Es stimmt, wir haben gerade sehr viele andere Probleme: Pandemie, steigende Fallzahlen, immer mehr Coronaleugner*innen, gesellschaftliche Verwerfungen, Rassismus, Polizeigewalt, Terroranschlag in Frankreich, Klimakatastrophe. In 2020 kommt es knüppeldick und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Zumal viele Probleme nicht erst seit gestern auf dem Tisch liegen, sondern uns schon sehr lange begleiten. Während man sich also darum bemüht, die akute Problemlage in den Griff zu bekommen, lähmen die Altlasten, die leider viel zu lange nicht ernst genommen wurden. Zum Beispiel die Vernachlässigung der Situation von Pflegekräften, über die wir hier berichtet haben. Oder Sexismus. Das Problem Diskriminierung aufgrund von Geschlecht löst sich nicht von allein, nur weil Pandemie ist. Im Gegenteil: Für alles, was man nicht vor dem Krisenmodus in den Griff bekommen hat, muss man währenddessen teuer bezahlen. Aber wie immer bei Pinkstinks brauchen wir in Sachen Sexismus – und insbesondere, wenn es um Sexismus in der Werbung geht – gar nicht so viele Worte machen. Die Beispiele sprechen für sich. Und sie gehen immer noch bei uns ein, Tag für Tag, Woche für Woche. Wenn man nicht konsequent daran arbeitet, Bildungsangebote schafft, mit Verantwortlichen redet, Geld in die Hand nimmt, Projekte startet und zur Not Machtworte spricht, dann geht es nicht voran und Motive wiederholen sich. Dann werden Fußbödenbeläge immer noch wie zu den Anfangszeiten von Pinkstinks mit halbnackten Frauen beworben.
Dann werden Frauen immer noch wie Objekte zu Objekten gestellt. Am liebsten in Mittelstandsbetrieben, die irgendwas mit Autos …
… oder Handwerk machen.
Dann dürfen Frauen in ihren Jobs immer noch keine Profis sein, sondern werden lediglich als Blickfangobjekt eingesetzt.
Werbung ist sich nach wie vor nicht zu schade, auf den Stockfotoplattformen in die SM-Kiste zu greifen, um mit dem immer gleichen Motiv zu bebildern, …
… egal welchen „Zusammenhang“ es hat.
Sie nutzt weiterhin Brüste als Kommunikationsmittel …
… und scheut nicht einmal davor zurück, zwecks Nachwuchsanwerbung sexualisierte Gewalt anzudeuten.
Nicht, dass wir uns missverstehen: Es gab in den letzten Jahren auch großartige Fortschritte, die Werbebranche hat sich bewegt, große Firmen haben sich hinter der Selbstverpflichtung versammelt, nicht mehr sexistisch zu werben. Pinkstinks hat viel bewegt und erreicht. Aber es bedarf einer kontinuierlichen Anstrengung, die Dinge in eine diskriminierungsfreiere Richtung zu schieben und Haltelinien einzuziehen – sonst fallen wir hinter dem Erreichten zurück. Sonst werden die Bilder nie aufhören zu suggerieren, dass Frauen nur ein Stück Fleisch sind.
Und auch in zehn Jahren wird eine Firma, die Bürostühle verkauft, sich sonst noch darauf herausreden, dass sie sich gar nicht vorstellen kann, was an ihrem Werbemotiv sexistisch und rassistisch sein soll.
Denn es geht nicht von selbst. Sexismus ist kein Luxusproblem, mit dem wir uns beschäftigten sollten, wenn wir keine anderen Sorgen haben, sondern eine Grundeinstellung unserer Gesellschaft, die unzählige Probleme schafft. Und die verschwindet eben nicht einfach so. 1995 hat der Bundesgerichtshof sein sogenanntes Schlüpferstürmer-Urteil gesprochen und bezeichnete die Darstellung von halbnackten Frauen auf Spirituosen mit dem Namen „Schlüpferstürmer“ oder „Busengrabscher“ als Verstoß gegen die Menschenwürde, weil diese Flaschen „in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern sollen, dass die so bezeichneten alkoholischen Getränke geeignet seien, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten„. Ein Vierteljahrhundert ist das jetzt her. Heute heißen solche Liköre „Dosenöffner“ und werden frei verkauft.
Es bleibt also noch viel zu tun. Aber gemeinsam mit euch kriegen wir das hin.
Bild: Werbeplakat
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