Werbung für Sexarbeit und die Werbemelder*in

Dass sexy nicht immer sexistisch sein muss und unser Feminismus nicht gegen Sex, Lust oder Nacktheit kämpft, haben wir schon in zahlreichen Blogeinträgen deutlich gemacht. Es geht uns um Abwertung und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, nicht um die Tabuisierung von Sex. Darstellungen von Nacktheit oder Sexiness sind, solange sie nicht strukturell sexistisch sind und/oder diskriminierende Stereotype reproduzieren, nicht das Problem.


Deswegen ist beispielsweise eine solche Werbung für uns auch nicht sexistisch, weil sie kein sexualisiertes Machtgefälle zeigt, eine Frau nicht zu einem Objekt macht und auch keine stereotypen Rollenbilder reproduziert:

Auch bei der Einordnung der bei der Werbemelder*in eingereichten Motive prüfen wir immer wieder genau, ob es sich bei dem eingereichten Motiv nach unseren Kriterien um eine sexistische Werbung handelt oder nicht. Dabei fragen wir uns unter anderem:

Handelt es sich um eine Herabwürdigung aufgrund von Geschlecht?
Gibt es einen Bezug des Motivs der Werbung zu dem beworbenen Produkt/der beworbenen Dienstleistung?
Werden die dargestellten Personen als Objekte dargestellt, zum Beispiel mit einem Produkt oder Dienstleistung gleichgesetzt?
Wird sexuelle Verfügbarkeit suggeriert?
Ist ein geschlechtsbezogenes Über-/ Unterordnungsverhältnis vorhanden?

Treffen diese Fragen zu, handelt es sich um eine sexistische Werbung nach unseren Kriterien.

„Aber was ist denn nun mit Sexarbeit? Ist es nicht total sexistisch dafür zu werben?“

Mit dieser Frage sehen wir uns seit dem Start der Werbemelder*in konfrontiert und möchten unsere Einschätzung von Sexarbeitswerbung hier einmal ausführlich erläutern.

Sexarbeit ist nicht nur für den Feminismus ein explosives Thema. Sie hat auch in der Werbung eine gesonderte Zuständigkeit. Für Sexarbeit und die damit verbundene Werbung gibt es eine eigene Gesetzgebung, das Prostituiertenschutzgesetz. Damit sind  die entsprechenden Ordnungsämter zuständig. Sie überwachen, dass die Werbung keinen Geschlechtsverkehr ohne Kondom und/oder mit Schwangeren anpreist, gegen Jugendschutzbestimmungen verstößt und – hier wird es ziemlich schwammig – „Aufmachung, Inhalt oder Umfang in der gebotenen zurückhaltenden Form“ erfolgt.

Wir haben beschlossen, dass wir in der Werbemelder*in diese Regeln zusätzlich zu unseren Kriterien übernehmen. Zum einen, weil wir unser Monitoring sexistischer Werbung im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend der Bundesrepublik Deutschland absolvieren und somit von bestehenden deutschen Gesetzen und der Legalität von Sexarbeit ausgehen. Zum anderen, das ist kein Geheimnis, weil sich Pinkstinks für die rechtliche Absicherung von Sexarbeiter*innen und gegen Zwang, Gewalt und Ausbeutung positioniert. Neben den Vorgaben zu Werbung durch das „Prostituiertenschutzgesetz“ ist das die Prämisse, auf deren Basis wir Werbung für Sexarbeit bewerten und kategorisieren wollen.

Wir verfahren im Prinzip genau so, wie wir mit Werbung sonst auch umgehen, mit dem Unterschied, dass es bei Werbung für Sexarbeit selbstverständlich einen Produktbezug gibt, wenn sexuelle Anziehung suggeriert wird. Schließlich ist die beworbene Dienstleistung ja Sex. Leider ist die sexuelle Anziehung, die in der gängigen Sexarbeitswerbung suggeriert wird, in vielen Fällen eine patriarchal geprägte. Viel zu selten ist das Werbebild für Sexarbeit, in dem eine Frau stark blickt und man instinktiv denkt: Die zieht sich erst aus (wenn das zur Dienstleistung gehört), wenn der*die Kund*in sich anständig benimmt und den Preis verstanden hat.

Davon sind wir leider noch weit entfernt – die einen meinen (dazu gehören wir), weil Sexarbeit nach wie vor herabgewertet und in der Schmuddelecke gehalten wird, die anderen, weil ‚Prostitution‘ in Deutschland einem von Männern geleiteten Markt untersteht (Abolitionist*innen). Die Diskussion hierzu führen wir gerne mal in einem anderen Blogeintrag.

Selbstverständlich sind Sexismus und Misogynie in der Werbung für Sexarbeit genauso wenig in Ordnung wie in der restlichen Werbeindustrie. Gleichzeitig muss es möglich sein, für Sexarbeit als Dienstleistung werben zu können, ohne den eigentlichen Inhalt der Dienstleistung vollkommen zu verschleiern: Kommen Sie zu Sie wissen schon, fragen Sie nach Sie wissen schon und freuen Sie sich auf Sie wissen schon ist keine Option. Eine legale Dienstleistung darf auch beworben werden. Auch wenn zum Beispiel diese Werbung eines Kölner Fotostudios

nackt und erotisiert daherkommt und gleich mehrfach eingereicht wurde, bewirbt sie produktbezogen genau die Dienstleistung, die das Fotostudio anbietet: Erotische Fotografie. Den platten Werbespruch hätte sich das Studio unserer Meinung nach zwar gerne sparen können, aber nach eingehender Prüfung wurde deutlich, dass der Produktbezug eindeutig gegeben ist. Aus solchen Gründen sichten wir alle Einreichungen auf Basis unserer Kriterien und pinnen erst dann die Werbung, die wir als sexistisch einstufen auf unserer Karte.
Wenn wir Werbung für Sexarbeit bewerten, stellen wir uns unter anderem Fragen wie:

Wird ein sexualisiertes Machtgefälle dargestellt?
Wird ein Mensch objektiviert und herabgewürdigt?
Handelt es sich um eine Abwertung aufgrund von Gender oder Race?

Beantworten wir eine dieser Fragen mit „Ja“, handelt es sich um eine sexistische Werbung.

Damit wäre beispielsweise eine solche Werbung sexistisch, da sie eine Frau mit einem verzehrbaren Objekt gleichsetzt:

Ebenso eine solche Werbung, da sie erwachsene Frauen mit minderjährigen Mädchen gleichsetzt – ein wiederkehrendes Thema in der Werbung allgemein, das uns immer wieder maßlos ärgert.

Eine solche Werbung aber nicht, da sie einfach nur auf die beworbene Dienstleistung hinweist.

Dass wir bei der Bewertung von Werbung nicht immer mit dem Gesetzgeber einer Meinung sind zeigt sich an folgendem Beispiel. So wurden 2013 diese Plakatwerbungen für ein Bordell in München erst einmal nicht entfernt.

Anwohner*innen hatten sich zwar beschwert, aber der Werberat verwies sowohl auf die Zuständigkeit des Ordnungsamts als auch auf die Legitimität von Werbung für eine legale Dienstleistung. Und das Ordnungsamt fand nichts zu beantstanden. Stattdessen war schließlich eine Markenrechtsklage der Firma Ferrero wegen der Verwendung des Begriffs Mon Cherie erfolgreich. Nach unseren Kriterien ist diese Werbung sexistisch, da sie ähnlich wie die Werbung oben eine Frau mit einem verzehrbaren Objekt gleichsetzt. Ein klarer Fall für unsere Rubrik: Frauen als Beilage!

Insgesamt lässt sich nach der Sichtung der bei uns eingereichten Werbemotive zu Sexarbeit aber sagen, dass für Sexarbeit nicht sexistischer geworben wird als sonst auch. Vergleicht man die Einreichungen für Sexarbeitswerbung mit der eingereichten Werbung vieler mittelständischer Unternehmen, sind die mittelständischen Unternehmen eindeutig vorne, was herabwürdigende und sexistische Darstellungsweisen angeht. Außerdem wird sehr oft auf Sexarbeit Bezug genommen, obwohl die beworbene Dienstleistung nichts mit Sexarbeit zu tun hat, indem zum Beispiel Autovermietungen mit halbnackten Models und dem Spruch “Miete mich für 49 Euro“ werben.

Hier ist kein Bezug zu der Dienstleistung vorhanden, da es sich um eine Autovermietung handelt. Das Model dient nur als Deko und die Sexualisierung ist als reiner Blickfang gedacht.
Auch hier wird so getan als würde für Sexarbeit geworben und nicht für Fahrradsättel (!). Es wird ohne Produktbezug sexuelle Verfügbarkeit suggeriert. Das macht diese Werbung nach unseren Kriterien sexistisch.

Dass oft mit solchen sexistischen Motiven, die Frauen per se als sexuell verfügbar darstellen und die keinerlei Bezug zur beworbenen Dienstleistung haben, geworben wird, ist aber nicht der Existenz der Sexarbeit geschuldet, sondern ein Hinweis auf den generellen Sexismus in der Werbung, den wir täglich in den Einreichungen von euch zu sehen bekommen.

Seit Beginn der Werbemelder*in hatten wir insgesamt knapp 3.000 Einreichungen, davon 35 zu Sexarbeit, worunter wir auch erotische Massagen, Table Dance etc. fassen.
Dabei wurden uns achtzehn verschiedene Werbemotive für Sexarbeit gemeldet, manche gleich mehrmals. Von den insgesamt 35 Einreichungen haben wir sechzehn als sexistisch, zwei als stereotyp eingeordnet und sechzehn als nicht sexistisch eingeordnet. Ein Motiv mussten wir ablehnen, weil es sich um Werbung außerhalb Deutschlands handelte. Somit ist es momentan so, dass sexistische Werbung für Sexarbeit nur einen Bruchteil der Einreichungen ausmacht.

Die Auswertung ist also abgeschlossen und ab jetzt werden eure Einreichungen zu Sexarbeit bei der Werbemelder*in zu sehen sein. Und nochmal ein großes Lob am Ende: Nach wie vor bekommen wir täglich aus allen Bereichen zahlreiche Einreichungen von euch. Gemeinsam gehen wir das Problem an und packen sexistische Werbung auf die Karte!