Machen Autos dicke Eier?

Ein aktueller Blick in die Werbemelder.in zeigt vor allem eins: Autos! Nicht nur, weil sexistische Werbung oft auf Firmen-Pkws prangt. Sondern weil für „irgendwas mit Auto“ oft nur „Männer“ als Käufer gesehen werden. Kaufen Frauen keine Autoteile? Fahren nicht zur Autowaschanlage? Leihen keine Autos? Oder fühlen sie sich in der Autowelt weniger ermächtigt, sich über solche Werbung zu beschweren?

Ich war im Sommer auf Mallorca. In einem Urlaubsort stellte ein deutscher Künstler in seinem kleinen Atelier seine Kunst aus. Neben Landschaftsbildern gab es ein „Aktbild“, das er täglich auf die Straße stellte: Es zeigte einen weiblichen Torso (ohne Kopf) mit steil abstehenden Brüsten. Das hätte mich nicht geärgert, wenn er daneben einen überstilisiert langen, fetten Penis oder andere Geschlechtsteile ausgestellt hätte. Doch es kostete mich einigen Mut und mehrere Tage des täglichen Dran-Vorbeigehens, bis ich ihn ansprach und mitteilte, dass ich leider null Interesse hätte, mir seine Kunst als Kundin genauer anzuschauen – wenn er diese Objektifizierung von Frauen, die wir täglich erleben, so alleine dastehen lasse. Er regte sich ordentlich über mich auf, wurde hochrot vor Wut und versuchte, sich zu beherrschen. Am nächsten Tag prangte ein perfekt runder Männerhintern neben den Gaultier-Brüsten. Das war doch immerhin ein Anfang. 

Aber da ich anscheinend die Einzige war, die sich an seiner Einstellung störte, hatte mein Herz sehr stark geklopft, als ich ihn endlich ansprach. Wie anders war das Gefühl bei uns auf Pinkstinks, wenn sich 150.000 Menschen in unseren Netzwerken selbstverständlich kritisch über sexistische Werbung äußern.  

Aus der Werbemelder.in: Waschanlage in Laatzen

Ich schreibe das, weil ich mich frage, wie sich Frauen fühlen, die – gerade in Kleinstädten, in denen es weniger lauten Feminismus als in der Großstadt gibt – zu einer Autowaschanlage fahren, auf der ihr Geschlecht als sexy Wäscherin (Schaum, Brüste, nackter Hintern) neben dem Eingang zur Anlage strahlt. Vielleicht die einzige Waschanlage im Ort. Es ist verdammt schwer, zum Chef zu gehen und zu sagen: „Tschuldige mal, Horst (weil – man kennt sich vielleicht), aber hackt es jetzt bei euch? Muss ich jetzt den ganzen Weg nach Hamburg fahren, um mein Auto dort zu waschen? Nein, Horst, ich bin nicht prüde. Es ist nur 2021!“ Genau wie ich mich hoch unsicher auf Malle fühlte, weil das nicht „meine Hood“ war, wird uns bei Pinkstinks oft berichtet, wie schwer es ist, gegen die meist noch traditionelleren Strukturen auf dem Land anzugehen. Gemeinsam ist es einfacher.  

Deshalb gibt es bei Pinkstinks eine Meldestelle für sexistische Werbung, die Werbemelder.in. Wir bekommen jährlich ca. fünfmal so viel Werbung eingereicht wie die Meldestelle der Deutschen Werbeindustrie, der Deutsche Werberat. Warum? Weil unsere Meldestelle mittlerweile sehr viel bekannter ist und durch unsere Reichweite und unsere medialen Proteste als effektiver wahrgenommen wird. 

Ein aktueller Blick in die Werbemelder.in zeigt vor allem eins: Autos! Nicht nur, weil sexistische Werbung vorrangig noch auf Autos gedruckt wird und damit über Autobahnen fährt. Sondern weil überall, wo nicht Großstadt ist, auf Dingen, die mit Autos zu tun haben, anscheinend nur sexistische Männer angesprochen werden sollen. Als wären Männer im Auto-Terrain alleine, würden im Auto ständig masturbieren und dabei alle die selbe Fantasie haben. Also sorry, Horst, Karl oder Fritz, aber du hast sicher auch schwule Kunden. Oder Kunden, die nicht dort kaufen, wo ihnen ungemütlicher Sex im Auto mitverkauft werden soll. Das ist denen zu plump.

Oder Kunden, die, wenn sie tierischen Hunger an der Raststätte haben, nicht auch noch Sex haben wollen. Bitte, nicht jetzt, nicht auch noch das. 

Und, jetzt halte dich fest, vielleicht Kundinnen, die dringend ein Autoteil brauchen, aber ganz sicher keinen widerlich süffisant grinsenden Typen, der allen erzählt, wie geil ihr Blowjob war. 

Oder sich als Frau Verkäufer vorzustellen, die Frauen generell nur nackt am Steuerrad sehen.  

Außerdem gibt es bestimmt viele Menschen, denen es am Ende des Tages grandios peinlich wäre, ihren Wagen in diesem Carport zu parken. 

Aus der Werbemelderin.

Oder ihr Motorrad. Auf dem sie übrigens auch nicht ständig davon träumen, auf Landschaften zu fahren, die wie Frauenhintern aussehen – das ist ihnen nicht nur zu 90-er Jahre machohaft, sondern zu infantil. 

Aus der Werbemelderin.

Wie Werbung übrigens besser geht und – echt Horst, verkauft sich besser! – höhere Gewinne erzielt, haben wir vor einigen Jahren hier zusammen mit großen Hamburger Werbeagenturen erklärt: 

Inzwischen können wir zum Pinken Pudel, unserem jährlichen Positivpreis für gendergerechte Werbung, zwischen den großen Auto-Playern Opel, Audi, VW und Mercedes die Gewinner auswählen, z.B. Mercedes 2020: 

Die großen Automarken sind also schon viel weiter. Die Zeiten gendern sich, lieber Horst – auch bei dir in Laatzen. Sehr gerne beraten wir dich, was vielleicht ansprechender für deine Zielgruppe wäre als „Waschfrauen“ neben dem Eingang deiner Anlage. Das Herz fürs Handwerk-Video wollen wir bald wiederholen – wir werden deine Waschanlage als einen Fall mitnehmen, den Hamburger Top-Agenturen in kurzer Zeit umarbeiten sollen. Wir melden uns dann bei dir mit dem Resultat! Damit du sehr viel mehr Kund*innen bekommst. Und zufriedenere. 

Herzlichen Gruß

Stevie

PS: Ihr könnt es euch denken: Wir haben viel damit zu tun, die vielen Einsendungen in die Werbemelder.in zu bewerten. Aber nach welchen Kriterien bewerten wir Werbung, die viele „sexistisch“ finden? Wir arbeiten nach der Gesetzesnorm der Juristin Dr.in Berit Völzmann, die es 2016 fast in das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb geschafft hätte. Wäre sie implementiert worden, kann man bei uns sehen, was heute abgehängt werden müsste, was nicht, und was „in Zweifel für den Angeklagten“, also Grauzone, bleibt. Mehr zu unseren Kriterien lest ihr in der Werbemelder.in! 

Kommentare zu diesem Text könnt ihr uns in unseren Netzwerken hinterlassen und dort mit insgesamt 120.000 Menschen teilen!

Bildquelle: Taneli Lahtinen/Unsplash