Was ist Gaslighting?

Dieser Artikel ist erstmals erschienen am 1. Juni 2022. Wir haben ihn aktuell überarbeitet.

TW: Im unten stehenden Beitrag geht es um psychische Manipulation und Gaslighting in Beziehungen.

Der Begriff Gaslighting begegnet uns in den Medien immer wieder, aber was bedeutet er überhaupt?

Gaslighting ist eine Form der psychischen Gewalt und Manipulation, bei der eine Person eine andere Person verunsichert, indem sie deren Wahrnehmung leugnet – unbewusst, halbbewusst oder sogar mit voller Absicht.

Die betroffene Person beginnt mit der Zeit, immer stärker an sich selbst, den eigenen Gefühlen, Gedanken und der Realität zu zweifeln. Bis sie schließlich kaum noch zwischen Wahrheit und Einbildung unterscheiden kann und ihr Urteilsvermögen und ihren Verstand infrage stellt.

Der Begriff Gaslighting geht auf das britische Theaterstück Gas Light von 1938 zurück, das 1944 unter dem Titel Das Haus der Lady Alquist mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle verfilmt wurde. In der Geschichte will ein Ehemann seine Frau mit Psychoterror in den Wahnsinn treiben, um an ihr Erbe zu kommen. So sieht die Protagonistin zum Beispiel die Gaslampen im Haus flackern – doch ihr Mann behauptet konsequent, dass es nur Einbildung sei.

Gaslighting wird heute auch als „invalidierende Kommunikation“ bezeichnet. Also die Dinge, die eine Person sagt oder erlebt, als ungültig zu erklären. So wird die (Selbst-)Wahrnehmung erschüttert und dadurch das Selbstvertrauen zerstört.

Wer gaslightet wen?

Gaslighting kommt oft, aber längst nicht nur, in toxischen Beziehungen vor. Eine entscheidende Voraussetzung ist, dass ein Vertrauensverhältnis besteht. Die betroffene Person muss dem Wort des*der Täter*in Wert beimessen und den verdrehten Aussagen glauben. Deshalb kommt Gaslighting so oft in Partner*innenschaften, Familien oder Freund*innenschaften vor. Besonders, wenn narzisstische Menschen involviert sind. Sie neigen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur eher dazu, andere zu gaslighten.

Anfällig dafür sind vor allem einsame, isolierte oder traumatisierte Menschen mit geschwächtem Selbstvertrauen. Alle Geschlechter können betroffen sein, dabei erleben Frauen in unserer Gesellschaft laut einer Studie aber häufiger Gewalt in Beziehungen als Männer – sowohl körperliche als auch psychische. Genauer gesagt: jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben.

Beim Gaslighting spielen nämlich auch gesellschaftliche Machtverhältnisse und Hierarchien eine Rolle, wonach das Männliche dem Weiblichen überlegen zu sein hat. Deshalb kann es sein, dass eine unsichere männliche Person in der heterosexuellen Beziehung das Bedürfnis hat, die weibliche zu kontrollieren. Außerdem wird im Patriarchat alles Weibliche oftmals als irrational, gefühlsduselig und dramatisierend abgetan; das Wort und die Wahrnehmung einer Frau oder weiblich gelesenen Person zählen weniger.

Kurz gesagt: Das Machtgefälle der Gesellschaft steckt auch in Paarbeziehungen. Und (psychische) Gewalt ist ein Weg, um es zu erhalten.

Doch auch in Beziehungen zwischen Elternteil und Kind oder im Job zwischen Vorgesetzten und Angestellten kann Gaslighting vorkommen. Überall all da, wo es mehr oder weniger unterschwellig um Macht, Hierarchien, Kontrolle und Unsicherheiten geht.

Wie genau sieht Gaslighting aus?

Das Gefährliche am Gaslighting ist, dass es schleichend und unauffällig abläuft und deswegen oft nicht leicht erkennbar ist. Besonders, weil dem Wort der gaslightenden Person erst mal geglaubt wird. Zum Beispiel, weil es ein*e geliebte*r Partner*in ist, ein Elternteil oder eine Autoritätsperson.

Ein typischer Satz ist beispielsweise: „Das bildest du dir nur ein. Das war ganz anders.“ Dadurch wird direkt die Wahrnehmung infrage gestellt. Die betroffene Person fragt sich, ob sie sich das Erlebte vielleicht tatsächlich nur eingebildet haben könnte und wird verunsichert.

Noch ein Beispiel für Gaslighting: „Du drehst mir das Wort im Mund um! Du willst mich wohl missverstehen.“ Dadurch wird der anderen Person nicht nur ihre eigene Wahrnehmung kleingeredet – sie wird auch noch auf fiese Weise selbst dafür verantwortlich gemacht. Und soll Schuld empfinden.

Weitere beispielhafte Sätze sind „Ach, du übertreibst mal wieder! Sei nicht immer so dramatisch“ oder „Jetzt stell dich mal nicht so an wegen Nichts!“ Dadurch wird eine tatsächliche Grenzüberschreitung kleingeredet. Auch das zielt darauf ab, die Einschätzung des*der Betroffenen als ungültig und unangemessen abzutun.

Dabei ist es okay und wichtig, ein Gefühl oder einen Eindruck auch so auszudrücken, wie es wahrgenommen und erlebt wurde.

Was steckt dahinter und was sind die Folgen? 

Die gaslightende Person übt durch die Manipulation Macht über den*die Betroffene*n aus. Dadurch wertet sie sich selbst auf und erlebt ein Gefühl von Stabilität, Kontrolle oder auch Genugtuung. Das stärkt den eigenen Selbstwert und das zerbrechliche Ego. Vielleicht, weil der*diejenige in seinem oder ihrem Leben selbst erniedrigt, verunsichert oder traumatisiert wurde. Das ist keine Entschuldigung, aber eine mögliche Erklärung.

Bei der manipulierten Person hingegen werden mit der Zeit die Selbstzweifel immer stärker. Gleichzeitig schrumpfen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.

Oft isolieren die Gaslightenden die Betroffenen auch gezielt, sodass ihre Manipulation, Verdrehungen und Lügen nicht durch Dritte überprüft werden können. Wie im Theaterstück und Film wissen die Betroffenen irgendwann nicht mehr, was wirklich passiert ist und was sie sich eventuell eingebildet haben. Ihre eigene Wahrnehmung bietet keinen Halt mehr und es gibt in ihrem Umfeld niemanden, den*die sie sonst fragen könnten.

Das ist schlimm und hat schwere Folgen für die psychische Gesundheit. Gaslighting kann Menschen in ernste Krisen treiben, zu Wahnzuständen, Angst- und Panik-Attacken, posttraumatischer Belastung oder Depressionen führen.

Was lässt sich gegen Gaslighting tun?

Am Allerwichtigsten: Sich selbst und der eigenen Wahrnehmung vertrauen. Kontakt zu vertrauenswürdigen Personen suchen und über die entstandenen Zweifel sprechen. Außenstehende können solche Situationen meistens klarer sehen.

Im Gespräch klare Grenzen setzen. Zum Beispiel mit Sätzen wie: „Ich weiß, was ich gesehen, erlebt, gefühlt habe und du kannst mich nicht vom Gegenteil überzeugen“; „Meine Wahrnehmung steht nicht zur Diskussion“; „Wir haben offenbar unterschiedliche Erinnerungen daran“ oder „Ich sehe es definitiv anders“.
Als betroffene Person kann man die gaslightende Person darauf ansprechen und auch darum bitten, dass sie sich in Therapie begibt – solange man sich selbst dadurch nicht in Gefahr bringt.

Aber: Es liegt nicht in der Verantwortung der betroffenen Person, das Verhalten der gaslightenden Person zu dulden, auch wenn sie schon Schritte unternimmt, sich zu ändern. Oft sehen die Täter*innen ihr Verhalten aber auch gar nicht ein und wollen sich nicht ändern. Wenn es möglich ist, dann sollten Betroffene an diesem Punkt aus der Freund*innenschaft oder Beziehung aussteigen oder auf Abstand gehen.

Denn Menschen, die es aufrichtig gut meinen und die eine andere Person gernhaben, hören zu, nehmen deren Sichtweise ernst und respektieren ihre Grenzen.

Hier könnt ihr euch unser Video zum Thema ansehen:

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Informationen und Hilfe bei Gaslighting

Du hast dich bei diesem Thema angesprochen gefühlt? Wir haben dir einige Anlaufstellen rausgesucht:

  • Nummer gegen Kummer: 116 111
  • Gewalt LOS werden
  • Frauen gegen Gewalt e.V.
  • Hilfetelefon für Frauen, die von psychischer oder physischer Gewalt betroffen sind. Online oder telefonisch unter 116 016.
  • Hilfetelefon explizit für Männer, die von psychischer oder physischer Gewalt betroffen sind: Online oder unter 0800 1239900.
  • Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder auch online.

Weitere Links und Infos


Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich und männlich gelesenen Personen betreffen. Häufig greifen wir auch Statistiken auf, die meistens leider nur die binären Geschlechter “Frau” und “Mann” berücksichtigen. 

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Bildquelle: Pinkstinks Germany e. V.