Was ist Ageism?

„Snowboarden – bist du nicht ein bisschen zu alt dafür?“ – Das ist ein Satz, der verdächtig nach Ageism klingt.

Ageism ist ein anderes Wort für Altersdiskriminierung. Das heißt, dass Menschen allein aufgrund ihres Alters in Kategorien eingeteilt, eingeschränkt, benachteiligt oder sogar beleidigt werden. Und zwar, weil sie angeblich gewisse Kompetenzen, Fähigkeiten und Freiheiten nicht mehr (oder noch nicht) besitzen.

Das zeigt auch der Satz am Anfang. Er deutet an, dass jemand ein „falsches“ Alter für etwas hat. Was im Gegenzug bedeutet, dass es ein „richtiges“ Alter geben muss. Und was eine Gesellschaft als ein akzeptables Alter für etwas ansieht, verrät viel über ihre Werte und Normen.

Wen betrifft Ageism?

Ageism ist weit verbreitet und passiert oft unbewusst. Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 zeigt, dass 15 Prozent der Befragten schon Altersdiskriminierung erlebt haben. Und laut einem Report der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Thema Ageism von 2021 hat jeder zweite Mensch auf der Welt altersdiskriminierende Ansichten.

Theoretisch kann Ageism Personen jeden Alters begegnen, abhängig vom Zusammenhang. Hauptsächlich sind jedoch ältere Menschen betroffen. Manchmal aber auch jüngere.

Es kommt auch häufig zu Überlappungen verschiedener Formen von Diskriminierung. Die Kombination aus Sexismus und Ageism betrifft zum Beispiel Frauen und weiblich gelesene Personen; auch Menschen mit Behinderungen können aufgrund ihres Alters zusätzliche Diskriminierung erleben.

Dabei ist Altersdiskriminierung laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht erlaubt.

Wie sieht Altersdiskriminierung aus und wo findet sie statt?

Ageism zeigt sich unter anderem in diskriminierender Sprache, altersbegrenzenden Regeln, Praktiken oder Kriterien, durch die Vorurteile über ein bestimmtes Lebensalter aufrechterhalten werden.

Im Berufsleben kann es zum Beispiel sein, dass nur „jung-dynamische“ Menschen für ein Team gesucht werden, was nicht mehr so jung-dynamische Menschen von vornherein ausschließt. Eine ältere Person kann unter Umständen aufs „Abstellgleis“ geschoben werden und nur noch unwichtige Aufgaben bekommen. Oder eine jüngere Person wird aufgrund ihres Alters als weniger fähig angesehen und bekommt deshalb weniger Gehalt. Beides ist unfair.

Beim Thema Geld kann es vorkommen, dass Personen aufgrund ihres Alters eingeschränkten Zugang zu Finanzdienstleistungen wie Krediten haben. Oder dass sie höhere Versicherungsbeiträge zahlen müssen – wie jüngere Autofahrer*innen oder ältere Menschen bei Lebensversicherungen.

Im Gesundheitswesen ist Ageism ebenfalls verbreitet. Laut WHO wurde 2020 mit einer systematischen Prüfung festgestellt, dass in den meisten Fällen das Alter bestimmte, wer wann welche Behandlungen erhielt – oder nicht. Das hat sich auch in der Corona-Pandemie gezeigt. „Die Pandemie hat die Verwundbarkeit älterer Menschen deutlich gemacht. Insbesondere derjenigen, die am stärksten ausgegrenzt sind und oft mit überlappenden Diskriminierungen und Hindernissen konfrontiert sind – weil sie arm sind, Behinderungen haben, alleinstehende Frauen sind oder Minderheiten angehören“, sagte Natalia Kanem, Leiterin des UN-Bevölkerungsfonds. Kinder und Jugendliche sind von der Politik dabei komplett ignoriert und im Stich gelassen worden. Ihnen wird auch politische Teilhabe aufgrund ihres Alters schwer gemacht. Dabei steht ihre Zukunft auf dem Spiel.

In Medien, Film und Fernsehen findet Ageism oft in Kombination mit Sexismus statt. Frauenfiguren über 30 Jahren erschwinden in allen Formaten und Genres allmählich vom Bildschirm, wie die Malisa-Studie zu Geschlechterdarstellungen 2017 nachgewiesen hat. Das liegt auch an den Rollen, die Frauen in der Gesellschaft und damit auch in Kino und TV zugewiesen werden: Mütter und/oder Sexobjekte.

Frollein oder diese junge Dame

Ein anschauliches Beispiel für Sexismus plus Ageism ist der Kommentar des Journalisten Christoph von Marshall. Er hat im TV über den Ukraine-Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock gesprochen und sie dabei als „diese junge Dame“ bezeichnet.

Damit wertet er ihre Kompetenz gleich zweifach ab. Als „Dame“ kann sie aufgrund ihres Geschlechts nicht fähig genug sein, um ihre Rolle gut auszuführen. Als junger Mensch fehlt es ihr aufgrund ihres Lebensalters an Erfahrung.

Im Umkehrschluss sind also nur ältere Männer gut und erfahren genug, um in Kriegs- und Krisenzeiten eine Führungsrolle zu übernehmen. Oder auch sonst. Und das zeigt klar, wer in unserer Gesellschaft das Sagen hat – oder gerne hätte.

Bitte keinen Ledermini? Pffft.

Wenn eine weiblich gelesene Person über 50 Jahren enge, knappe, bunte Outfits anzieht, dann gilt das als nicht mehr altersgemäß. Und altersgemäße Kleidung ist ja angeblich sehr wichtig, wie Frauenzeitschriften ständig betonen. Mit 60 Jahren sollen vor allem weiblich gelesene Personen sich „klassisch“ kleiden – bis irgendwann nur noch Midi-Faltenrock, Steppweste und farbloser Blouson im Kleiderschrank sind.

Dahinter steckt eine ordentliche Ladung Sexismus. Nur junge weiblich gelesene Personen „dürfen“ Haut zeigen. Sie werden nach Attraktivität bewertet. Und jung bedeutet attraktiv, weil Jugend vor allem Fruchtbarkeit signalisiert. Denn im Patriarchat sind Frauen vor allem für Sex und Babys da. Wenn eine Frau aber potenziell keine Babys (mehr) austragen kann – wie kann sie es dann wagen, Haut zu zeigen? Womöglich sogar noch faltige?

Das ist Ageism plus Sexismus pur.

Gut gemeinte Sätze wie „Du hast dich aber gut gehalten!“ oder „Du siehst viel jünger aus!“ schlagen übrigens in die gleiche Kerbe. Überspitzt könnte man stattdessen auch gleich sagen: „Was, schon 55? Du wirkst aber, als könntest du noch begattet werden. Toll!“

Respekt für alle!

Egal, wie jung oder alt ein Mensch ist – er verdient Respekt, Rücksicht, Wertschätzung, Fürsorge, Unterstützung und Freiheiten.

Junge Menschen können und dürfen sich zu Politik – wie der Klimakrise – äußern und verdienen es, gehört und ernst genommen zu werden. Weiblich gelesene Personen über 50, 60 oder 70 Jahren können und dürfen vor der Kamera kompetent sein, in Film und Fernsehen wichtige, diverse Rollen spielen oder im Ledermini und bauchfreien Glitzertop rumlaufen. Sich verlieben. Rappen. Snowboard fahren, Schlittschuhlaufen und Surfen lernen. Oder Einhorn-Onesies tragen. 

Sie können und dürfen noch Vollgas im Job geben oder auch ganz neu durchstarten und eine Agentur gründen. Oder ein Buch schreiben. Und auch 80- und 90-Jährige verdienen vernünftige medizinische Behandlung und Respekt im Umgang; sie brauchen sich nicht allein aufgrund ihres Alters abwertend, zynisch oder gar nicht behandeln zu lassen.

Denn Menschen jeden Geschlechts und Lebensalters sind Teil unserer Gesellschaft.

Wie sich Ageism vermeiden lässt:

  • Jüngere und ältere Menschen ernst nehmen und mit Respekt behandeln
  • Keine altersbezogenen Komplimente zu Aussehen oder Outfits machen 
  • Neugierig sein und offen zuhören – Perspektiven jüngerer und älterer Menschen sind genauso wertvoll wie die aller anderen
  • Keine herablassenden Annahmen anstellen, die mit dem Alter zu tun haben
  • Niemanden bevormunden

Sieh dir hier unser Video mit Shary Reeves zum Thema an:

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Links und weiterführende Infos:

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich” oder „männlich” benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.

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Bildquelle: Pinkstinks Germany e. V.