Ältere Frau plus jüngerer Partner – da brodelt die Gerüchteküche und es wird gelästert und gerätselt, was er bloß an ihr findet. Bei älteren Männern ist das in den meisten Fällen allerdings nicht so. Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, liegt an einem sehr eindimensionalen und konservativen Bild von Geschlechterrollen.
Wenn ein Mann mit einer deutlich jüngeren Partnerin an seiner Seite in der Öffentlichkeit auftaucht, sorgt das für ein, zwei hochgezogene Augenbrauen – vielleicht. Aber wahrscheinlich eher nicht. Ein gutes Beispiel dafür sind George Clooney (59) und seine 17 Jahre jüngere Frau, die Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin Clooney. Grundsätzlich gilt das in unserer Gesellschaft weitgehend als akzeptabel. Da ist in Bezug auf den älteren Part gern die Rede von den berühmten „grauen Schläfen“, von Souveränität und Reife. Aber wenn Frauen viel jüngere Partner haben, liegt das in der Wahrnehmung irgendwo zwischen fragwürdig bis ordinär. Sie werden abwertend als „Cougar“ oder „MILF“ (eine englische Abkürzung, die für “Mother I’d like to fuck” steht) bezeichnet. Entsprechende Beziehungen werden oft nicht ganz ernst genommen und ins Lächerliche gezogen. Wie zum Beispiel auch bei Heidi Klum (47) und ihrem 16 Jahre jüngeren Ehemann Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel, die beide immer wieder mit Hohn und Spott konfrontiert werden, seit sie Anfang 2018 ihre Beziehung öffentlich machten. Und das, obwohl ihr Altersunterschied fast der gleiche ist wie der zwischen George Clooney und seiner Frau.
Dabei gehören gewisse Altersunterschiede zur Liebe. Laut Datenreport 2018 des Statistischen Bundesamtes sind in nur zehn Prozent aller gemischtgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und Ehen die Partner*innen gleich alt. Auffällig ist, dass bei Hetero-Paaren in der großen Mehrheit der Fälle der Mann älter ist als die Frau. Sowohl die Zahlen als auch die Akzeptanz für das Beziehungsmodell „älterer Mann – jüngere Partnerin“ sind also höher.
Ein Grund dafür, dass älteren Männern viel eher jüngere Partnerinnen zugestanden werden: So eine Konstellation entspricht dem traditionellen Rollenbild. Männer sind demnach Versorger, sie sammeln im Laufe ihres Lebens Macht und Geld – darauf fußt ihre Anziehung. Und das stellt im Patriarchat niemand in Frage. Nicht umsonst kommt das Wort Patriarchat aus dem Altgriechischen und beinhaltet “Patriarch”: das väterliche Oberhaupt. Weiblich gelesene Personen hingegen sind in so einem Rollenbild vor allem eins: schön und sonst nichts; das ist die Basis für feminine Anziehung. Schönheit wird außerdem mit Jugend – und Fruchtbarkeit – gleichgesetzt. Ein älterer, mit Macht, Erfahrung und Geld ausgestatteter Mann mit einer jüngeren und deshalb schönen und fruchtbaren Frau an seiner Seite entspricht also exakt dem traditionellen Wertekosmos einer patriarchalen Gesellschaft: Er versorgt, sie macht das mit dem Kinderkriegen.
Eine ältere Frau mit einem jüngeren Partner dreht das doppelt um. Einerseits sucht sie in einer Beziehung weder Geld oder Macht noch Versorgung – weil sie vielleicht selbst genug davon hat und unabhängig ist. Damit untergräbt sie patriarchale Autorität. Andererseits lässt sich ihr Partner freiwillig mit einer älteren und damit mutmaßlich weniger schönen Frau ein. Damit wird das absurde Schönheitsideal, dem sich Frauen unterwerfen sollen – damit sie eben möglichst jung und dadurch schön wirken – ausgehebelt.
So eine Beziehung zeigt und festigt also ein Frauenbild, mit dem eine patriarchale Gesellschaft ein Problem hat: weitgehend unabhängig von finanzieller Unterstützung, sozialer Akzeptanz und der Bewertung des Aussehens – und damit außerhalb der Kontrollmechanismen des Patriarchats. Das ist eine unterschwellige Bedrohung und muss deshalb kritisiert, abgewertet und belächelt werden. Wo kommen wir denn hin, wenn Frauen gutes Geld verdienen, erfolgreich sind und darauf pfeifen, ob sie auch jung genug wirken? Und wenn plötzlich auch ältere Frauen als begehrenswert wahrgenommen werden.
Hinzu kommt: Jüngere Partner*innen sind häufig aufgeschlossener und nicht so konservativ. Sie haben deswegen weniger Probleme mit unabhängigen Frauen und fühlen sich von ihnen nicht in ihrem Selbstwert angegriffen. Und sie hängen nicht so sehr in eingefahrenen Rollenvorstellungen fest. Das eigentliche Problem ist nämlich die wachsende Unabhängigkeit von Frauen. Bis 1977 mussten in der BRD zum Beispiel Ehemänner ihr schriftliches Einverständnis geben, wenn eine verheiratete Frau arbeiten wollte. Auch Alleinerziehende wurden noch stärker stigmatisiert. Das hat sich glücklicherweise geändert. Damit wird aber die traditionelle Versorgerrolle mehr und mehr obsolet.
Selbstverständlich ist es ungeachtet des Geschlechts immer wichtig, dass Menschen eine Beziehung auf Augenhöhe führen. Ein großes Altersgefälle kann dabei durchaus eine Herausforderung sein – einfach, weil eine*r von beiden mehr Lebenserfahrung hat und deshalb manchmal dazu neigen kann, dem*der anderen die Welt zu erklären. Aber wenn beide respektvoll, offen und wertschätzend miteinander umgehen, alles einvernehmlich abläuft und keine toxischen Abhängigkeiten entstehen, dann ist das Alter in einer Beziehung wenig ausschlaggebend.
Frauen können heute auf eigenen Beinen stehen. Sie wollen und müssen sich für niemanden klein machen – nur, um männliche Egos nicht anzukratzen. Manche Frauen wünschen sich eine Familie, andere nicht. Ihnen stehen verschiedene Lebensentwürfe offen. Dazu gehört auch die Entscheidung für eine*n gleichaltrige*n, ältere*n oder jüngere*n Partner*in. Und dafür sollte sich keine Frau rechtfertigen müssen.
Anmerkung: Uns ist bewusst, dass der Text in Teilen nur eine binäre Perspektive darstellt. Hier geht es um die Erläuterung einer patriarchalen Geschlechterdynamik mit einem binären “Mann”-“Frau”-Gefälle, obwohl das längst nicht alle Menschen umfasst.
Bild: Unsplash
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