Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Nicht nur Georg Diez vom Spiegel fand es erwartbar: Der reaktionäre Backlash auf die #MeToo Debatte und die zahlreichen Artikel darüber, dass die Stimmen viel zu laut, zu schrill und zu überzogen sind, kamen schnell und fielen deutlich aus. Frauen, die „nur“ Sexismus erfahren haben, wurde nahegelegt, sich rauszuhalten, um Platz für die „echten“ Opfer zu machen. Opfer von sexualisierter Gewalt forderte man auf, sich gefälligst zur Wehr zu setzen, weil es ja für jeden Trump, der einer Frau in den Schritt greift, eine Frau gäbe, die das mit sich machen lässt.

Trotzdem ebbt die Debatte nicht ab und das ist gut so. Auch und gerade für Männer. Nicht nur weil sie Anlass bietet, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen, sondern weil Männer auch einen Schritt haben, in den man zuweilen gegen ihren Willen greift. Weil Männer ebenfalls zu Opfern gemacht werden können. Was das genau bedeutet, veranschaulicht dieser Tage auf ziemlich beeindruckende Weise Terry Crews. Crews ist ehemaliger Profi-Footballspieler und betätigt sich mittlerweile seit einigen Jahren erfolgreich als Schauspieler. Ein schwarzer, muskelbepackter, 1,91 Meter großer Hüne, der seine enorme körperliche Präsenz mit einem Talent für Komik verbindet

und gegenwärtig in der beliebten Serie Brooklyn Nine-Nine spielt, die ohne ihn nicht halb so witzig und sehenswert wäre.

Aber Terry Crews ist auch ein Opfer. In den letzten Wochen berichtete er immer wieder davon, wie er vor einem Jahr auf einer Party in Hollywood im Beisein seiner Frau von einem bekannten Filmagenten belästigt und gegen seinen Willen berührt wurde.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Schauspieler in den Enthüllungen um Harvey Weinstein die Stimme erhebt, um darauf hinzuweisen, dass sich diese Form der übergriffigen Machtdemonstration auch gegen Männer richtet – insbesondere gegen jüngere Männer. Wenige Tage bevor Alyssa Milano unter dem Hashtag #MeToo Zehntausende versammelte, berichtete James Van Der Beek darüber, dass er zahlreichen Übergriffen von älteren, mächtigen Männern ausgesetzt war.

https://twitter.com/vanderjames/status/918349928547708929?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.salon.com%2F2017%2F10%2F12%2Fjames-van-der-beek-tells-his-story-of-sexual-abuse-a-powerful-reminder-that-men-can-be-victims-too%2F

Und wenn man etwas genauer recherchiert, dann hat auch Terry Crews zu einem sehr frühen Zeitpunkt verlauten lassen, dass er einen solchen Übergriff erdulden musste. Nur hat er damals keinen Namen genannt, weil er berufliche Einbußen befürchtete. Nun tut er es – im vollen Bewusstsein, dass Hollywood sich deswegen womöglich von ihm abwendet, und ihm viele Außenstehende nicht glauben wollen oder können, weil in ihren Augen ein entscheidendes Kriterium zum Opferstatus fehlt: Hilflosigkeit. Terry Crews wirkt auf den ersten Blick so, als wäre er jederzeit Herr der Lage und allein schon aufgrund seiner schieren physischen Kraft unmöglich zum Opfer zu machen. Wer Crews sieht, der stellt sich vielleicht vor, dass er einen Angreifer wie ein Blatt Papier zusammenknüllt und in den Mülleimer wirft, aber nicht dass er sich womöglich ohnmächtig fühlt. Mit dieser Fremdwahrnehmung spielen er und die verantwortlichen Drehbuchautor*innen auch immer wieder in seinen Rollen.

Dass Crews sich davon abgesehen sehr wohl ohnmächtig fühlen kann, ist jedoch viel naheliegender, als man meinen möchte. Er will auf einer Party mit wichtigen Leuten keine Szene machen, er will diesen einflussreichen Agenten nicht zum Feind haben und er will grundsätzlich keine Gewalt anwenden. Er will auch nicht nach möglicher Gegenwehr von der Polizei verhaftet werden, weil die in ihm das Klischee des wütenden schwarzen Mannes sieht, der wegen einer Nichtigkeit auf einen Weißen losgeht. Statt also die rassistische Frage „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ zu stellen, sollten wir uns lieber fragen, wovor Terry Crews Angst haben könnte. Davor, seinen Job oder die Kontrolle zu verlieren und völlig auszurasten zum Beispiel. Als Schwuchtel bezeichnet zu werden, weil ihn ein anderer Mann gegen seinen Willen an den Genitalien berührt hat. Als homophob identifiziert zu werden, weil er aus einem homosexuellen Annäherungsversuch so eine große Sache macht. Oder auch davor, die Versuche ihn mundtot zu machen, nicht mehr richtigstellen zu können, weil ihm niemand glaubt. Terry Crews hat die Agentur, die ihn lange Jahre vertreten hat, inzwischen verlassen. Es ist dieselbe Agentur, mit der der von ihm benannte Täter nach einer einmonatigen Suspendierung immer noch zusammenarbeitet. Dieselbe Agentur, die ein ganzes Jahr lang nichts tat, obwohl sie frühzeitig von Crews informiert wurde, und dann ganz aufgeregt anrief, als er begann, darüber zu twittern. Inzwischen tut er sehr viel mehr als das und sucht sich Verbündete, um Hollywood zum Umdenken zu bewegen. Und ganz nebenbei fordert er auch noch stereotype Männlichkeitsbilder und rassistische Vorurteile heraus. Gut, dass Terry Crews sich einmischt. Denn, um es mit ihm zu formulieren:

„Es ist Zeit, dass Männer andere Männer dafür, dass sie solche Dinge tun, zur Verantwortung ziehen.“