Der Stern will es anscheinend gerade so richtig wissen. Weil sich weite Teile der Medienlandschaft momentan obsessiv mit dem Altersunterschied zwischen der Lehrerin Brigitte Macron und ihrem Ehemann, dem französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, beschäftigen, wollten die Twittermenschen des Magazins auch mal einen raushauen…
Und hier der ganze Screenshot. pic.twitter.com/U9Esa0uZno
— Tristan Veith (@TristanVeith) April 24, 2017
und versahen den Hinweis auf das Alter der beiden (Oh mein Gott, dürfen die das, dürfen die das?!1!!11!) mit dem Hashtag #AufAltenPferdenLerntMannReiten. Anschließend hatte man es natürlich nicht so gemeint (die hohe Kunst der Nichtentschuldigung) und löschte den Tweet umgehend. Nee, is klar. Wahrscheinlich sind wir und viele andere einfach nur zu engstirnig, die mannigfachen Bedeutungsebenen dieses Hashtags zu überschauen.
Gestern dann ein anderes, ganz heißes Thema.
Barbie-Puppe: Neue Kollektion fällt bei Kunden durch! https://t.co/to1o4yV4Av
— stern (@sternde) April 23, 2017
Ein Stern-Autor kombinierte die knallhart ausrecherchierten schlechten Quartalszahlen des Barbieherstellers Mattel mit ein bisschen Gutmenschenschelte und Kritik an politisch korrekter, aufgezwungener Diversität. Eigentlich wolle nämlich „keiner die dicke Barbie kaufen“. Und weil das so sei, hätte Mattel das nun eben davon: Wer auf das Genöle von Feminist*innen hört, geht pleite. Auf Stern klingt das so:
Die Soziologen waren begeistert, die Kundinnen nicht.
Aber schauen wir uns das Ganze doch mal ein bisschen genauer an. Die Presserklärung von Mattel zu den Quartalszahlen ist ja im Internet frei verfügbar. Tatsächlich sind die Verkäufe von Barbiepuppen um 13% zurückgegangen, nicht um 15% wie vom Stern behauptet. Kann man wissen – ist ja anderen auch aufgefallen. Darüber hinaus werden von Mattel überhaupt keine Aussagen getroffen, inwieweit sich die Barbie Evolution Reihe gut oder schlecht verkauft hat. Der Rückgang wird für das gesamte Barbiesegment konstatiert. Man muss die Diversitätsbemühungen von Mattel (die durchaus kritikwürdig sind) schon bewusst schlecht machen wollen, um so zu argumentieren. Ob „die Diversity-Barbie gnadenlos an der Kasse abgestraft wurde“ lässt sich den Daten nämlich überhaupt nicht entnehmen. Dafür aber die strukturellen Probleme von Mattel. Es geht seit Jahren bergab. Unter anderem deshalb, weil die Konkurrenz Produkte aus dem Star Wars Franchise vertreibt, die seit der Übernahme durch Disney und den neuen Filmen wieder im Fokus der Aufmerksamkeit stehen.
Und schließlich versteigt sich der Stern tatsächlich zu der These, Mattel hätte Barbie nicht realistischer gestalten sollen, weil „das Interesse an wirklichen Menschen in Maßstab 1 zu 6 offenbar gering ist“. Als Beispiel werden Bratz und Monster High Puppen angeführt. Klingt irgendwie schlüssig. Stimmt aber nicht. Monster High Puppen sind nämlich dummerweise eine Mattelproduktlinie und gehören damit in den anderen Bereich von Mädchenmarken, der laut Quartalsbericht um 34% eingebrochen ist. Wenn man also schon eine begründete Annahme herleiten will, die nicht wortwörtlich untermauert wird, dann doch die, dass sich Monster High Puppen noch schlechter verkaufen als Barbies.
Aber darum ging es in dem Text vom Stern ja nicht. Es ging nicht wirklich um einen Artikel über einen strauchelnden Spielzeughersteller oder den allgemeinen Wandel in der Branche. Stattdessen sollte gezeigt werden, dass Vielfalt nur ein politisch erzwungenes Projekt ist, mit dem sich unter realistischen Bedingungen kein Geld verdienen lässt. Dafür hat man sich zufälligausversehen bei einer pampigen Vorlage bedient und die „dicke Barbie“ Krise erfunden.
Der springende Punkt ist, dass das durchaus möglich ist. Es kann sein, dass Diversitätsbemühungen von der Kundschaft nicht goutiert werden und zu Gewinneinbrüchen führen. Dann sollte man das klar benennen und abwägen, ob man sich Vielfalt nicht genauso wie faire Prouktionsbedingungen und Nachhaltigkeit leisten sollte. Dieses mögliche Argument mit billigen Tricks und mangelhafter Recherche herbeizuschreiben, ist hingegen nicht zielführend.