Was hat der Schokokuss mit Sexismus zu tun?

Unsere Gesellschaft wird immer diverser und bunter – das ist gut so! Aber die Worte und Bezeichnungen, die wir für Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben und ethnischen Hintergründen verwenden, sind oft veraltet und rassistisch geprägt. Das N-Wort wird leider häufig immer noch benutzt, um Schaumküsse zu benennen, weil nicht alle Menschen wissen oder einsehen, dass es gestrichen gehört. Wie also sprechen wir über Hautfarben, ohne Menschen zu diskriminieren oder zu beleidigen? Und was hat das mit Sexismus zu tun?

Menschen, die von Rassismus betroffen sind, verwenden die politische Selbstbezeichnung Schwarz und / oder People of Colour* (auch im deutschsprachigen Raum wird der englische Begriff genutzt). Menschen ohne Rassismuserfahrungen werden als weiß bezeichnet. Bezeichnungen wie Farbige, Schwarzafrikaner oder gar das N-Wort gehen auf das in der Kolonialzeit erfundene Fehlverständnis von Rasse zurück und erinnern an die Diskriminierungen dieser Zeit. Deshalb können sie noch heute Menschen verletzen und sollten aus dem Sprachschatz gestrichen werden. Heute wissen wir, dass es Menschenrassen nicht gibt: Weiße Menschen sind von Schwarzen genetisch nicht zu unterscheiden. „Rasse“ musste aber in der Kolonialzeit benannt werden, um Schwarze Menschen und People of Colour als minderwertig definieren zu können. So konnte ein Herrschaftsanspruch über sie begründet werden. Auch heute sind Rassismus und Diskriminierung nicht überwunden. Wollen wir das ändern, ist die Nutzung der wertfreien Selbstbezeichnungen ein guter Anfang.  

Aber Achtung: Viele von uns sind damit aufgewachsen, „farbenblind“ zu sein, also Hautfarben bewusst zu ignorieren, weil es um den Menschen und nicht seine Hautfarbe gehen sollte. Anti-Rassismus-Aktivist*innen sagen aber, dass wir Diskriminierung nicht dadurch überwinden, indem wir so tun, als gäbe es keine Hautfarben. Denn diese führen für viele Menschen zur Benachteiligung z.B. für Schwarze, wenn es um Jobs, die Wohnungssuche oder Kriminalstatistiken geht. Strukturellen Rassismus nennt man das und auch wenn manche denken, da keine Aktien drin zu haben, profitieren sie eben doch – einfach, weil sie weiß sind. Genau, wie auch Männer davon profitieren, nicht weiblich zu sein, indem sie weniger Risiko tragen, sexuelle Gewalt zu erfahren, schlechter zu verdienen oder Altersarmut zu erfahren.

Autorinnen wie Noah Sow oder Reni Eddo-Lodge haben eindrücklich beschrieben, wie stark Rassismus in unserer Gesellschaft verankert ist. Oft profitieren weiße Menschen von rassistischen Strukturen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Viele halten sich möglicherweise nicht einmal für rassistisch. Sie gelten als vermeintliche Norm und müssen zu keinem Zeitpunkt fürchten, rassistische Erfahrungen zu machen – denn Rassismus gegen Weiße gibt es nicht. Ist jemand nicht weiß, wird es explizit genannt, zum Beispiel, wenn Barack Obama als Schwarzer Präsident bezeichnet wird. Niemand käme auf die Idee, Angela Merkel eine weiße Kanzlerin zu nennen.

Was das mit Sexismus zu tun hat? Jede Menge. Es sind die gleichen Mechanismen, die Menschen nach Geschlecht oder nach Hautfarbe diskriminieren. Die Fußball-WM ist „natürlich“ männlich, Frauen bekommen eine extra Rubrik: Frauen-Fußball, eben. In unserer Sprache sind Frauen „mitgemeint“ aber nicht die Norm: Von Straßennamen bis Politik und Wirtschaft sind sie nicht gleichwertig repräsentiert, auch wenn sie oft hören, dass sie doch gleichberechtigt sind. Auch werden Frauen, wie Schwarze, als Wesensgruppe mit anscheinend biologischen Eigenschaften dargestellt. Es ist zwar oft nett gemeint, zu sagen, dass Frauen besser zuhören und Schwarze besser tanzen können. Jedoch verbergen sich auch hinter „eigentlich nett gemeinten“ Aussagen stereotype Denkmuster. Daher sollte auch auf vermeintlich positive Pauschalisierungen verzichtet werden.

Menschen die sich gegen Rassismus wehren, bekommen oft ähnliche Bemerkungen zu hören wie diejenigen, die Sexismus benennen, nämlich, das sei doch nicht so gemeint, man solle nicht so empfindlich sein – ihnen wird ihre Erfahrung abgesprochen. Dabei ist die häufige Erfahrung sowohl von Frauen als auch Schwarzen oder People of Colour jeweils die, benachteiligt zu werden. Und ist eine Person Schwarz und eine Frau, wird sie oft mehrfach diskriminiert. Deshalb ist immer wichtig zu hinterfragen, für welche Frauen wir im Feminismus sprechen und ob wir wirklich alle Erfahrungen mitbedacht haben. Neben Hautfarbe gehören dazu auch sexuelle Identität, Sexualität und Behinderung.

Die respektvolle, moderne Bezeichnung von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, ist dabei ein wichtiger Baustein. Das scheint auf den ersten Blick eine „Kleinigkeit“ zu sein, aber wenn wir wirklich eine gerechte und antirassistische Gesellschaft schaffen wollen, in der wir zwar die gesellschaftlichen Ungleichgewichtungen der Hautfarben sehen, aber keine Unterschiede zwischen ihnen machen, sind diese „Kleinigkeiten“ das Fundament. Wie im Feminismus ist es an allen, bestehende Verhältnisse zu verändern. So wie wir für die Gleichberechtigung der Frau Männer mit ins Boot holen müssen, darf eine diskriminierungsfreie Gesellschaft nicht allein von Schwarzen oder People of Colour verantwortet sein – Weiße sollen in ihr nicht so tun können, als ginge sie das nichts an. Es ist in Ordnung, nicht immer zu wissen, was die korrekte Ansprache ist, nicht in Ordnung dagegen ist, sich zu weigern, es herauszufinden oder freundlich nachzufragen.

Dazu ist es als weißer Mensch hilfreich, das eigene Selbstverständnis zu klären. Einmal die Perspektive zu wechseln, was es wohl heißt, als nicht-weiße Person in einer Welt zu leben, in der Weißsein als normal gilt, hilft, sich besser in die Erfahrungen von Schwarzen und People of Colour hineinzuversetzen, Empathie zu entwickeln und so die richtigen Worte im Umgang miteinander zu wählen.

*um die soziale Konstruktion von Hautfarbe zu berücksichtigen, schreiben wir im Blog jeweils „Schwarz“ mit großen „S“.