel mit den Vorstellungen von Männlichkeit (Erfolg, Kompetenz, „Familienvater“) in unserer Gesellschaft zu tun hat. Auch hier hilft Literatur und gemeinsames Besprechen von Rollen, die man einnehmen bzw. hinterfragen möchte.

Vor allem müssen Väter ihre Elternzeit selbstbewusst einfordern – sie steht ihnen gesetzlich zu, und trotzdem können abwertende Sprüche von Kolleg*innen folgen. Sich vom dem Bild zu verabschieden,  die finanzielle Versorgung der Familie als Alleinernährer zu verantworten, kann schmerzlich sein.

Natürlich braucht dieses Umdenken Zeit, aber es braucht auch Eltern, die sich gemeinsam und in Absprache für ein neues, gleichberechtigtes Rollenmodell entscheiden – auch gegen reaktionäre Arbeitgeber*innen oder Kolleg*innen.

Eine erneute Reform des Elterngeldes kann eine hilfreiche Unterstützung sein.

Genauso wichtig wie gesellschaftliches Umdenken und entsprechendes Handeln ist eine familienfreundliche Arbeitswelt. Unternehmen, die es Männern wie Frauen ermöglichen, Zeit für die Erziehung der Kinder oder Pflege der Eltern zu haben, ohne dass sie beruflich oder finanziell benachteiligt werden. Denn niemand bereut am Ende seines Lebens, nicht genügend Zeit im Büro verbracht zu haben.