Intersekt… Prost? Intersektionalität. Inter-sektio-nali-tät. Sieht aus wie ein kompliziertes Wort. Ist es auch. Aber es ist ein sehr wichtiges Wort. Was es bedeutet? Einfach ausgedrückt: die Überlappung und gegenseitige Verstärkung verschiedener Formen von Diskriminierung.
Zum Beispiel wegen…
- Hautfarbe und Geschlecht*
- Gesellschaftsschicht und Hautfarbe
- Geschlecht und Gesellschaftsschicht
- Behinderung und Geschlecht
- Geschlecht und Hautfarbe und Behinderung und Gesellschaftsschicht
… und so weiter.
*(uns ist bewusst, dass Hautfarbe und Geschlecht soziale Konstrukte sind)
Jedes einzelne davon kann belastende Diskriminierungserfahrungen bedeuten. Aber jemand wird eben nicht nur ENTWEDER wegen der gesellschaftlichen Herkunft ODER dem Geschlecht benachteiligt, sondern wegen beidem gleichzeitig. Oder beliebig mehrfach. Anders gesagt: Jede*r kann eigene Erfahrungen mit mehreren gleichzeitigen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung machen.
Wie Straßen an einer Kreuzung überschneiden sich auch soziale Ungleichheiten.
Schule gegen Sexismus
Der Begriff Intersektionalität kommt aus dem Amerikanischen und geht auf „intersection“ – also Kreuzung – zurück. Geprägt hat ihn die US-Juristin und Aktivistin Kimberlé Crenshaw in den späten 1980ern. Ihr ist damals aufgefallen, dass Gender und Hautfarbe getrennt voneinander betrachtet wurden. Das ergab in ihren Augen keinen Sinn. Denn wie Straßen an einer Kreuzung überschneiden sich auch soziale Ungleichheiten. „Nicht alle Ungleichheiten sind gleich“, sagt sie.
Was sind Beispiele für Intersektionalität?
Ein paar Beispiele: Ein queeres Arbeiterkind steht vor anderen Herausforderungen als ein queeres Akademikerkind. Eine Schwarze Frau macht andere Diskriminierungserfahrungen als ein Schwarzer Mann; eine trans Frau mit Rollstuhl andere als eine trans Frau ohne… Der Punkt dabei: Die Überlappung verstärkt die Ungerechtigkeit, Benachteiligung und Probleme.
Noch ein konkreteres Beispiel: Das Arbeitsministerium will Haushaltshilfen bezuschussen. Klingt im ersten Moment gar nicht schlecht und nach einer Entlastung. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: An den ungerechten Strukturen – dass Haus- und Sorgearbeit noch immer überwiegend als Frauenarbeit gilt – ändert so ein Zuschuss nichts.
Und wer hilft eigentlich der eingestellten Haushaltshilfe, die sehr wahrscheinlich auch eine Frau und dazu vermutlich finanziell weniger gut gestellt ist, im Haushalt? Genau: Hier greifen strukturelle Diskriminierungen gegen Frauen und gegen Menschen aus weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten ineinander. Besser wäre es, die Gesellschaft so zu verändern, dass ALLE Menschen die gleichen Entscheidungsmöglichkeiten, Chancen, Rechte und Pflichten haben.
Und noch ein letztes Beispiel: ADHS ist eine weithin ziemlich bekannte neurodiverse Diagnose. Allerdings gibt es nur wenig Forschung zu ADHS bei erwachsenen Frauen. Und zwar deshalb, weil lange davon ausgegangen wurde, dass es sich um ein männliches Problem handelt. Darum werden viele Frauen nicht diagnostiziert und behandelt, obwohl sie mit den gleichen Symptomen leben müssen.
Die intersektionale Perspektive
Also, Intersektionalität macht auf die Schnittmengen von Diskriminierungen gegenüber einer Person oder einer Gruppe von Menschen aufmerksam, die keine gut gestellten, gesunden, gebildeten, weißen, heterosexuellen cis Männer sind.
Deshalb ist es ist so wichtig, Formen von Benachteiligung nicht einzeln zu betrachten, sondern sie übereinander zu legen. Und so die Zusammenhänge zu erkennen. Nur eine intersektionale Perspektive macht Ungleichheiten und Unterdrückungen sichtbar, die durch – zum Beispiel Geschlecht – allein nicht genug erklärt werden können. Und nur, wenn wir etwas erkennen, können wir auch etwas dagegen tun.
Dabei gegen eine Ungerechtigkeit allein zu kämpfen und andere auszublenden – zum Beispiel Feminismus ohne Klassismus oder Rassismus zu denken – das ist ziemlich eindimensional, unsolidarisch und außerdem von vorgestern.
Hier kannst du unser Video mit Saskia Michalski zu Intersektionalität sehen:
Mehr Links und Infos:
Kimberlé Crenshaws bahnbrechender Aufsatz „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex“ von 1989 (engl.) und ihr Artikel „Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence against Women of Color“ von 1991 (engl.)
Intersektionalität: Erfolgskonzept gegen Diskriminierung? – VOX POP – ARTE
Buch von Emilia Roig: Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung
Artikel bei UN Women: Intersectional feminism: what it means and why it matters right now (engl.)
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.
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Bildquelle: Pinkstinks