Warum wir gendern

Warum wir gendern

Wer Nachrichten hört oder schaut, bekommt derzeit den Eindruck, dass es das Gender-Sternchen richtig schwer hat. So viele Verbote! In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist Gendern an Schulen verboten, in Thüringen dürfen Landtag und Landesregierung nicht mehr gendern, in Hamburg gibt’s eine Initiative gegen das Gendern in Behörden und an Schulen, in Hessen plant die neue Regierung ein Verbot für Schulen, Unis, Behörden und den Rundfunk (schon mal was von Rundfunkfreiheit gehört?!?), Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer möchte das Gendern ebenfalls verbieten. Und weil es auch in Bayern offenbar keine wichtigeren Probleme gibt, hat sich Markus Söder Anfang Dezember zum obersten Gender-Gegner gekürt und in seiner Regierungserklärung verkündet, dass er ein Verbot in Schulen, Behörden und Hochschulen auch für Bayern plane. Als wäre das nicht genug, wettern immer mal wieder prominente Männer gegen das Gendern, weil es die Sprache »verhunze« oder »Menschen einschränke«, zum Beispiel H.P. Baxxter, Jürgen von der Lippe oder Dieter Hallervorden. Doch wer im Alltag genauer hinhört, spürt: So viel gegendert wie jetzt wurde noch nie. Im Radio, im Fernsehen, in Texten. Im Café, im Supermarkt. Und der Hausmeister hier im Haus hat neulich in einem Aushang »An alle Bewohner*innen« geschrieben. 😍 Das Gendern gehört also schon längst dazu. Und diese Verbote, diese Falschbehauptungen, dass Gendern Menschen in ihrer Sprache einschränke – ist das alles vielleicht einfach nur das letzte Aufbäumen der Unwilligen vor dem Unvermeidlichen?

Wir im PINKSTINKS Team gendern, klar. Oder genauer gesagt: Wir ent-gendern. Weil wir nicht nur Männer ansprechen wollen, wie es in der deutschen Sprache schon viel zu lange Gewohnheit ist, sondern weil wir alle Menschen einschließen wollen mit dem, was wir sagen. Aber ob gendern oder nicht – das soll natürlich jede Person für sich selbst entscheiden. Wir sind weder Sprachpolizei noch Oberlehrer*innen, sondern denken über diskriminierungsfreie Möglichkeiten des Miteinanders nach. Wir wollen einfach nur inklusiv sein, nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen, dass sich jeder Mensch jeden Geschlechts angesprochen und eingeladen fühlen kann. Und wir freuen uns über jede Person, die gendert. Egal, ob in der Öffentlichkeit oder im Privaten. Wir freuen uns über jede Redaktion und jede Behörde, die gendert. Über jedes Unternehmen, das gendert.

Sieh dir hier unseren Sketch zum generischen Femininum an 😉:

Sprache verändert sich seit Jahrtausenden, und sie hört auch jetzt nicht damit auf: Für neue Erfindungen braucht es neue Wörter, für neue Phänomene braucht es neue Ausdrücke und für neue Erkenntnisse braucht es neue Formulierungen. Die Erkenntnis, dass die männliche Variante eines Wortes die Mehrheit ausschließt, ist nicht neu. Aber es dauerte einige Zeit, bis sich die Erkenntnis verbreitete, wie Sprache mit Bewusstsein und gesellschaftlichen Bedingungen in Zusammenhang steht. Mittlerweile ist das bei vielen Menschen angekommen. Deswegen ist unsere Sprache gerade erst dabei, die Erkenntnis zu verarbeiten, sozusagen. Es fühlt sich ungewohnt und kompliziert an. Weil es ein komplizierter Vorgang ist, neue Erkenntnisse in alte Worte zu fassen.

Wir von PINKSTINKS finden das im Alltag auch nicht immer einfach – das Männliche ist in der deutschen Sprache sehr tief verankert. Auch wir müssen im Team immer wieder mal lachen, wenn sich eine von uns mit einer Formulierung vergaloppiert hat und sich der Satz einfach schief anhört. Und dann diskutieren wir gemeinsam darüber, wie es anders formuliert werden kann. Deswegen geben wir in unserem Newsletter seit Ende Oktober Formulierungshilfen, die wir alle anwenden können. Ohne peinliche Momente, ohne lange Denkpausen, ganz unaufgeregt und selbstverständlich. Beim Gendern ist es nämlich ganz oft so: Es gibt nicht DIE EINE allgemeingültige Lösung, sondern unterschiedliche Formulierungsmöglichkeiten. Und wer weiß – vielleicht entwickeln sich nächstes Jahr Varianten, auf die wir dieses Jahr noch gar nicht gekommen sind.  

Lasst uns wohlwollend miteinander sein bei dem Bestreben, eine gerechtere Gesellschaft auch sprachlich abzubilden. Wir freuen uns, diesen Weg mit euch zu gehen!

P.S.: Diesen Text haben wir in etwas veränderter Form Ende Oktober 2023 in unserem Newsletter veröffentlicht. Wenn du künftig auch solche Texte direkt in deinem Postfach haben möchtest, dazu noch hilfreiche Tipps gegen Alltagssexismus und einen praktischen Spickzettel fürs Gendern, kannst du dich gleich hier zum Newsletter anmelden!


Wenn wir von Frauen und Mädchen oder von Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Gleiches gilt für die Adjektive “weiblich” und “männlich”. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert.

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Bildquelle: PINKSTINKS