Wenn’s Frauen mögen, ist es nicht schlimm?

„Naja, wenn auch Frauen es mögen, dann kann es ja so schlimm nicht sein.“
Hinter diesem zunächst sehr unscheinbaren Satz verbirgt sich in Wahrheit eines der zentralen Motive, um beinahe jeden Unfug irgendwie zu rechtfertigen. Und weil heute Valentinstag ist, dachten wir, wir reden mal über diesen merkwürdigen Mechanismus, mit dem tatsächliches oder vorgetäuschtes Interesse von Frauen dazu dient, alle möglichen Produkte, Formate und Inhalte zu rechtfertigen. Die aktuelle Ausgabe von „Naja, wenn auch Frauen es mögen, dann kann es ja nicht so schlimm/wird es irgendwie schon auch ganz geil sein“ lautet „Warum emanzipierte Frauen den Sexismus lieben“ und ist Hot Topic bei der Welt.

Junge Frauen, so lautet die These darin, wären zwar einerseits woke, umweltbewusst und weltretterisch unterwegs, würden aber andererseits in ihrer Freizeit gerne zur Musik sexistischer Rapper tanzen und sich für Rapperinnen begeistern, die sich selbst in sexistische Kontexte stellen. Das klingt nach einem echtes Aufregerthema, ist bei näherer Betrachtung tatsächlich aber nur zum Gähnen. Erstens, weil hier Sexismus großflächig als Nacktheit und Sexualisierung verstanden wird und nicht als Diskriminierung aufgrund von Geschlecht. Und zweitens, weil das Interesse einiger Frauen einmal mehr dafür herhalten soll, etwas grundsätzlich zu legitimieren. In patriarchal-sexistischen Gesellschaften ist das mit einer der ältesten Tricks, die man zur Systemstabilisierung und zum Machterhalt benutzt. Es ist der Komm schon, du willst es doch auch!-Move. Und er wird quasi überall angewendet. Frauen lieben zum Beispiel Geländewagen: „Je dünner und blonder die Frau, desto größer das Auto“.

Übrigens ein Thema, über das dermaßen „viel zu wenig geredet wird“, dass es seit Jahr und Tag immer wieder durch die bevorzugt eher konservative Presse geistert. Frauen lieben auch True Crime – also die erzählerische Präsentation von wahren Verbrechen.

Das Problem an einer Behauptung wie dieser ist nicht, dass sie womöglich nicht stimmt. Tatsächlich sind es hauptsächlich Frauen, die das True Crime Magazin vom Stern konsumieren und entsprechende Podcasts hören. Die Gründe dafür lassen sich sehr ernsthaft und wenig reißerisch analysieren.

Frauen als Alibi

Das Problem an dieser und allen anderen ähnlich gelagerten Behauptungen ist, dass sie zumeist nur der Rechtfertigung fragwürdiger Dinge, Inhalte und Umstände dienen: Wenn Frauen True Crime mögen, dann kann die Darstellung von Gewaltverbrechen, bei denen Frauen immer wieder das Opfer sind, ja nicht so schlimm sein. Wenn Frauen fette SUVs fahren, dann ist das Fahren von SUVs nicht so schlimm oder das Aufregen über SUVs scheinheilig, denn der Protest gegen die sich in vollem Gang befindliche Klimakatastrophe ist vor allem weiblich. Deswegen wird Frauen gerne der Vorwurf des unökologischen Verhaltens von Männern gemacht, die es nie versucht haben und denen Umweltschutz als unmännlich gilt. Komm schon, du willst doch auch fliegen. Komm schon, du willst doch auch billiges Fleisch essen. Frauen werden immer wieder als Kronzeuginnen für das Festhalten und Abfeiern von Missständen herangezogen. Wenn, dann. Wenn Frauen gerne Germany’s Next Topmodel gucken, dann kann es ja wohl nicht so schlimm sein. Komm schon, du willst es doch auch!

Worüber wirklich zu wenig gesprochen wird, ist das kleine Wörtchen auch. Was soll das alles, wer hat ein Interesse daran, dass Frauen es auch wollen? Ganz einfach diejenigen, die „es“ schon immer wollten und es gerne auch weiterhin ungestört wollen möchten. Möglichst mit wenig Widerstand, am besten noch mit Applaus. Bevor wir also die nächste Runde „Haha, Frauen machen/mögen/befürworten das ja auch“ drehen, sollten wir lieber einmal mehr hinschauen, wer sich hinter diesem auch versteckt und gerne über alles andere als die eigene Verantwortung und Beteiligung reden möchte. Das heißt nicht, dass Frauen nicht kritisiert werden sollten. Kritikwürdiges Verhalten muss kritisiert werden können. Aber jedes Mal, wenn Männer mit den Worten „die will es ja auch“ auf Frauen deuten, ist eine gute Gelegenheit, um kurz innezuhalten und sich kurz zu fragen: Warum erzählst du mir das und was genau ist hier eigentlich das Problem?!

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquelle:PeopleImages/istock