Aileen Puhlmann ist eine Schwarze Frau, Mutter und Single. Sie fragt sich, warum unsere Gesellschaft Single-Frauen immer gerne verkuppeln möchte – und stellt fest, dass sowas tierisch nervt!
Ich bin Single. Schon ganz schön lange irgendwie. Ich finde mich eigentlich relativ toll. Also ich fühle mich nicht hässlich, beziehungsunfähig oder nicht liebenswürdig. Ich wundere mich manchmal selbst über die lange Zeit in der sich mir einfach keine wirkliche Option auf Partnerschaft angeboten hat. Ich bin aber auch nicht allein, oder einsam und sehe außer intimer Zweisamkeit relativ wenig Abstriche im Singlesein. Vielleicht ist das ja genau das Problem und ich bin einfach nicht verzweifelt genug? Oder mache ich es mir in meinem kleinen Wirbelwindleben einfach zu gemütlich und biete gar keinen Platz für einen Partner? Dazu muss Mensch wissen: ich bin Mutter. Ich habe eine tolle 6-jährige Tochter und ich würde von uns behaupten, dass wir unser Leben ganz gut zu zweit meistern. Ich habe viele Freundinnen und Freunde, Hobbies und sowieso nie genug Zeit, um alles unter einen Hut zu bekommen. Ich sitze auch wirklich selten zu Hause und drehe Däumchen.
Wisch und Weg
Trotzdem habe ich oft das Gefühl, dass sich mein Umfeld einen tollen Mann an meiner Seite wünscht. Das freut mich natürlich, ich sehe aber auch die Problematik dahinter. Bin ich wirklich nur angekommen, vollwertig oder komplett, wenn ich ein vermeintlich vollkommenes Familienbild liefere? Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass unsere Familienkonstellation irgendwie nicht zählt. Liest sich traurig, ist es auch irgendwie. Denn es sind nicht die fehlenden Dates oder ausbleibenden Versuche, auch außerhalb meiner abgegrasten Bubble nach Komplizen zu suchen. Jedes Jahr bekomme ich mindestens einen Panikanfall. Ich denke dann „ok Aileen es ist Zeit und du musst es mal wieder wagen“ – und schmeiße mich wieder auf den Markt. In 2020 bedeutet das meistens, die gängigen Dating-Apps zu bedienen, um mit einem Wisch zur Partnerschaft zu gelangen. Doch das ist für mich gar nicht so leicht, denn ich habe ziemlich hohe Ansprüche an meinen potentiellen Weggefährten.
Racial Bias
Mein Zukünftiger darf nicht rassistisch sein, muss mich als Frau respektieren und meine Freiheit und Unabhängigkeit als unveränderbar akzeptieren. Dazu wäre ein trockener Humor und Wortwitz wünschenswert. So, und dann hänge ich da am Telefon, wische hin und her und muss mir von irgendeinem Arsch anhören, dass er so gerne mal mit einer wie mir im Bett landen würde, er hätte schon so viel Gutes gehört, weil wir so feurig wären. Ja, ich bin Schwarz und das macht es mir tatsächlich nicht einfacher. Es ist es mittlerweile durch Studien belegt, dass Schwarze Frauen und Asiatische Männer es im www tatsächlich am schwersten haben bei der Partner*innenwahl.
Die große Dating-Plattform OkCupid hat ihre Matchpräferenzen analysiert und dabei ganz klar einen „Racial Bias“ erkennbar gemacht. Dieser Begriff beschreibt rassistisch geprägte Vorurteile, die bestimmten Gruppen von Menschen auf Grund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität zugeschrieben werden. Weiße Männer daten laut Studie am liebsten weiße Frauen. Schwarzen Männern ist es tatsächlich relativ egal; im Vergleich wurden Schwarze Frauen jedoch als am wenigsten attraktiv eingestuft. Machen wir uns nichts vor, Online-Dating basiert zu 99% auf Äußerlichkeiten. Das bedeutet wiederum für mich, dass es eh recht schlecht aussieht, auf diese Weise an den Liebsten zu kommen.
Keine Zeit
Meine paar Versuche waren nicht wirklich ergiebig, aber auch keine kompletten Desaster. Bis es bei mir zu einem Date kommt, dauert es aber. Denn alleinerziehend sein bedeutet auch, Betreuung organisieren zu müssen. Das schreckt bereits einen Teil ab, denn App-Life bedeutet auch Insta-Erwartung, also alles jetzt sofort. Keiner hat Lust, zwei Wochen auf ein Bierchen zu warten. Und die Männer, die geduldig waren und mir zuvor keine allzu abschreckenden Nachrichten geschickt hatten, waren bei unseren Treffen ganz nett, aber auch nicht mehr.
Nachdem ich mich mit swipe und unmatch vor rassistischen „woher kommst du“-Fragen geduckt habe, stellen sich dann beim Date selbst noch ganz andere Hürden auf. Ein Typ hatte zum Beispiel das Gefühl dem Vorurteil der von Natur aus starken Schwarzen Frau entgegenwirken zu müssen. So wollte er besonders provokant und sarkastisch sein und benannte mehrmals mein Temperament. Ich bin daraufhin aufgestanden und gegangen, denn dafür wollte ich einen kinderfreien Abend und meine kostbare Zeit nun wirklich nicht draufgehen lassen.
Safe Spaces
Letztendlich muss ich wohl einsehen, dass diese Art von Daten einfach nicht zu mir passt. Meine früheren Beziehungen waren immer Freunde oder Bekannte, mit denen sich dann über die Zeit mehr entwickelt hat. So kommt es, dass ich nach durchschnittlich zwei Wochen online wieder aufgebe. Bis zum nächsten Panikanfall.
Es wird sicherlich schnell deutlich, dass ich nicht so richtig leidenschaftlich bei der Sache bin. Für mich ist Daten aber einfach nicht mit Leichtigkeit verbunden. Um meinen Alltag in dieser Gesellschaft einigermaßen unbeschädigt zu überstehen, habe ich mir ein Netz aus gleichgesinnten, unterstützenden Freund*innen gebastelt. In diesem bin ich geschützt vor Mikroaggressionen (den kleinen alltäglichen, rassistischen Verletzungen) und muss mich nicht erklären. Kontakte mit Menschen außerhalb dieses Netzes bedeuten, sich auch immer wieder der Gefahr auszusetzen, verletzt zu werden – als Frau, aber vor allem als Schwarze Frau.
Friede, Freude, Eierkuchen? Yeah right.
Davon mal ganz abgesehen: ist eine Beziehung denn das einzige Erstrebenswerte im Leben? Also ganz ehrlich, ich kenne wenige Beziehungen, auf die ich neidisch schaue. Streit darüber, wer das Baby ins Bett bringt? Hatte ich nie, habe immer ich gemacht. Streit darüber, wer mehr im Haushalt macht? Ganz klar ich, meine Tochter ist ganz schön faul. Müde Kompromissfindung darüber, wer wann kindfrei haben kann? Gibt’s bei mir nicht. Klar, ich schlage mich mit anderen Herausforderungen herum. Aber ich habe viele Momente in denen ich mich fast darüber freue, dass ich Entscheidungen alleine treffen kann, ohne Rücksprache abhalten zu müssen, ohne noch eine weitere Lebensrealität mitbedenken zu müssen. Kompromisse muss ich, außer mit meiner willensstarken Tochter, nicht schließen. Sabbath in Mosambik? Alles klar hin da. Mit dem Mietauto alleine durch Südafrika? Na klar, lass machen! Ich kann das genießen und wertschätzen für den Moment, denn ich kenne es ja auch anders. Was ich mir wünsche ist, dass das Alleinsein nicht ausschließlich als minderwertig betrachtet wird, denn es bietet ja auch unglaubliche Freiheiten. Ich bin ganz. Ich bin nicht ohne irgendeine „bessere“ Hälfte. Ich bin so, wie ich bin, richtig.
Als alleinerziehende Frau bin ich so manchen Stigmata ausgesetzt und als Ü35-Frau ja eh selbst schuld daran, dass ich den Ollen nicht halten konnte. Sozialisiert mit dem Ziel, irgendwann unter die Haube zu kommen, um meinen Status dann als „Frau von“ verkünden zu können, hat das Patriachat seine Arbeit getan und ich bin kläglich gescheitert. Dass wir in diesem Lande viele sind und zwar rund 2,3 Millionen und damit viele verschiedene Lebensrealitäten abbilden, die nicht alle dem gängigen Bild von Armut und Vernachlässigung entsprechen, das wird wenig thematisiert. Es braucht ein neues Verständnis von Partner*innenschaft, denn ich habe viele Wegbegleiter*innen und führe viele Beziehungen. Meine Tochter hat einige tolle Bezugspersonen und auch männlich positionierte Vorbilder, die nicht ihr Vater sind und sie trotzdem wertvoll unterstützen. Wieso scheint dieses Netzwerk außerhalb der nuklearen Familie nicht zu zählen?
Das mit dem Daten lass ich erstmal sein. Den woken, sensibilisierten Mann, den ich ganz vielleicht mal suchen werde, der wird wenn dann sowieso vom Himmel fallen, wenn ich es gerade nicht erwarte. Meinen Swipe-Daumen nutze ich lieber zum Tik Tok-Videos schauen und meine Zeit zum Patriarchat stürzen.
Bild: Aileen Puhlmann
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