Warum sind fiese Beleidigungen oft weiblich?

Wie wird jemand beschimpft, wenn’s richtig fies sein soll? Als „Pussy“ oder – wenn’s unter die Gürtellinie geht – als „Hurensohn“. Dass ausgerechnet diese beiden Wörter für besonders böse Beleidigungen stehen, verrät viel über das vorherrschende Frauenbild – aber nicht nur darüber. 

„Pussy“ und „Hurensohn“ sind lediglich zwei gängige Beispiele, die sich an männlich gelesene Personen richten. Es geht aber auch noch härter: Das Schimpfwort „Fotze“ wird in der Regel für feminine Personen benutzt und drückt größtmögliche Abwertung aus. Dass dazu – wie bei „Pussy“ – ausgerechnet das weibliche Geschlechtsorgan herhalten muss, zeigt, wie gering Weiblichkeit bewertet wird. Was könnte demnach schon so schmutzig, schlimm oder verkommen sein wie eine „Fotze“ – ein Schwanz oder ein Penis etwa? Wohl kaum. Allein der Klang unterscheidet sich erheblich. Von den Assoziationen mal ganz abgesehen. Und Beleidigungen wie „Hurensohn“ sollen dadurch verletzen, dass sie die Mutter des Beleidigten und dadurch ihn erniedrigen. „Freierssohn“ funktioniert umgekehrt nämlich nicht als Schimpfwort. Kein Wunder: Eine Frau, die Sex hat und damit vielleicht auch Geld verdient, ist nach patriarchalem Geschlechterrollen-Verständnis zügellos, verdorben und gesellschaftlich auszugrenzen; ein Mann, der zu Prostituierten geht, hingegen kein Problem. Hallo, Doppelmoral. 

All diese weiblichen Beleidigungen werten feminine Geschlechtsorgane oder Sexualität ab und stellen sie als etwas Verwerfliches und Abstoßendes dar. Etwas, wofür sich Frauen schämen sollten. Nicht umsonst hat sich jemand die Bezeichnung „Schamlippen“ ausgedacht… Nun ist es aber so: Wofür man sich schämt, das zeigt und tut man nicht gern – auf diese Weise lässt sich weibliche Sexualität kontrollieren. Dem Patriarchat gefällt das. 

Ein weiteres Problem bei den weiblichen Beleidigungen ist die klare Frauenverachtung in der Sprache. Sie ist – genau wie Alltagssexismus – so verbreitet und alltäglich, dass sie den meisten Menschen nicht mal auffallen dürfte. Sprüche wie diese fallen, ohne dass wirklich darüber nachgedacht wird. Doch mit jeder Wiederholung vertieft sich das entsprechende Weltbild. Und wenn Femininität einerseits fortwährend  mit Minderwertigkeit gleichgesetzt wird und andererseits Frauen regelmäßig sexistisch beleidigt werden, dann können diese verbalen Grenzüberschreitungen und Attacken eine Vorstufe der Gewalt sein. 

Doch die entsprechende Verachtung alles Weiblichen richtet sich nicht nur gegen weiblich gelesenen Menschen direkt, sondern wird eben auch auf männlich gelesene übertragen: Ein Mann, der bei einer Sache versagt, bei etwas Angst oder Bedenken hat oder sich nicht im Testosteronrausch voll ins Risiko stürzt , ist eine „Pussy“. Damit wird er maximal degradiert und in seiner Identität angegriffen – er ist in dem Moment kein „richtiger“ Mann mehr, sondern „nur“ wie eine Frau. Und damit weniger stark, durchsetzungsfähig, erfolgreich. Es gibt maskuline Menschen, für die das tatsächlich eine arge Kränkung ist.

Natürlich gibt es auch männliche Beschimpfungen wie zum Beispiel „Weichei“ oder „Schlappschwanz“ – aber die zielen nicht auf eine exzessive Sexualität ab wie beim weiblichen „Hure“ oder „Hurensohn“, sondern eher auf zu wenig davon. Dass bei männlichen Personen vor allem Nicht-Erfolg, Schwäche und Impotenz im Fokus von Beschimpfungen stehen, offenbart laut einer Untersuchung der kanadischen Linguistik-Professorin Deborah James „die extreme Wichtigkeit, dass Männer in jeder Situation und zu jeder Zeit erfolgreich, selbstbewusst und kompetent sind“. Bei Frauen stehe laut Untersuchung vor allem die Sexualität im Mittelpunkt. Laut Deborah James spiegeln sie so die Ideale der heteronormativen Rollenverteilung wider.

Und das zeigt, womit Femininität und Maskulinität auch heute immer noch verknüpft werden – ersteres mit Schwäche, Sündhaftigkeit und Scham; letzteres mit Stärke, Macht, Mut und Erfolg. Dadurch legen Beleidigungen die ungleichen Geschlechterrollen offen und entlarven sexistisches Denken. „Männer verlieren Status, wenn sie mit Frauen gleichgesetzt werden“, schreibt die Professorin. Und zwar deshalb, weil Frauen in der patriarchalen Gesellschaft eben weniger gelten. Beleidigungen funktionieren in erster Linie über Tabubrüche und Grenzverletzungen und offenbaren so, was in der Gesellschaft tabuisiert und wer ausgegrenzt wird. 

Außerdem tritt durch weibliche Beleidigungen auch ein ziemlich toxisches Verständnis von Männlichkeit zu Tage. Denn diese starren Geschlechterrollen, die sich in den Beschimpfungen niederschlagen, sind auch für männliche Personen einengend. Die Einordnung von Verhaltensweisen und Eigenschaften als weiblich oder männlich erlauben es ihnen nämlich nicht, alle Gefühle zu spüren, zuzulassen und zu zeigen – zumindest nicht, ohne dafür belächelt oder eben beschimpft zu werden. Nach dem Motto „Männer weinen nicht“. Das kann auf Dauer unfassbar anstrengend, belastend und schädlich sein. Für alle Geschlechter. 

Jemanden gedankenlos als „Pussy“ oder „Hurensohn“ zu beschimpfen, ist nicht nur ziemlich daneben und kränkend, sondern auch sexistisch. Sprache beeinflusst das Denken und letztlich auch das Handeln. Wer im Wutrausch oder aus Spaß mit weiblichen Beleidigungen um sich wirft, bestätigt damit starre Vorstellungen von Geschlechterrollen und vertieft so aktiv sexistische Strukturen.  

Wenn also mal zünftiges Fluchen und Pöbeln nötig wird und Wut und Frust irgendwie raus müssen, ist Kreativität gefragt. Zum Beispiel mit Hilfe von Tiernamen: „Hundesohn“ statt „Hurensohn“. Oder halt „Schweinehund“, „Viech“, „Kackvogel“ und „Drecksau“. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch empfiehlt ansonsten auch ein simples „Arschloch“ – es gibt nämlich keine real existierende Gruppe von Arschlöchern, die durchs Beschimpfen diskriminiert, erniedrigt oder gar strukturell benachteiligt werden könnte.

Anmerkung: Uns ist bewusst, dass der Text in Teilen nur eine binäre Perspektive darstellt. Hier geht es um die Erläuterung einer patriarchalen Geschlechterdynamik mit einem binären “Mann”-“Frau”-Gefälle, obwohl das längst nicht alle Menschen umfasst.

Bild: Unsplash

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